Florian Mayer

Florian Mayer: „Ich bin bereit für etwas Großes“

Die Fahrt per Mietwagen vom Franz Josef Strauß-Flughafen in München bis zur Tennisbase in Oberhaching ist völlig unproblematisch. Man fährt einfach eine gute halbe Stunde Richtung Salzburg. Bei der Ausfahrt Oberhaching biegt man rechts ab. Nach eineinhalb Kilometern ist man am Ziel.
Wir sind mit Florian Mayer, der deutschen Nummer eins, zum Interview verabredet. Mayer wartet schon in der Eingangshalle. An den Wänden hängen überlebensgroße Fotos von ihm. Mayer trägt Jeans, Pulli, Tennisschuhe. Hallo, wie gehts?, begrüßt er die Gäste vom tennis MAGAZIN. Leicht gebräunt ist er. Nach seinem letzten Turnier in Paris war Mayer noch im Urlaub. Jetzt muss er sich auf die Saison 2012 vorbereiten. Nach unserem Termin wird er mit seinem Coach Tobias Summerer und dem Fitnesstrainer Dieter Berlacher draußen bei minus zwei Grad sein erstes Lauftraining absolvieren. Bis kurz vor Weihnachten stehen Fitness, Gewichte stemmen und Bälle schlagen auf dem Programm. Anfang Januar startet Mayer die Saison in Brisbane. Zwei Wochen später, bei den Aus-tralian Open, erfolgt der erste Härtetest.

 

Herr Mayer, Sie haben die Saison als bester Deutscher auf Rang 23 abgeschlossen. Sie spielten 2011 Ihr bislang erfolgreichstes Tennis. Haben Sie sich dafür belohnt?
Ich war mit meiner Freundin eine Woche auf den Malediven. Das hat mir sehr gut getan nach der langen und harten Saison. Wir hatten einen Bungalow, gutes Essen. Das Meer war warm wie eine Badewanne.

 

Der Tennisschläger blieb zu Hause?
Ja klar. Unsere Insel war auch ziemlich klein, Tennis hätte man dort gar nicht spielen können. Wir haben abgeschaltet, geschnorchelt, in der Sonne gelegen, Musik gehört und gelesen.

 

Was haben Sie gelesen?
Gesundheit für Körper und Seele das Buch hat mir meine Freundin empfohlen. Es geht darum, wie man Dinge im Alltag verbessern kann und wie man lockerer wird.

 

Und wie geht das?
Man muss sein Denken verändern. Nehmen wir den Davis Cup. Man muss dahin kommen, dass man so ein Match wie ein normales Turniermatch sieht. Klar, man spielt für sein Land, der Druck ist groß. Man muss sich aber vornehmen, diese Auftritte zu genießen. Davis Cup darf nicht zu so einer Belastung werden, dass der Körper verkrampft.

 

Sie sprechen aus Erfahrung. Bei der Partie in Stuttgart gegen Richard Gasquet führten Sie haushoch und verloren, weil ein Muskel zumachte. Anschließend sind Sie hart kritisiert worden. Zu Recht?
Nein. Ich fand mich im Davis Cup gar nicht so schlecht. Ich habe zwei Matches absolviert und beide Male in fünf Sätzen gegen gute Gegner verloren. Gegen Gasquet spielte ich zwei Sätze über meinem Limit. Meine Niederlage hatte auch nichts mit mangelnder Fitness zu tun.  Ich hatte in meinem Leben noch nie Krämpfe. Es war die psychische Anspannung, Davis Cup zu spielen. Das geht anderen Spielern auch so. Wir reden oft im Team über dieses Phänomen. Es ist eine Sache der Gewöhnung. Ich habe nicht so oft Davis Cup gespielt. Das muss noch mehr zur Normalität werden.

 

Bringt einen so ein Negativerlebnis weiter?
Natürlich lernt man aus solchen Dingen. Für mich war es besonders bitter, weil es mich zwei Wochen gekostet hat. Ich habe in Stuttgart früh verloren und auch beim Turnier in Hamburg war ich noch nicht wieder fit. Dort habe ich versucht, das Publikum mitzureißen, was eigentlich nicht meine Art ist. Das hat zusätzliche Energie gekostet. Insgesamt habe ich die Erfahrung gemacht, dass man in der Woche nach dem Davis Cup kein Turnier spielen sollte. Man braucht vier, fünf Tage, bis man sich davon erholt.

 

Sie haben in diesem Jahr in Bukarest Ihren ersten Titel gewonnen. Wie wichtig war das?
Extrem wichtig. Seitdem ich dort gewonnen habe, spielt es sich leichter. Von mir fiel eine riesige Last ab. Ich hatte immer den Makel, noch nie ein Turnier gewonnen zu haben. Das hat mich unter Druck gesetzt.

 

Haben Sie das Gefühl, dass Ihre Erfolge in Deutschland genügend gewürdigt werden?
Ehrlich gesagt: nein. Aber ich bin vielleicht auch selbst ein bisschen Schuld daran. Bei den großen Turnieren, für die sich die Öffentlichkeit interessiert, habe ich nicht gut gespielt. Turniere wie Bukarest sind in der öffentlichen Wahrnehmung eher wenig wert. Ich habe dieses Jahr gute Resultate erzielt, aber bei den Turnieren, bei denen es darauf angekommen wäre, eben nicht.

 

Wo hätten Sie denn gerne besser gespielt?
In Paris und Wimbledon. In Paris wäre bei meiner Auslosung der Weg bis ins Viertelfinale frei gewesen. So eine Chance darf man nicht liegen lassen. Andererseits gab es auch Gründe, warum ich nicht besser war. Ich habe  bei den Turnieren zuvor extrem gut gespielt. Ich war müde. Im nächsten Jahr werde ich meinen Turnierplan ändern, um bei den wichtigen Events in Bestform zu sein.

 

Die deutschen Damen haben ihre Chancen bei den Grand Slam-Turnieren 2011 genutzt.
Da kann man nur gratulieren. Sie haben es konstant geschafft, in die zweite Woche vorzustoßen und haben völlig zu Recht mehr Aufmerksamkeit bekommen als wir Männer.

 

Glauben Sie nicht, dass sich Spielerinnen wie Andrea Petkovic und Sabine Lisicki auch außerhalb des Platzes besser verkaufen als Sie?
Es ist mir schon klar, dass das öffentliche Interesse an mir geringer ist, weil ich nicht so extrovertiert bin. Aber damit habe ich kein Problem. Ich bin jetzt lange genug dabei und weiß, wie das Geschäft läuft. Ich weiß aber auch, dass ich inzwischen mit verstärktem Medieninteresse umgehen kann. Ich bin jetzt bereit für große Siege.

 

Also keine Angst vor Rampenlicht?
Nein, ich bin heute mit 28 Jahren viel reifer und entspannter als zu Beginn meiner Karriere. Als ich mit 21 im Viertelfinale von Wimbledon stand, war mir der Trubel um meine Person unangenehm. Inzwischen weiß ich, dass es zum Geschäft gehört und genieße es. Damit verdiene ich mein Geld und ich habe einen sehr schönen Beruf.

 

Wo sehen Sie sich denn 2012?
Auf jeden Fall in der zweiten Woche eines Grand Slam-Turniers. Ich möchte mich in den Top 20 festsetzen. Wie weit es dann nach oben geht, wird man sehen. Ich tue jedenfalls alles dafür. Ich arbeite gezielt an meinem Aufschlag- und Returnspiel. Das sind die wichtigsten Schläge. Mit meinem Fitnesstrainer Dieter Berlacher, einem Triathleten, versuche ich die zwei, drei Prozent Fitness herauszuholen, um für Best-of-Five-Matches gerüstet zu sein. Entscheidend ist, dass ich mir zutraue, jeden zu schlagen. Sonst hätte ich es nicht geschafft, Rafael Nadal in Shanghai zu besiegen. Das wäre vor drei, vier Jahren unmöglich gewesen.

 

Der Sieg sorgte für mehr Schlagzeilen als der Titel in Bukarest. Sogar Dirk Nowitzki twitterte: Verrückt! Mayer schlägt Nadal!
Wirklich? Das freut mich. Ich habe das gar nicht mitbekommen.

 

Sie zeigten fantastisches Tennis, aber im nächsten Match gegen Feliciano Lopez verloren Sie 2:6, 4:6. Wie konnte das passieren?
Das Spiel danach ist immer das schwerste. Gegen Nadal hat man nichts zu verlieren, man kann locker aufspielen. Als ich ihn dann geschlagen hatte, war das unglaublich. Wir hatten spätabends gespielt. Ich war so aufgedreht und glücklich, dass ich die Nacht kaum schlafen konnte. Ich habe in meinem Hotelzimmer gesessen und war damit beschäftigt, die ganzen Glückwünsche per SMS zu beantworten. Am nächsten Tag war ich total schlapp und Lopez hat das eiskalt ausgenutzt. Wenn man auf diesem Level nicht topfit ist, verliert man. Aber es war auch eine Erfahrung, die mir in Zukunft helfen wird.

 

Was machen die Topspieler besser als Sie?
Es passiert ihnen nicht, dass sie in einem Match einbrechen und der Gegner dann leichtes Spiel hat. Sie treten auch mit einer anderen Präsenz auf. Sie verstecken sich nicht, was bei mir manchmal der Fall ist. Spieler wie Nadal oder Federer spüren das Spiel anders. Sie sind in den entscheidenden Situationen voll da und rufen ihr bestes Tennis ab. Das sind die kleinen Unterschiede. Deshalb stehen auch seit ein paar Jahren dieselben Jungs an der Spitze.

 

Was meinen Sie mit Verstecken?
Ich schleiche manchmal mit hängenden Schultern über den Platz. Das habe ich früher gar nicht gemerkt. Inzwischen arbeite ich daran oder Tobias Summerer, mein Trainer, sagt es mir. Ich achte jetzt auch darauf, wenn meine Gegner eine negative Körpersprache haben. Früher war ich viel zu sehr mit mir selbst beschäftigt. Aber Körpersprache ist extrem wichtig. Ist sie schlecht, ist der Aufschlag schwächer. Man kommt weniger aus den Beinen heraus.

 

Absolvieren Sie ein spezielles mentales Training?
Ich habe einen Coach in dem Bereich, mit dem ich ständig in Kontakt bin. Wir telefonieren oft, manchmal treffen wir uns auch. Ich fahre zu ihm oder er kommt zu mir in die Tennisbase nach München.

 

Vor drei Jahren gab es einen Bruch in Ihrer Karriere. Sie nahmen sich eine monatelange Auszeit vom Tennis, stürzten in der Rangliste auf Platz 450 ab. Hätten Sie damals gedacht, dass Sie es in die erweiterte Weltspitze schaffen würden?
Nein. Es war eine schwierige Phase. Ich hatte zu nichts mehr Lust. Ich hatte keine Power und keine Energie mehr. Gott sei Dank kam die Freude am Tennis zurück. Ich wollte wieder angreifen und mir noch einmal beweisen, dass ich es kann. Ansonsten wäre meine Karriere total unbefriedigend gewesen. Als ich dann wieder zu den ersten Turnieren flog und auf dem Platz stand, war mir klar, dass es genau das ist, was ich will.

 

Wie schlecht ging es Ihnen?
Ich habe keine Medikamente nehmen müssen, aber ich fühlte mich nicht gut. Ich war müde, abgeschlagen, schlecht drauf. Ich zog mich zurück und wollte keinen Kontakt zu anderen Leuten haben. Drei bis vier Monate habe ich keinen Schläger angerührt. Im Nachhinein war es genau das Richtige.

 

Das klingt nach Burnout, ein großes gesellschaftliches Thema. Es gibt Dutzende Sendungen im Fernsehen. Das letzte prominente Opfer hieß Ralf Rangnick, der Trainer von Schalke 04. Verfolgen Sie das?
Ja und ich kann mich in Betroffene wie etwa Ralf Rangnick gut hineinversetzen. Fußballtrainer haben einen enormen Stress. Der Druck durch die Medien ist riesengroß. Ich kann total nachempfinden, was er und andere durchmachen. Es darf einem aber nicht peinlich sein, Schwächen einzugestehen und Hilfe in Anspruch zu nehmen. Ganz allein aus so einer Situation herauszukommen, ist schwierig. Ich habe mir damals auch helfen lassen.

 

Denkt man manchmal: Hoffentlich passiert mir das nicht wieder?
Nein. Ich fühle mich ziemlich gefestigt. Ich weiß, dass es noch andere Dinge im Leben gibt, falls es im Tennis einmal nicht laufen sollte. Ich habe keine Angst, dass so etwas noch einmal passieren könnte. Ich bin gerne in der Natur und in den Bergen, ich wandere und fahre Mountainbike. Da kann ich wunderbar abschalten.

 

Rafael Nadal hat in seiner Biographie auch über Ängste und persönliche Krisen berichtet. Haben Sie sie gelesen?
Ich habe Auszüge gelesen. Ich fand das Buch  sehr interessant. Nadal ist ein sympathischer Typ auch auf dem Platz. Als ich ihn schlug, hat er das voll anerkannt und mir ehrlich gratuliert.

 

Würden Sie ähnlich viel von sich preisgeben?
Nein, eher nicht. Aber jeder muss wissen, was er von sich erzählt. Ich war überrascht zu erfahren, welche Ängste ihn plagen. Viele Menschen haben wahrscheinlich Angst im Dunkeln oder gehen nachts ungern allein in den Wald, aber ich finde, das muss man nicht in der Öffentlichkeit kundtun.

 

Verraten Sie uns ein Geheimnis über sich?
Ich habe eine Schwäche für saure Gummibärchen und Schokolade.

 

Ein bisschen mehr dürfte es schon sein.
Okay, ich zocke gerne nicht nur auf dem Platz, wo ich die Gegner etwa mit Stoppbällen überrasche, sondern ab und zu auch im Casino. In letzter Zeit habe ich das nicht mehr so oft gemacht, aber es ist so etwas wie eine heimliche Leidenschaft (grinst).The Global Destination For Modern Luxury | reviews on air jordan outlet