Tennis

Patrik Kuehnen: „Wir sind Jäger“

Herr Kühnen, was wird das deutsche Team in Moskau erwarten?
Eine sehr starke russische Mannschaft, die topmotiviert sein wird, ihren Titel zu verteidigen.

Kleine Gemeinheiten wie ein unter Wasser stehender Sandplatz?
Könnte sein. Die Russen werden alles versuchen, ihren Heimvorteil zu nutzen und unser Team zu schwächen. Das russische Publikum wird sehr euphorisch sein. Aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass es sehr fachkundig und fair ist. Unsere Aufgabe ist es, mit den Bedingungen professionell umzugehen.

Welche Chancen hat das deutsche Team?
Die Russen sind Favorit. Sie haben fünf Topspieler, können aus dem Vollen schöpfen. Unsere Rolle ist die des Jägers. Für uns ist es ein Erfolg, zum ersten Mal seit zwölf Jahren im Halbfinale zu stehen. Aber wir wollen mehr. Wir werden kämpfen bis zum Umfallen.

Machen Sie sich Sorgen um Haas? Er war lange an der Schulter verletzt. Dazu kam in Wimbledon der Bauchmuskelanriss.
Das ist bitter. Auch für ihn persönlich, denn er wollte in dieser Saison beim Masters Cup dabei sein. Jeden Tag, den er nicht trainieren kann, verliert er an Substanz. Ich bin froh, wenn er in Moskau topfit und voller Selbstvertrauen auf dem Platz steht. Ich denke, er kann eine große Rolle spielen. Es ist auch für ihn das erste Davis Cup-Halbfinale seiner Karriere. Er wird hochmotiviert sein und er kann gut auf Sand spielen. Das hat er in der Vergangenheit bewiesen.

In Krefeld gegen Kroatien und in Ostende gegen Belgien war vom neuen Teamgeist die Rede. Können Sie ihn einmal beschreiben?
Ich will ein Beispiel geben. In Krefeld hat Benjamin Becker das zweite Einzel gespielt. Klar waren Philipp und Flo sauer. Das muss auch so sein bei Profis. Trotzdem müssen sie Benni in der Box unterstützen. Dadurch, dass das Team siegte, bekam Philipp in Belgien erst die Möglichkeit für seinen ersten Einsatz. Und das in einem Viertelfinale! Er spielte dort wiederum auch für Benni und Flo. So wächst etwas zusammen. Dieser Gemeinschaftssinn macht uns in diesem Jahr unglaublich stark.

Klingt nach: Einer für alle, alle für einen?
Genau. Wer nicht spielt, muss trotzdem alles tun, um den anderen zu unterstützen. Philipp hat in Belgien gelernt, wie wichtig der Rückhalt durch die Mannschaft ist. Wie es ist, wenn ein Tommy in der Box steht und ihm die Faust zeigt. Dieses Erlebnis hat ihn beflügelt.

Ist Alexander Waske deshalb so wichtig fürs Team, weil er Teamgeist vorlebt?
Alex lebt für die Nationalmannschaft. Mit seiner extrovertierten Art fällt er mehr auf als andere. Er ist ein wichtiger Pfeiler, aber supermotiviert sind alle, die für ihr Land spielen.

Wie groß wird die Anspannung bei Ihnen persönlich sein?
Nicht viel größer als in den bisherigen Partien. Denn sonst würde ich die drei Tage nicht überleben. Ich stehe permanent unter Strom. Mein Drehzahlmesser ist fast immer im roten Bereich. Nach jedem Davis Cup-Match brauche ich erst einmal vier, fünf Tage, um mich zu erholen. Ich bin dann komplett leer.

Wie gehen Sie mit dem Druck um?
Ich bin jetzt fünf Jahre Teamchef. Beim ersten Mal war ich schon nach einem Match heiser. Inzwischen habe ich gelernt, mir die Kräfte einzuteilen und die Batterien wieder aufzuladen: mal tief durchzuatmen auf der Bank, abends auf dem Zimmer etwas lesen, morgens eine Stunde laufen. Viel Schlaf bekomme ich nicht. Aber das war bei mir als Spieler nicht anders. Da bin ich praktisch mit dem Schläger ins Bett gegangen. Man hätte mich um halb drei wecken können, und ich hätte gleich nach außen serviert.

Was wünschen Sie sich für Moskau? Und sagen Sie bitte nicht: drei Punkte.
Dass meine Mannschaft explodiert. Dass sie an der obersten Leistungsgrenze spielt. Dann haben wir eine Chance.   

Interview: Andrej AnticMehr zum Thema:

Das Team hinter dem Team:
Wer sich alles um die deutsche Mannschaft kümmert.

„König der Kapitäne“:
Die russische Mannschaft mit ihrem Teamchef Shamil Tarpishev.

Das Drama von Moskau:
Rückblick auf das Davis Cup-Halbfinale 1995
Termin: 21. bis 23. September.
Ort: Moskau, Olympiahalle. Sie bietet Platz für 10500 Zuschauer.
Bodenbelag: Asche.
Bälle: Head.
Das deutsche Team: Patrik Kühnen (Kapitän), Tommy Haas, Philipp Kohlschreiber, Alexander Waske, Philipp Petzschner und als fünfter Mann: Florian Mayer.
Das russische Team: Shamil Tarpishev (Kapitän), Nicolay Davydenko, Mikhail Youzhny, Dmitry Tursunov, Igor Andreev.
Die bisherigen Begegnungen: Russland führt mit 5:3-Siegen. Die erste Partie 1964 in Düsseldorf gewann Deutschland mit 4:1. In den 90ern duellierten sich beide Teams regelmäßig: 1993 in Moskau 4:1. 1994 in Hamburg 1:4. 1995 in Moskau 2:3. 1999 in Frankfurt 2:3.
Der Finalgegner: Das zweite Halbfinale bestreiten USA und Schweden. Sollten die Amerikaner gewinnen, hätte Deutschland im Falle eines Sieges Heimrecht. Bei einem schwedischen Sieg müsste das Team von Kühnen auswärts spielen.
Fernsehen: Das DSF überträgt alle Matches live. Freitag ab 11 Uhr, Samstag ab 13 Uhr, Sonntag ab 11 Uhr.

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