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TOPSHOT - Germany's Angelique Kerber celebrates after victory inher women's singles match against Belarus's Victoria Azarenka on day ten of the 2016 Australian Open tennis tournament in Melbourne on January 27, 2016. / AFP / PETER PARKS (Photo credit should read PETER PARKS/AFP/Getty Images)

Durch die Nacht mit Angie

Wach geblieben: Unser Praktikant Christopher Putz ließ sich das Viertelfinal-Match bei den Australian Open zwischen Angelique Kerber und Victoria Azarenka nicht entgehen – hier die Eindrücke seiner Nachtschicht vor dem Fernseher.

Wahrscheinlich ging es mir wie vielen anderen Tennisfans vergangene Nacht. Nicht ganz sicher, ob es sich wirklich lohnen würde wach zu bleiben, schaltete ich um ein Uhr nachts doch noch den Fernseher ein, um das Match zwischen Angelique Kerber und Victoria Azarenka zu verfolgen. Hinsetzen wollte ich mich nicht. Falls es schnell gehen sollte, wollte ich mich bereits in Schlafstellung befinden. Also blieb ich liegen.

Den gesamten Tag hatte ich mich in der Redaktion bereits mit der Partie beschäftigt. Vielleicht lag es genau daran, dass ich nicht mit besonders viel Optimismus den beiden Spielerinnen beim Einspielen zusah. Azarenka hatte im Turnierverlauf jede ihrer Gegnerinnen kompromisslos vom Platz gejagt, sich in Topform präsentiert und sich somit selbst zur Mitfavoritin auf den Titel erklärt. Kerber hingegen hatte durchaus Probleme ihren Spielrhythmus zu finden. Eigentlich habe ich mit vielem gerechnet. Dass Azarenka die deutsche Nummer 1 ebenfalls schnell in zwei Sätzen abserviert. Dass Kerber das Match vielleicht doch offener gestalten kann, letztendlich aber an den entscheidenden Situationen scheitern wird. Dass sie eventuell einen Satz gewinnt, konnte ich mir auch noch so gerade vorstellen. Vielleicht war das aber auch nur Wunschdenken. Wie Kerber aber in die Partie startete, hätte ich im Leben nicht erwartet.

Mit einer 16-Shot-Rally startet das Match

Kurz zuvor hatte Eurosport noch ein Interview von Kerber eingespielt, in dem sie ihren Matchplan preis gab. Nur reinspielen wird gegen Azarenka nicht reichen, sagte sie. Aggressiv wolle sie spielen, mutig voran gehen und besser aufschlagen als noch zuletzt. „Ja, ja“, dachte ich, „mach mal Angie.“

MELBOURNE, AUSTRALIA - JANUARY 27:  Angelique Kerber of Germany plays a forehand in her quarter final match against Victoria Azarenka of Belarus during day 10 of the 2016 Australian Open at Melbourne Park on January 27, 2016 in Melbourne, Australia.  (Photo by Michael Dodge/Getty Images)

AUS VOLLEM LAUF: Kerber punktete gegen Azarenka häufig mit ihrer Vorhand.

Azarenka beginnt das Match. Noch während des ersten Ballwechsels richte ich mich langsam auf. Die Beiden starten mit einer 16-Shot-Rally. Na, das kann ja interessant werden. Kerber legt los wie die Feuerwehr, nimmt Azarenka zu null den Aufschlag ab und bestätigt das Break direkt danach. 2:0 Führung. Kerbers Plan geht voll auf. Nun ist die Marschroute aggressiv zu spielen, nicht unbedingt innovativ. Aber diesen „Matchplan“ ausgerechnet gegen Azarenka durchzuziehen, die auf jeden Ball draufgeht, als gäbe es keinen Morgen mehr, nötigt mir mehr und mehr Respekt ab. Kerber spielt sich fast in einen Rausch, macht quasi keine Fehler und geht mit 4:0 in Führung.

An Schlafen ist jetzt nicht mehr zu denken. Nicht nur, weil Kerber führt und grandios beginnt. Nein, auch weil das Spiel quasi keine Anlaufphase benötigt. Es ist von Beginn an auf hohem Niveau, auch wenn Azarenka beim Stand von 0:4 bereits bei acht unerzwungenen Fehlern steht, Angriffsbälle vergibt und einfache Volleys verschlägt. Kerbers Auftreten scheint Azarenka zu imponieren. Die Deutsche lässt nicht locker. Azarenka hat keine Chance, in ihren gefürchteten Rhythmus zu kommen.

Plötzlich findet die Weißrussin den Zugang zum Match. Sie gewinnt ihr erstes Aufschlagspiel, breakt Kerber, gewinnt auch das zweite eigene Aufschlagspiel. Dann passiert es. 15:40, zwei Breakbälle gegen Kerber bei 4:3-Führung. Jetzt geht es dahin, war ja klar! Aber zum wiederholten und nicht zum letzten Mal belehrt mich Kerber in dieser Nacht eines Besseren. Sie serviert Asse, (ja, ASSE!) produziert weitere Winner und holt sich nach sechsmaligem Einstand doch noch das Spiel zum 5:3. Nach 48 Minuten ist der Satzgewinn perfekt. Langsam dämmert es selbst mir:  da geht heute was!