Ivo Karlovic of Croatia serves against R

Porträt Ivo Karlovic: Der Spielverderber

Wenn Ivo Karlovic den Raum betritt, kehrt ruckartig ­Stille ein. Er zieht den Kopf ein, um sich nicht an der Tür zu stoßen. Alle Anwesenden unterbrechen ihre Gespräche, starren ihn an, glotzen, wie er mit seinen langen Beinen voranschreitet und sich auf den viel zu kleinen Stuhl zwängt. Karlovic mag solche Momente nicht. Aber er wird sie niemals verhindern können. Er ist 2,08 Meter groß, der längste Tennisprofi, den es jemals gab. Er wird immer Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Dabei bin ich wirklich schüchtern, sagt er. Wer sein Leben lang allein durch die Körpergröße im Mittelpunkt steht, wird automatisch ruhiger und ausgeglichener. Für meine Freunde in der Heimat bin ich ein lebendiges Navigationssystem, wenn wir abends unterwegs sind, scherzt Karlovic, der im Sitzen gar nicht so riesig wirkt. Es sind meine Beine: Jeanslänge 38, besser 40, merkt er an. Und Schuhgröße 51.
 
Früher waren Auftritte in der Öffentlichkeit noch schlimmer für den Kroaten. Er hatte extreme Sprachprobleme, stotterte, komplette Satzteile kamen nicht aus seinem Mund. Als er 2003 in Wimbledon in der ersten Runde Titelverteidiger Lleyton Hewitt besiegte, stürzte sich die internationale Presse erstmals auf ihn eine Tortur. Ich spiele lieber drei Tage Tennis ohne Pause, als auf einer Pressekonferenz zu sprechen, gestand er. Durch die Arbeit mit einem Logopäden hat er seine Schwierigkeiten beim Sprechen nun besser im Griff. Aber einer, der ohne Punkt und Komma plaudert, wird er nie werden.

Karlovic lässt lieber seinen Aufschlag für sich sprechen, der als bester auf der Tour gilt. Klar, bei 2,08 Metern ist das auch keine Kunst: Ball hochwerfen, draufhauen, und zack das Ass ist da. Doch wer so denkt, macht es sich zu einfach. Sicherlich sind Körpergröße und die Hebel seiner Extremitäten ein Vorteil für Karlovic beim Service. Doch nicht jeder Zwei-Meter-Mann ist automatisch ein Riesenaufschläger. Karlovic schon.

20 Asse pro Match unfassbar

Allein die Statistiken zu seinem Aufschlag sind unfassbar. 2007 servierte der 30-Jährige im Durchschnitt über 20 Asse pro Match, 2008 waren es 17 pro Partie Werte, die nicht einmal Gewaltaufschläger Goran Ivanisevic, auch ein Kroate, übertraf. Er kam 1996 auf knapp 15 Asse pro Match, hält aber noch den Rekord für die meisten in einer Saison (1477 im Jahr 1996). Karlovic kam 2007 auf 1318.
Ich muss noch mehr Endspiele erreichen, um Gorans Bestmarke zu knacken, kündigt Karlovic an. Mehr Matches würden der Ass-Fabrik noch mehr Asse bringen.
 
Einen anderen Rekord hält Karlovic seit den French Open 2009. In fünf Sätzen gegen Lleyton Hewitt gelangen ihm 55 Asse. Das muss man sich einmal vorstellen: 55 Asse bedeuten etwa 14 Spielgewinne, also zwei Sätze lang nur Asse. Das Kuriose: Karlovic verlor das Match gegen Hewitt und kommentierte seine Niederlage trocken: Ich hätte eben besser aufschlagen müssen. Ihm den  Aufschlag abzunehmen, ist dabei so unwahrscheinlich wie ein regenfreies Wimbledon-Turnier: es kommt äußerest selten vor. Über 90 Prozent seiner Aufschlagspiele gewinnt der Kroate Tour-Bestwert. Fast die Hälfte seiner gespielten Sätze münden deswegen im Tiebreak. Es ist so, als ob er von einem Baum aus aufschlagen würde, sagte einmal der zurückgetretene US-Profi Todd Martin über den Aufschlag von Karlovic. Jo-Wilfried Tsonga, der in Wimbledon bei seiner Pleite gegen Karlovic 46 Asse um die Ohren gefeuert bekam, stammelte nach der Partie: Das war kein Match. Ich habe ja gar nicht gespielt.

Karlovic ist ein Spielverderber. Keiner will gegen ihn antreten. Die Gegner finden keinen Rhythmus und fühlen sich bei seinem Service wie Torwarte beim Elfmeterschießen. Sie müssen sich für eine Seite entscheiden, sonst haben sie keine Chance, einen Aufschlag zu erreichen. Wer weit nach hinten geht, gibt Karlovic zu viel Raum, der dann Winkel anvisiert, von denen normalwüchsige Spieler gar nicht ahnten, dass es sie gibt. Karlovic trifft Flächen im gegnerischen Aufschlagfeld, die unter normalen Umständen höchstens mit extrem viel Spin anzusteuern sind. Er platziert dort aber Geschosse ohne Drall mit über 240 Stundenkilometern. Hinzu kommt der Absprung seines Aufschlags, der den der Durchschnittsprofis bei weitem überragt. Sein Aufschlag ist höhere Gewalt. Gegner können meistens nur hinterherschauen.
 
Ist das noch Tennis? Wäre ich ausschließlich aufgrund meines Aufschlages so gut, dann wäre ich ein Genie, entkräftet Karlovic solche Vorwürfe. Er hat in seiner Karriere schon vier Turniere auf drei unterschiedlichen Belägen gewonnen, stand im August 2008 auf Platz 14 im Ranking und besiegte sogar einmal (Cincinnati 2008) Roger Federer das geht alles nicht, wenn ich nur aufschlagen könnte, erklärt Karlovic. Er hat sein Spiel optimal seiner Größe angepaßt: Ballwechsel kurz halten, mit der brauchbaren Vorhand Attacken initiieren und vorne am Netz solide Volleys spielen. Ich bewege mich außerdem gar nicht so schlecht, findet Karlovic. Aber ohne seinen Aufschlag und das weiß er ganz genau wäre er längst nicht da, wo er heute steht.

Endlich Flüge in der 1. Klasse

Dass er es einmal in die erweiterte Weltspitze schaffen würde, glaubten nur wenige. Als Junior wurde er nicht vom kroatischen Tennisverband unterstützt zu untalentiert. Sportlehrer an der Schule redeten ihm Tennis aus und steckten ihn in Basketballteams das passte doch viel besser. Organisiertes Training bekam er nur unregelmäßig seine Eltern hatten dafür zu wenig Geld, private Sponsoren gab es nicht. Karlovic biss sich allein durch. Aufgewachsen im gutbürgerlichen Salata, einem Vorort von Zagreb, schlich er sich als Kind abends auf die hinteren Plätze eines Tennisclubs und übte ohne Ende Aufschläge. Es gab damals keine Trainingspartner. Und niemand erklärte mir, wie man eine Rückhand spielt, erinnert sich der Schlacks.
 
Das hat sich mit seinem Aufstieg grundlegend geändert. Seitdem er in Florida lebt, trainiert er regelmäßig bei Nick Bollettieri. In der Tennisakademie von Patrick Mouratoglou, nahe Paris, optimiert er ebenfalls stetig sein Spiel. Das Schönste an seinem Erfolg für ihn aber ist: Er kann sich jetzt öfter Flüge der ersten Klasse gönnen. Economy geht bei meiner Größe einfach nicht.     

Tim BöselerIvo Karlovic, 30, ist seit dem Jahr 2000 auf der Tour. Mit 2,08 Metern der ­längste Spieler, der jemals in die Top 100 der ATP-Weltrangliste vordrang. Karlovic, ­Spitzname Dr. Ivo, gewann bisher vier Turniere (Houston, Stockholm und zweimal Nottingham).
Im ­August 2008 stand er auf Platz 14 im Ranking. In Wimbledon erreichte er 2009 sein bislang bestes Ergebnis bei einem Grand Slam-Turnier. Er kam bis ins Viertel­finale, wo er Roger Federer unterlag. Karlovic ist verheiratet mit Ehefrau Alsi und hat Wohnsitze in Zagreb (Kroatien) und Florida.
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