Trainingstool Sweetspotter: Knüppel für den Takt

Alles muss passen für einen Treffer
Kann das denn tatsächlich sein? Yann grinst. So eine Wirkung hatte er sich natürlich erhofft. Ich setze die durch den Sweetspotter aufgezwungene Schlaggenauigkeit eins zu eins mit einem Tennisschläger um und heraus kommen Schläge, die ich mir selbst nicht mehr zugetraut hatte. Ich bin ziemlich perplex. Als 38-Jähriger, der seit knapp 35 Jahren Tennis spielt, halbwegs die Kugel trifft und sich auch noch beruflich mit diesem Sport beschäftigt, dachte ich eigentlich, dass mich so schnell nichts mehr überraschen kann. Der Sweetspotter beweist mir gerade das Gegenteil. Aber gut, die Vorhand ist mein Lieblingsschlag, vielleicht funktioniert es deshalb so toll.

Deswegen: Wechsel zur Rückhand, meine große Schwäche. Zehn Minuten haue ich mit dem High-Tech-Prügel Rückhände über das Netz. Mir fällt es jetzt deutlich schwerer, alle Faktoren für ordentliche Schläge in Einklang zu bringen. Aber auch hier stellt sich nach einer Weile ein bemerkenswerter Effekt ein: Ich gehe bewusst dem Ball entgegen, lehne mich richtig in den Schlag hinein. Das ist mein großes Manko. Ich weiß das genau, kriege es aber nie hin, in regulären Matches etwas dagegen zu tun. Da schubse ich den Ball irgendwie in die gegnerische Hälfte und hoffe, dass ich schnell wieder eine Vorhand spielen kann. Diese defensive Spielweise funktioniert mit dem Sweetspotter nicht. Er drängt mir eine aktive und aggressive Technik auf. Als das in meinem Kopf ankommt, macht es Klick und ich bin wieder drin, in diesem herrlichen „Flow“, durch den alles wie von selbst geschieht. Als ich im Anschluss mit dem Babolat-Schläger Rückhände spiele, ist der Aha-Effekt noch größer als bei der Vorhand. Pause. Yann und ich setzen uns, ein Mann gesellt sich dazu. John, der seit 20 Jahren auf den Plätzen im Riverside-Park spielt, sagt zu mir: „Du spielst jetzt Klassen besser als am Anfang. Ich habe eure Einheit genau beobachtet. Es ist eine komplette Verwandlung.“

Kein Zauberstab, ein Trainingsgerät
Moment mal! Das geht mir jetzt zu weit. Der Sweetspotter ist doch kein Zauberstab, der aus mir plötzlich einen Regionalliga-Spieler macht. „Yann, wie viel hast du John gegeben, damit er mich in den Himmel lobt?“, frage ich. Er lächelt nur. Schließlich räumt er ein, dass Spielertypen wie ich, die gute Grundlagen haben, aber seit Jahren einfach so ihren Stiefel runterspielen, ohne großartig an ihrer Technik zu feilen, von dem Training mit dem Sweetspotter am ehesten profitieren. Ein wichtiger Punkt, der mich extrem empfänglich für dieses Präzisionswerkzeug macht, ist meine klassische Spielart. Ich setze wenig Topspin ein, spiele gerade und mit viel Schwung. Dadurch wird es für mich einfacher, schnell den Rhythmus mit dem Sweetspotter zu finden. Modernere Spielertypen, die mehr Kraft und mehr Drall einsetzen, brauchen länger, um sich an  den Umgang mit ihm zu gewöhnen. Generell hilft es aber auch ihnen, die Präzision im Treffpunkt zu erhöhen.

Es geht weiter: Flugbälle mit dem Sweetspotter gehen relativ leicht von der Hand, schnell stellt sich Sicherheit ein. Die hohe Kunst beim Training mit dem Knüppel für den Takt ist der Aufschlag. Die ersten Versuche sehen aus wie Slapstick-Einlagen. Ich werfe den Ball hoch, versuche ihn mit dem Sweetspotter zu treffen, verfehle ihn und er plumpst mir auf den Kopf. Yann rät mir, die Keule nicht am Griffende zu umgreifen, sondern weiter oben, unterhalb der dickeren Schlagfläche. So klappt es besser. Nach jedem Treffer rutscht meine Hand ein Stück tiefer, bis ich schließlich am Griffende angekommen bin und dann Kanonenaufschläge über das Netz schicke. Yann gibt mir noch ein paar Tipps für meine Aufschlagbewegung („Länger im Oberkörper gerade bleiben, nicht so früh einknicken, mach dich groß!“) und ich serviere wie aus einem Guss, als ich zum normalen Racket wechsele. „Mensch Tim“, sagt Yann, „du bist 2,05 Meter groß, recht athletisch und technisch ganz gut ausgebildet – du müsstest eigentlich aufschlagen wie John Isner.“ Tja, schön wär’s! „Wenn du systematisch deinen Aufschlag mit dem Sweetspotter trainierst, wirst du in zwei Monaten um 30 Prozent besser servieren“, verspricht mir Yann.