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Boris Becker: „Es muss wieder mehr über Tennis geredet werden“

Der Deutsche Tennisbund hat am Dienstagmorgen eine Podiumsdiskussion über die Situation im deutschen Herrentennis mit Boris Becker während des Challenger-Turniers in Ismaning bei München nahezu perfekt nutzen können. Auch oder gerade weil es ausschließlich um Tennis gehen sollte. In diesem Rahmen blühte der neue „Head of Men’s Tennis“ mit den weiteren Gästen um Davis Cup-Teamchef Michael Kohlmann auf. Neuigkeiten gab es zur Nachwuchsförderung und einem möglichen Davis Cup-Aufgebot für 2018.

Autor und Fotos: Jannik Schneider

Yannick Hanfmann erklärte während der Diskussionsrunde authentisch, warum er vor einigen Jahren den Weg über das amerikanische Collegesystem eingeschlagen hatte. Der DTB habe ihn einfach nicht gefördert. Schlicht und ergreifend nur deshalb, weil er nicht gut genug gewesen sei im Jugendalter. „Sag doch so etwas nicht“, unterbrach ihn Becker umgehend mit einem Augenzwinkern. „Ja, aber Boris, es war einfach so. Du hast mit 17 Jahren Wimbledon gewonnen. In dem Alter war ich noch in der 11. Klasse und habe versucht, mich auf den Lehrer zu konzentrieren“, entgegnete Hanfmann mit einem Schmunzeln und erntete dafür einige Lacher.

Zu diesem Zeitpunkt war das Eis in der kurzweiligen Diskussionsrunde vor dem ersten Hauptrundentag der neu ins Leben gerufenen Wolffkran Open in Ismaning bei München bereits gebrochen. Der DTB hatte Becker eigens aus London einfliegen lassen und gemeinsam mit Davis Cup-Temchef Michael Kohlmann, dem aufstrebenden Weltranglisten 132. Yannick Hanfmann und Nummer drei der Setzliste des Turniers, Sportdirektor Klaus Eberhard und dem Turnierdirektor des Challenger-Events, Dr. Peter Aurnhammer über die Situation im deutschen Herrentennis diskutieren lassen. Becker nutzte die Bühne und kritisierte gleich mal die Stiefmütterlichkeit, mit der das heimische Herrentennis in seinen Augen oftmals behandelt würde.

„Das deutsche Tennis ist definitiv besser als sein Ruf, auch gerade gegenüber den Topnationen. Wir haben jetzt acht Spieler unter den Top 100 und Akteure, die auch gut für die zweite Woche bei Grand-Slam-Turnieren sind. Als Head of Men Tennis ist es jetzt meine Aufgabe, dass unsere Spieler die Leistungen, die dafür nötig sind, regelmäßig abrufen können.“

Michael Kohlmann sprang ihm sofort zur Seite, bezeichnete die Verpflichtung „einer Legende wie Becker“ als Meilenstein. „Wir standen bereits vor zwei Jahren nicht so schlecht da. Aber wir durften jetzt nochmal neue Bundestrainer an den verschiedenen Stützpunkten verpflichten und sind seit Anfang 2017 breiter und individueller aufgestellt.“

Keine Fragen zu Beckers finanzieller Situation

Trotz der medialen Zuspitzung auf den sechsfachen Grand-Slam-Sieger gewann Kohlmann am Dienstag durchaus an Profil. Was an ihm, aber auch an Becker selbst lag. Der nutzte jede Möglichkeit, um die voranschreitende Symbiose zwischen Kohlmann, allen beteiligten Personen und ihm selbst zu verdeutlichen. Becker trat fast schon defensiv auf, was den Redeanteil betraf. Was selbstredend auch daran lag, dass es an diesem Morgen ausschließlich um sportliche Belange gehen sollte. Wortmeldungen zur finanziellen Situation Beckers wurden in der späteren Fragerunde nicht zugelassen.

Am Wochenende erst stärkte ihn ein Bericht in der Süddeutschen Zeitung. Dort betonte sein Medienanwalt, die Verbindlichkeiten des im Londoner Stadtteil Wimbledon ansässigen Beckers seien signifikant niedriger als die kolportierten 61 Millionen Euro. Die einseitigen Angaben der Gläubiger würden demnach einer näheren rechtlichen Überprüfung nicht standhalten.

Des Weiteren könnte der 21. Juni 2018 eine Art Befreiungsschlag werden. Dann würde der Head of Men’s Tennis eventuell alle Rückstände los sein, die in England registriert sind. Während das in Deutschland sechs Jahre dauert, erfolgt der Schuldenschnitt in England nach zwölf Monaten. Das britische Recht ist schuldnerfreundlicher als hierzulande.

Der Superstar selbst ließ sich, wie bei jedem öffentlichen Auftritt in diesen Tagen, zumindest äußerlich nichts von den Negativschlagzeilen anmerken, erntete bei der Begrüßung gar Applaus von den Fans auf der Anlage.

Davis Cup-Einsätze künftig vertraglich vereinbart

So positionierte Sportdirektor Klaus Eberhard seinen neuen starken Mann gekonnt und stellte Becker eine arbeitnehmerfreundlichere Zukunft in Aussicht. „Was daran liegt, dass wir nun in der längst überflüssigen Grundförderung des deutschen olympischen Sportbundes sind. Auch deshalb konnten wir die von Michael Kohlmann erwähnten neuen Bundestrainer Jan Velthuis, Björn Phau und Dirk Dier einstellen und haben jetzt insgesamt zehn Trainer an den Stützpunkten.“ Zuvor habe der Verband vermehrt auf Honorartrainer zurückgreifen müssen. „Jetzt können wir individueller reagieren, speziell auf die einzelnen Spieler zugeschnittene Konditionslehrgänge anbieten und Reisen finanzieren.“

Im gleichen Atemzug betonte der Sportdirektor, dass vom DTB geförderte Nachwuchskräfte „in ihren Verträgen stehen haben, dass wir später im Fall der Fälle Davis Cup-Einsätze erwarten.“

Der einst so prestigeträchtigte Länderkampf um die hässlichste Salatschüssel der Welt war neben der Nachwuchsförderung das zweite bestimmende Thema der Diskussionsrunde, durch die Achim Fessler vom bayrischen Tennisverband führte.