Die wertvollsten Tennisschläger der Welt: Andreas Fixemer ist der Racket-Man
Er sammelt Tennisschläger wie andere Leute edle Weine: Andreas Fixemer besitzt eine der größten und wertvollsten Racketsammlungen der Welt. Zu Besuch bei einem Experten.
Fotos: Claudio Gärtner
Als sich die Wohnungstür öffnet und der Blick den schmalen Flur hinunterwandert, bleibt er sofort an den Schlägern haften, die dort an der Wand hängen. Es sind Originalschläger von Steffi Graf, Andre Agassi und Boris Becker, jeweils bezeugt mit Echtheitszertifikaten im DIN A4-Format, die neben den Exponaten angebracht sind. „Das ist erst der Anfang“, sagt Andreas Fixemer und bittet ins Wohnzimmer. Eine der Wände ist vollbehangen mit Schlägern. Der Älteste stammt aus den 1870er-Jahren, der Neueste wurde Anfang der 1990er-Jahre gefertigt.
„Über 100 Jahre Tennisgeschichte zum Anfassen“, sagt Fixemer und drückt dem Besuch eine Holzkeule mit abgeflachtem Schlägerkopf in die Hand. „Ein Racket von Slazenger, mit dem William Renshaw in 1880er-Jahren in Wimbledon gewann. Das exakte Jahr ist nicht überliefert“, sagt Fixemer. Man steht staunend in einer Berliner Wohnung, hält die sporthistorische Rarität etwas ungelenk in der Hand und wundert sich über all die Kostbarkeiten, die hier die Wände schmücken wie in einem Privatmuseum.
Tennisschläger-Sammlung von mehr als 1.200 Rackets
Normal ist das nicht, denn eigentlich lagern all diese Rackets an einem sicheren Ort. Fixemer hat sie extra für das Treffen mit tennis MAGAZIN hergebracht und aufgehängt. Für besondere Gäste betreibe er manchmal diesen Aufwand, merkt er an. Der 49-Jährige hat nur ausgewählte Stücke seiner Sammlung mitgebracht, die insgesamt mehr als 1.200 Rackets umfasst. Seine private Kollektion sucht weltweit seinesgleichen. Sie ist eine tennisgeschichtliche Attraktion.
VOLLE HÜTTE: Im Wohnzimmer hat Fixemer ausschließlich besondere Rackets an die Wand gehängt. Rechts unten ist ein Schläger zum Zusammenschrauben von 1988 zu sehen (Pirelli Technort).Bild: Claudio Gärtner
Seine Leidenschaft für Tennisschläger entdeckte Fixemer schon als Teenager. Er war wie so viele andere in den 1980er-Jahren begeistert von Boris Becker und dessen Wimbledonsiegen. „Er war mein größter Einflussgeber“, gesteht Fixemer, der in Luxemburg zur Welt kam und im Norden von Saarbrücken aufwuchs. Fixemer lebte damals für Tennis.
Andreas Fixemer: „Mich interessierte, was hinter diesem Sport steckte“
Als er mit 18 Jahren den „Nazka“ der französischen Marke Major entdeckte, war es um ihn geschehen. „Schöner kann man einen Rahmen nicht konstruieren“, schwärmt Fixemer noch heute und klingt dabei so, als würde er schwerverliebt über seine Angebetete sprechen. Er kaufte sich damals gleich vier Exemplare. Eines davon bewahrte er auf, originalverpackt natürlich. Er hat es heute noch.
Nach dem Abitur zog er es mit einigen Freunden kurzzeitig in Erwägung, Tennisprofi zu werden. „Im Nachgang ein ziemlich überheblicher Gedanke“, räumt Fixemer heute ein. Er spielte einen ordentlichen Ball, aber zum Profi hätte es wohl nicht gereicht. Fixemer studierte schließlich Mathematik und während des Studiums beschäftigte er sich intensiv mit der Tennisgeschichte.
„Mich interessierte, was hinter diesem Sport steckte. Ich wollte mehr über ihn in Erfahrung bringen“, sagt er. In dieser Zeit, Anfang der 1990er-Jahre, baute er sich ein Netzwerk in der Tennisszene auf und begann, seine Racketsammlung zu vergrößern. „Ich war damals ein junger Kerl und fragte einfach überall nach bedeutsamen Schlägern“, erklärt er.
Andreas Fixemer: „Mein Interesse galt stets den ideellen Werten der Schläger”
Auf Masse hat er nie gesammelt. Ihn interessierten stets die außergewöhnlichen, geschichtsträchtigen Stücke. Jene, mit denen sich die Entwicklung des Tennissports nachvollziehen lässt. Fixemer machte sich schnell einen Namen als fachkundiger und gewissenhafter Sammler. Er wurde von Herstellern zu Werksbesichtigungen eingeladen, fuhr zu großen Turnieren, um Kontakte zu Managern der damaligen Profis zu intensivieren und kuratierte Ausstellungen seiner Schläger in ganz Deutschland.
VOLLES LAGER: Mehr als 1.200 Rackets hat Fixemer im Laufe der Jahre gesammelt. Die meisten hat er geschenkt bekommen. Nicht alle sind wertvolle Einzelstücke.Bild: Claudio Gärtner
Er bekam viele Rackets geschenkt, weil die Leute wussten, dass sie bei ihm in guten Händen waren. Was er nie betrieb: Handel mit Tennisschlägern. „Mein Interesse galt stets den ideellen Werten der Schläger, Geld wollte ich nie mit ihnen verdienen“, beteuert Fixmer, der heute als Unternehmensberater arbeitet.
Es gibt einige Stücke, die aus seinem Fundus herausragen – wie der Wimbledonschläger von William Renshaw. Fixmer deutet auf einen anderen Schläger an der Wohnzimmerwand: „Der Borg Pro von Donnay. Er gehörte zu Borgs Schlägerset, als er 1980 das legendäre Wimbledonfinale gegen John McEnroe gewann. Ich bekam ihn von seinem Trainer, Lennard Bergelin.“
Umzugskiste gefüllt mit Tennisschlägern
Auf dem Boden steht eine Umzugskiste, randvoll gefüllt mit Schlägern. Im Minutentakt zaubert Fixemer ein Prachtstück nach dem nächsten hervor. Hier ein Prince „Classic“, der erste Großkopfschläger der Welt, den Fixemer arg ramponiert auf einem Flohmarkt in Frankfurt für fünf Mark erstand, um ihn dann nach drei Tagen Handarbeit auf Hochglanz zu bringen.
Dort ein Wilson „T2000“, ein Stahlracket, mit dem Jimmy Connors 1982 in Wimbledon siegte, inklusive Originalunterschrift. Und schließlich all die irren Konstruktionen, die Ende der 1980er-, Anfang der 1990er-Jahre auf den Markt kamen: mit schrägem Köpf, einstellbarer Besaitungshärte oder zum Auseinanderschrauben für die Mitnahme im Flugzeug.
Das eigentliche Highlight seiner Sammlung nimmt selbst Fixemer mit einer gewissen Vorsicht von der Wand. Andächtig überreicht er ihn. Es ist ein uralter Holzschläger, allerdings besteht der Griff aus einem anderen Material. Es ist weiß und fühlt sich kühl an. „Das ist Elfenbein von indischen Elefanten“, erklärt Fixmer und erzählt dann die unglaubliche Geschichte des Wingfield-Rackets.
Irgendwann in den 1990er-Jahren hörte er erstmals von diesem ominösen Schläger, der im Auftrag von Prince Edward VII., Sohn von Königin Victoria, nach seiner Rückkehr von einer Indienreise 1875/76 hergestellt wurde. Es war ein Geschenk für Major Wingfield, dem Erfinder des Tennissports, wie wir ihn heute kennen.
Major Wingfield und sein legendäres Lawn-Tennis-Set
Wingfield brachte 1874 sein legendäres Lawn-Tennis-Set namens „Sphairistikè“ auf den Markt. Es beinhaltete alles, was man für ein Tennismatch brauchte, inklusive Regeln und Vorgaben zur Spielfeldgröße. Prince Edward VII. nun wollte Wingfield mit seinem prachtvollen Schläger für dessen Verdienste rund um die noch junge Boom-Sportart danken.
Danach ist nicht viel überliefert worden von dem Schläger. Klar ist, dass Wingfield mit dem Unikat nicht gespielt hatte – es war stets ein Ausstellungsstück. Wie es später wieder in den königlichen Besitz gelangte, ist unbekannt. Nach dem Zweiten Weltkrieg soll der Wingfield-Schläger schließlich bei der Firma Slazenger gelandet sein. Danach verlor sich jede Spur.
Fixemer machte sich damals auf die Suche, zunächst erfolglos. Dann half ihm der Zufall: Ein Insider aus der Schlägerindustrie schenkte ihm eine ausrangierte Kiste voller Rackets, in dem sich tatsächlich der Wingfield-Schläger befand. „Als ich die Kiste öffnete, wusste ich sofort, um welchen Schatz es sich handelte“, behauptet Fixemer heute.
Tennisgeschichte erlebbar machen
Das Prunkstück seiner Sammlung soll bis zu zwölf Millionen US-Dollar wert sein. Das stellten zwei Auktionatoren unabhängig voneinander fest. Fixemer erhielt konkrete Kaufangebote von chinesischen Geschäftsmännern im hohen siebenstelligen Bereich. Seine Anwort: „unverkäuflich“ – wie alle anderen Exponate auch. Den Wingfield-Schläger hielt er danach etliche Jahre unter Verschluss.
GESCHMÜCKTER FLUR: Auf den Puma von Boris Becker, inklusive persönlichem Anschreiben, ist Fixemer besonders stolz. Den Schläger erhielt er von Beckers Vater Karl-Heinz.Bild: Claudio Gärtner
Das soll sich nun ändern, denn Fixemer hat beschlossen, die wichtigsten Schläger aus seinem Fundus einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Im Sommer 2020 will er die „Berlin Tennis Gallery“ eröffnen. Er hat schon eine Location, die Website ist bereits fertig und auf den Social Media-Kanälen werden fast täglich neue Rackets mit spannenden Beschreibungen hochgeladen.
Fixemer sieht sich in der Rolle des Projektleiters. Seine Frau Anne ist als Fotografin für das optische Design zuständig. Weitere Mitarbeiter wirken schon hinter den Kulissen. Gemeinsam wollen sie Tennisgeschichte erlebbar machen. Dabei helfen sollen nicht nur die besonderen Schläger, sondern auch Porträts von Tennisspielern.
„Jeder Tennisspieler ist ein Teil der Geschichte unseres Sports”
Durch diesen Mix will Fixemer viele Tennisinteressierte ansprechen. Seine Vision: Kooperationen mit Turnieren in aller Welt, wo er Rackets und Bilder präsentiert. „Jeder Tennisfan und -spieler ist ein Teil der Geschichte unseres Sports. Ich bin mir sicher, dass jeder von ihnen sein Stück persönliche Geschichte bei uns wiederfindet“, verspricht Fixemer. Das Ganze ließe sich mit Charity-Projekten verknüpfen, schlägt er vor.
Er selbst wird aus den Aktionen keinen Profit ziehen. Stattdessen will er Erlöse der „Berlin Tennis Gallery“ dafür nutzen, um auch sein eigenes Wohltätigkeitsprojekt voranzutreiben: Auf den Philippinen kümmert er sich mit seiner Frau um den Ausbau eines Kindergartens und einer Grundschule: Sie wollen dort eine Sportanlage bauen, inklusive Tennisplatz natürlich.
Fixemer kehrt zur Kiste in seinem Wohnzimmer zurück und holt ein Monstrum hervor: den „GTX Mid-T Ivan Lendl“ von Adidas, der 82 Zentimeter misst. Zum Vergleich: Heute sind Schläger in der Regel 68 Zentimeter lang. Der Tennis-Weltverband hat den Wildwuchs im Schlägerbau durch strenge Vorgaben längst eingedämmt. „Was so in den letzten 20 bis 30 Jahren auf den Schlägermarkt gekommen ist, lohnt sich nicht mehr für einen Sammler“, sagt Fixemer. Er klingt dabei etwas enttäuscht.