Day Four: The Championships – Wimbledon 2014

Federer breakt, Jogi schimpft

Man muss Prioritäten setzen. Also Fußball gucken. Das Problem an diesem Donnerstag: Es ist kurz vor 17 Uhr. Gleich spielen Jogis Jungs (wg. der Zeitverschiebung eine Stunde früher als in Deutschland). Aber es spielen auch noch Petkovic und Kerber. Lisicki ist gerade fertiggeworden. Aber die ist dann, wenn das Spiel schon läuft, für die Pressekonferenz gescheduled. Egal, Fußball hat heute Vorrang. Was in Wimbledon passiert, wird man schon irgendwie mitkriegen. Ich muss ja nicht, wie die armen Schweine von der Tageszeitung Artikel schreiben, die am nächsten Tag in der Zeitung stehen müssen.Also ab zum Deutschlandspiel. Ein schöner großer Flachbild-Fernseher ist nicht in Sicht, zum Pub ist es zu weit – ich muss mit der Gurke an meinem Arbeitsplatz im Pressezentrum vorliebnehmen. Bildschirmgröße: gefühlt 7 Zoll, zu Hause sind es 102 (einen Gruß an meine Frau an dieser Stelle, die die 102 nie wollte). Drumherum hacken die Kollegen wie in einer Legebatterie. Ich setze die Kopfhörer auf und höre die Nationalhymne auf BBC 1 – herrlich. Kurz mal rübergeswitcht auf Kanal 34 (wegen schlechten Gewissens und so, schließlich werde ich ja für Wimbledon bezahlt). Ah, da sitzt Sabine mit Bundesadler auf ihrem T-Shirt und beantwortet Fragen. Ich werde mir später von den Kollegen erzählen lassen, was sie gesagt hat. Wird schon nicht so wichtig gewesen sein. Halt! Die Lisicki-PK war doch ganz aufschlussreich, zumindest für die Klatschblätter. Sabine hat Camilla getroffen, DIE Camilla. Und: Sie ist auch Hugh Jackman begegnet. Oder besser: Er ist ihr begegnet. Denn sie hat ihn nicht erkannt, wie sie erzählt hat, sondern er sie!

Zurück zum Fußball. In Brasilien regnet es in Strömen. In London scheint die Sonne – verkehrte Welt. Andersrum wäre viel besser: Dann würde nämlich nur auf dem Centre Court gespielt werden und man könnte entspannter gucken. Deutschland startet so lala. Als die Amis eine Chance haben, schreie ich auf – ganz in meiner Welt, mit Kopfhörern auf den Ohren, versunken. Ich kehre erst wieder nach Wimbledon zurück, als der komplette Presseraum, rund 80 Leute, lacht. Man hat Verständnis für den fußballverrückten Deutschen…
Blick aufs Scoreboard – Petkovic hat in drei Sätzen gewonnen, sehr schön. Kurz vor der Halbzeit sagt eine Lautsprecherstimme, dass Petkovic um 17.50 Uhr in Interviewraum 2 sein wird. Super Timing, denke ich, dann ist Halbzeit. Da kann man da ja mal hingehen. 0:0 nach 45 Minuten, ich haste drei Stockwerke tiefer in den Interviewraum. Petkovic erscheint, fragt wie es steht, ist mit dem 0:0 zufrieden und erzählt, dass ihr Ausrutscher schlimmer ausgesehen habe, als es war. Nein, sie habe sich Gott sei Dank nicht verletzt, sie sei allerdings im ersten Moment ziemlich schockiert gewesen (von wegen Verletzungshistorie und so…)
Wieder nach oben – 2. Halbzeit. Kurzer Blick auf den Monitor vom Kollegen vom japanischen Tennis Magazin – Angi Kerber ist inzwischen auf dem Centre Court fertig geworden, hat auch gewonnen. Jetzt spielt Federer. Drei deutsche Damen in Runde drei – super. Jetzt müssen nur noch die Herren in Recife nachziehen. Die tun sich aber schwer – Jogi, triefend nass und mit Augenringen so tief wie der Grand Canyon, schimpft. Beim Japaner nebenan gelingt Federer ein Break. Dann endlich die Erlösung: 1:0 Müller! Diesmal bin ich nicht der einzige, der schreit.
Kurz vor Schluss. Eine Lautsprecherdurchsage kündigt Genie Bouchard an: „…will be in the main interview room immediately“ Alles klar, die nächste Gegnerin von Andrea Petkovic. Schlusspfiff in Brasilien, Deutschland hat 1:0 gewonnen. Im gleichen Moment – ich schwöre es – gewinnt Federer den ersten Satz gegen Superaufschläger Gilles Muller aus Luxembourg 6:3, wie ein Blick zum Tennismann aus Japan verrät.
Vier Minuten später: Bouchard sitzt jetzt im „Main Interview Room“. Auf BBC 1 analysiert Jürgen Klinsmann mit kaputter Stimme die Partie. Er ist zufrieden, krächzt in schwäbischem Englisch: „Auf uns wird man noch achten müssen.“ Zehn Minuten später sitzt Kerber im Interviewraum und lobt ihre Gegnerin Heather Watson „…hat eine große Zukunft vor sich“. Als sie am Ende jemand auf das Fußballspiel anspricht, sagt sie: „Es war ein guter Tag für Deutschland.“ Da hat sie völlig recht.
PS. Es ist Donnerstag, 19:15 Uhr in London. Hier regnet es jetzt auch…

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