ATP World Tour Finals – Day Three

Federer vs. Nadal: Ein Bagel zum Dinner in London

von Tim Böseler, London

Zugegeben, dieses Match zwischen Roger Federer und Rafael Nadal war nur ein Vorrundenspiel beim ATP-Masters in London. Es ging um keinen großen Titel. Und selbst der Verlierer, Nadal, hat noch Chancen, sich für das Halbfinale zu qualifizieren, in dem Federer bereits steht. Der Gruppenspielmodus beim Jahresabschlussturnier ermöglicht solche für das Tennis eher ungewöhnlichen Konstellationen. Und ja, Rafael Nadal war körperlich nicht in seinem besten Zustand – die Nachwirkungen einer Magen-Darm-Geschichte, die ihm in seinem Auftaktmatch gegen Fish zu schaffen machten.

Und doch, soviel ist sicher, diese Partie wird ihren festen Platz in allen Rückblicken auf eines der größten Duelle des modernen Sports bekommen.

25mal standen sich die beiden Rivalen schon gegenüber. Zum ersten Mal 2004 in Miami. Es war ein Achtelfinal-Match, das Nadal 6:3, 6:3 gewann. Seitdem, also seit 24 Partien, trafen sich die beiden immer nur in Endspielen (19mal) oder Halbfinalbegegnungen (5mal). Allein deswegen war ihr Aufeinandertreffen in so einer frühen Phase eines Turniers schon etwas Besonderes. Und noch etwas machte das Match speziell: Erstmals spielten sie gegeneinander, ohne dass einer von ihnen auf Platz eins in der Weltrangliste steht.

Das Match begann um 20.16 Ortszeit mit einem Doppelfehler von Roger Federer es blieb sein einziger. Bis zum 3:2 für Federer passierte nicht allzu viel, aber dann nahm er Nadal zu null den Aufschlag ab nach einem Monster-Ballwechsel mit über 40 Schlägen. Federer kam ins Rollen. Er spielte druckvoller, präziser und intelligenter. Seine Rückhand, sonst oft ein Schwachpunkt in den Matches gegen Nadal, schwang er so kraftvoll und kontrolliert durch wie selten zuvor. Er verzichtete auf den eher defensiven Slice, sondern zog volles Rohr durch egal, mit wie viel Topspin ihn Nadal auf der Rückhandseite anspielte. Langsam wurde deutlich: Federer war auf dem besten Weg, sein höchstes Level zu erreichen. Auf der anderen Seite hatte Nadal dem nichts entgegenzusetzen. Seinen ersten direkt erzielten Punkt, also seinen ersten Winner, bejubelte Nadal beim Stand von 2:5 und 30:30. Im ganzen Match gelangen ihm insgesamt vier Winner Federer brachte es auf 28. Ein Wahnsinnswert! Das Match dauerte ja nur eine Stunde.
Roger ein Gott?

Winner am Fließband gab es im zweiten Durchgang zu bestaunen. Selbst direkte Punkte beim Return schoss der Schweizer jetzt quasi aus der Hüfte ab. Für das Publikum, von Beginn an recht deutlich auf Federers Seite, gab es kein Halten mehr. Jeder Gewinnschlag wurde mit dem Gegröle von 17.500 euphorisierten Tennisfans begleitet, viele erhoben sich von ihren Plätzen und verneigten sich vor dem großen Meister. Das Plakat eines Schweizer Fans mit der Aufschrift Wenn Tennis eine Religion ist, dann ist Roger Gott bekam in dieser Atmosphäre fast schon eine ernstzunehmende Bedeutung. Zum Glück streute Federer auch noch manchmal einen Fehler ein so konnten sich alle Zuschauer sicher sein, es mit einem irdischen Wesen zu tun zu haben.

6:0 endete der zweite Durchgang. So etwas nennen sie in England einen Bagel, in Anlehnung an das Gebäck mit dem Loch in der Mitte. Schlimmer ist nur noch der Double-Bagel, also ein 6:0, 6:0. Die Höchststrafe blieb an diesem Abend zwar aus, aber auch so ist dieser Sieg von Federer der deutlichste gegen Nadal überhaupt. Er gönnte sich einen Bagel zum Dinner in London.

Über die Gründe für Federers wieder gewonnene Stärke lässt sich nun viel spekulieren. Er mag es, in der Halle zu spielen, er hat mit weniger körperlichen Problemen zu kämpfen als viele seiner Konkurrenten und er kann allen Skeptikern zum Trotz selbst solche Horrorniederlagen wie die gegen Novak Djokovic bei den US Open 2011, wo er zwei Matchbälle bei eigenen Aufschlag nicht nutzte, tatsächlich vergessen. Er macht einfach weiter. Seine gebetsmühlenartig vorgetragenen Ausflüchte, dass er immer noch große Siege in sich spüre und sein bestes Tennis schon noch irgendwann zurückkomme, bekommen nach dieser Lehrstunde von London für Nadal plötzlich eine ganz neue Bedeutung.

Ich bin selbst überrascht, dass ich so stark gespielt habe, wunderte sich Federer nach dem Match. Er spielte einfach zu gut für mich, attestierte Nadal. Und nach einer Pause fügte er hinzu: Wenn einer auf so hohem Niveau spielen kann, dann ist es Roger Federer. Auch so lässt sich eine Sternstunde des Tennissports zusammenfassen.

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