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„Komm jetzt, Sabine!“

Andrej Antic aus Wimbledon

Donnerstag, 14.40 Uhr Londoner Zeit. Centre Court, Pressetribüne, Sitz 132. Das zweite Halbfinale zwischen Lisicki und Radwanska beginnt. Bei den Buchmachern ist die Deutsche Favoritin, in der Weltrangliste steht die Polin 20 Plätze besser da. Dick bandagiert ist sie um die Oberschenkel. Ist sie gehandicapt? Nein, sie bewegt sich bestens, das Match ist richtig gut. Von der ersten Minute. Die Geschichte des ersten Satzes ist schnell erzählt. Lisicki breakt ihre Gegnerin zum 4:3. Bei 5:4 muss sie einen Breakball abwehren, aber nach 33 Minuten verwandelt sie ihren ersten Satzball. Geht es ähnlich schnell wie im ersten Halbfinale, in dem Marion Bartoli ohne Probleme Kirsten Flipkins schlägt? Bei 1:0-Führung verschlägt Lisicki einen kinderleichten Volley. Die mögliche 2:0-Führung dahin. Da war ich unkonzentriert, wird sie später sagen. Dann der Bruch: Lisicki verliert sechs Spiele in Folge, liegt im dritten Satz 0:3 hinten. Kann sie das Match noch einmal drehen, so wie gegen Serena Williams im Achtelfinale? Eigentlich unmöglich. Der dritte Satz: ein einziges Drama von abgewehrten Breakbällen, glücklichen Netzrollern, krachenden Aufschlägen bei der Deutschen (insgesamt 9 Asse). Und auf der anderen Seite eine Gegnerin, die fast stoisch wirkt, der im gesamten Match über 2:18 Stunden nur zehn unerzwungene Fehler unterlaufen. Aber die Aufholjagd klappt. Aus 0:3 wird 3:3. Ist das noch normal? Bei 4:4 breakt Lisicki die Polin. 5:4, Aufschlag zum Matchgewinn, zum Einzug ins Finale, zum Sprung in die Geschichtsbücher.Liebling der Engländer

Lisicki erhebt sich nach dem Seitenwechsel von ihrem Stuhl, schreitet zum Aufschlag, betritt dabei nicht die Linien, wie so viele andere abergläubische Spieler. Ist das Match gleich vorbei? Von der Dramatik bleibt auch die Anzeigetafel nicht verschont sie fällt aus. Und wieder Drama: Netzroller, Linienbälle. Es steht 40:40. Noch zwei Punkte, aber das Happy End ist erst einmal verschoben Radwanska schafft das Break.
Dann liegt Lisicki wieder zurück. 5:6, dann 6:7. Sie feuert sich an Komm jetzt, Sabine! Auf der anderen Seite, wo die Eltern, der Trainer, Fed Cup-Trainerin Barbara Rittner sitzen, sieht man aufmunterndes Kopfnicken, Klatschen. Dann das Break der Deutschen zum 8:7, einen Matchball musste sie nicht abwehren. Kurz darauf hat sie selber drei. Den zweiten verwandelt sie mit einer krachenden Vorhand die Linie herunter. Game, Set, Match, Glückseligkeit. 9:7 im dritten Satz nach 2:18 Stunden. Am Ende stehen 60 Winner in der Statistik von Lisicki. Kollektiver Jubel der 15.000 Zuschauer im Stadion. Lisicki wirft sich auf den Boden. Es sieht so ähnlich aus wie nach dem Sieg gegen Serena. Beim Händedruck am Netz ein Hauch von Eiszeit: Radwanska sieht sie nicht an. Dann die Tränen der Erleichterung, Autogramme auf dem Platz, vor dem efeuumrangten Clubhaus, wo sonst die Royals Einlass finden. Hunderte von Fans, die Sabine, Sabine rufen.
SMS von Steffi Graf

Wimbledon hat einen neuen Liebling, der all das verkörpert, das die Engländer so lieben: ein Underdog im Finale. Eine, die Emotionen zeigt. Eine die kämpft bis zum Umfallen. Eine wie Boris Becker? Vor dem Pressezentrum steht jetzt Barbara Rittner. Sie gibt Interviews, telefoniert mit Steffi Graf, die in Las Vegas das Match am Fernsehen verfolgt hat und Lisicki vor dem Match per SMS viel Glück gewünscht hat.
1996 holte sie als letzte Deutsche den Titel in Wimbledon.

Sabine Lisickis Rendevous mit der Ewigkeit steigt Samstag. 14 Uhr Ortszeit. Centre Court. Wimbledon.
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