Wimbledon Championships 2006 – Day Four

Post aus Wimbledon: Schlange ins Glück

Gestern waren es über 14.000 Menschen. 14.000! Das muss man sich mal vorstellen. Das ist einmal der vollbesetzte Centre Court vom Hamburger Rothenbaum, den wir wohl nicht mehr in seiner vollen Auslastung erleben werden …

Aber das ist ein anderes Thema. Hier geht es um die berühmteste Menschenschlange der Sportgeschichte, quasi der Ursprung aller Warterei. Sie bildet sich jetzt jeden Tag vor den Toren des All England Lawn Tennis Clubs. Und: Sie wird immer länger. Jene 14.000 Menschen, die gestern bei wolkenlosem Himmel ausharrten, um an eines der 7500 frei verkäuflichen Tickets zu kommen, verblüfften selbst erfahrene Beobachter dieser seltsamen, aber in der Regel friedlichen Menschenansammlung. Die Euphorie rund um Andy Murray zeigt eben ihre Wirkung.

Gute Versorgung in der „Queue“

Wer sich in die so genannte Queue einreiht, wird von Sponsoren gut versorgt: Wasserflaschen, Rasiercremeproben, Mini-Sonnenmilch-Dosen oder kleine Schokoladen-Happen werden generös verteilt. Die meisten der Ausharrenden hoffen auf eines der jeweils 500 Tickets für die drei großen Plätze, die es bis zum Donnerstag der zweiten Woche gibt. Daneben sind noch 6000 Groundtickets im freien Verkauf, mit denen man sich die Matches der Nebenplätze anschauen kann.

Denis aus Hamburg stellt sich seit drei Tagen in die Reihe. Bis zu fünf Stunden muss er warten, bis er ein „Groundticket“ bekommt. „Spaß macht das nicht, aber man kriegt eigentlich immer Karten“, sagt er. Heute kam er erst am Nachmittag. Ein Ticket erhielt er trotzdem, sogar zum rabattierten Preis, weil der halbe Spieltag schon vorbei war. 14 statt 20 Pfund – „das ist fair“, findet Dennis.
Er gehört nicht zu denen, die am Abend vorher kommen, im benachbarten Wimbledon-Park ihre Zelte aufbauen, Picknick machen, mit ein paar Drinks anstoßen und irgendwann in ihren Schlafsäcken verschwinden. „So verrückt bin ich nicht“, sagt Dennis. Die Camper werden morgens um 6.30 von freundlichen Stewards geweckt. Ab 7.30 gibt es die heiß begehrten Armbänder für die Tickets der drei Hauptplätze: Wer zuerst kommt, also am Abend vorher, hat darauf die besten Chancen. Der Rest muss sich mit Groundtickets begnügen. Für Dennis kein Problem: „Das reicht. So toll ist es auf dem Centre Court auch nicht.“

Wenn die Warteschlange morgens langsam Form annimmt, kommen auch Fans wie Denis hinzu, denen eine Übernachtung zu anstrengend war. Stewarts teilen nun Queue Cards aus, damit sich niemand weiter vorne in die Schlange drängelt soviel Sorgfalt bei einer Menschenschlange gibt es nur in Wimbledon. Um 10.30 öffnet der Club. Die Schlange wird über einen angrenzenden Golfclub und eine Brücke bis zu den Kassen geführt.

Der „Resale“ macht neue Rekorde möglich

Auch wenn alle Karten verkauft sind: Das Anstellen kann sich dennoch lohnen, falls Ticketinhaber vorzeitig die Anlage verlassen. Dann wandert die Karte zurück in den freien Verkauf. Der Erlös dieser wiederverkauften Tickets kommt einem wohltätigen Zweck zugute und ist in Wimbledon mittlerweile ein eigener Markt geworden. Nur durch diesen Ticket-Resale ist es überhaupt möglich, neue Zuschauerrekorde zu erzielen. Pro Tag gibt es nämlich nur 40.000 Tickets (die Anzahl stieg durch den Umbau der Anlage von 36.500 im letzten Jahr an). Aber gestern waren es fast 46.000 Besucher neue Bestmarke für den ersten Dienstag. 6000 Karten kamen also zurück in den Verkauf und beglückten die ewig Wartenden in der Schlange von Wimbledon.

Denis stellt sich Morgen früh wieder an.

Tim Böseler, Wimbledon

Archiv:
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