2023 WTA Finals – Final Day

Gemeinsam mit Vera Zvonareva siegte Laura Siegemund (re.) bei den WTA Finals 2023 in Cancún. Nun spielt sie an der Seite von Babora Krejcikova.Bild: Getty Images

Laura Siegemund: „Für solche Momente lebt man als Profisportler“

Am Montag siegte Laura Siegemund als erste Deutsche bei den WTA Finals im Doppel. Im Interview mit tennis MAGAZIN spricht die 35-Jährige über den Sieg und die katastrophalen Bedingungen in Cancún.

Herzlichen Glückwunsch zu deinem Sieg bei den WTA Finals in Cancún. Jetzt bist du in Sevilla angekommen. Wie ist deine Stimmung?
Ich fühle mich es erstaunlich gut für den langen Trip. Wir haben gerade lange trainiert und es ist alles paletti. Ich habe mich auch mega auf die Woche mit den Mädels gefreut. Das Team hat mich am Dienstagabend sehr schön begrüßt, aber es ist natürlich etwas schade, dass ich erst so spät dazugekommen bin.

Du warst die erste deutsche Siegerin in der Doppelkonkurrenz beim Saisonfinale. Wie fühlt es sich für dich an, ein kleines Stück deutsche Tennis-Geschichte geschrieben zu haben?
Ich bin mega stolz auf mich, auf uns und auf mein ganzes Team, mit meinem Freund und meinem Doppeltrainer, der in Cancún dabei war. Auf alle, die vor Ort waren, aber auch alle Leute, die im Hintergrund das ganze Jahr über mit uns arbeiten. So etwas ist nicht über Nacht geboren, das erarbeitet man sich über die ganze Saison. Vera und ich haben erst in Miami angefangen, wieder miteinander zu spielen. Sich überhaupt für die Finals zu qualifizieren, war immer ein großes Ziel für mich. Dass wir da gewinnen, war dann die Kirsche auf einem sowieso schon riesigen Kuchen. Nicht, dass ich nicht daran geglaubt hätte, dass wir es schaffen. Aber ich habe es einfach nicht erwartet.

Laura Siegemund: „So ist es im Tennis, leider“

Also wurden deine Erwartungen übertroffen…
Für solche Momente und solche Matches lebt man als Profi-Sportler. Ich habe das im Flieger nochmal Revue passieren lassen. Das sind Höhepunkte, von denen es nur wenig Vergleichbare im Leben gibt.

Es ist schön, wenn man das mit der Doppelpartnerin und dem Team teilen kann. Ein bisschen schade ist es allerdings, dass im Tennissport für dieses Genießen fast keine Zeit ist. Selbst nach so einem besonderen Sieg, saß ich noch am selben Abend im Flieger. Ich hatte nicht mal die Zeit, mich mit meinem Team mal ein Stündchen hinzusetzen und darüber zu sprechen oder das einfach nur zu genießen. Da war die Siegerehrung, Zeit mit den Fans – was alles toll ist – aber dann Koffer packen, zack, zum Flughafen und dann sind alle schon wieder ihrer Wege gegangen. Aber so ist es leider im Tennis. In dem Fall muss man aber auch sagen: schlechte Terminplanung von der WTA und der ITF.

Was macht Vera und dich zu einem so guten Team?
Wir sind uns von der Art und Weise, wie wir ticken, was Tennis für uns ist, wie wir unsere Matches angehen und in unseren Denkweisen, sehr ähnlich. Das hilft uns. Vom ersten Moment an, in dem wir miteinander gespielt haben, hat es einfach geklickt. Wir haben die US Open 2020 gewonnen und dort das erste Mal miteinander gespielt. Was uns besonders stark macht: Wir haben eine gute, konstruktive Kommunikation miteinander, geraten nie aneinander und sprechen sehr viel über die Taktik. Wir ziehen immer an einem Strang, auch dann, wenn es wirklich mal schlecht läuft. Wir bleiben immer auf der konstruktiven Ebene und der eine hilft dem anderen. Das hat uns schon in vielen Matches gerettet. Deswegen kommen wir auch in so vielen Matches noch mal zurück oder finden dann am Ende doch noch eine Lösung und gewinnen.

Laura Siegemund: „Es war absolut kein gutes Event“

Wie geht es für euch im kommenden Jahr weiter?
Darüber haben wir noch nicht gesprochen. Vera überlegt immer, wie lange sie noch spielen will. Sie plant nicht großartig weit in die Zukunft. Für die Gespräche werden wir uns in der Off-Season Zeit nehmen.

Bei den WTA Finals 2023 hat es extrem viel Kritik gehagelt. Wie hast du das Ganze wahrgenommen?
Abgesehen davon, dass wir den Titel geholt haben und das für uns ein wahnsinniger Erfolg ist, war es absolut kein gutes Event. Uns Spielerinnen gegenüber war das von allen Belangen, von der Organisation, von Trainingsmöglichkeiten, von der Qualität des Centre Courts, von den Ansetzungen, einfach respektlos. Das war keinem Saisonfinale gebührend. Letztendlich haben die Spielerinnen das ausgebadet. Unglaublich war lediglich der Support der Fans. Das war der Wahnsinn. Die Leute wollten Tennis sehen, die sind geblieben, auch bei der achten Regenunterbrechung. Auch die Helfer vor Ort, die alle anpacken mussten, beispielweise den Platz zu trocknen: Das war bemerkenswert. Aber die ganze Misere basiert auf einer schlechten Planung und einer schlechten Organisation. Dass man überhaupt in diese Situation gekommen ist, das muss sich die WTA auf die Fahne schreiben.

Laura Siegemund: „Das war enttäuschend“

Wie geht man damit als Spielerin um?
Am Ende müssen wir spielen und das Beste daraus machen. Aber die Finals sind für mich ein Turnier, in dem die besten zusammenkommen. Hier sollen die Siegerinnen der Besten gekürt werden und ihr bestes Tennis zeigen können. Das war unter den Bedingungen in Cancun nicht möglich. Wir spielen das ganze Jahr und die Turniere haben wahnsinnig Druck, die Kriterien der WTA zu erfüllen und gute Events auf die Beine zu stellen. Und dann kommt die WTA mit ihrem Jahresevent und bringt so eine Organisationsleistung. Das war für uns Spielerinnen enttäuschend.

Was genau ist schiefgelaufen?
Das erste Beispiel ist der Centre Court. Es war erst einen Tag vor Matchbeginn möglich, 45 Von der späten Fertigstellung des Centre Courts, über Spielansetzungen bis hin zur Organisation der Trainingsmöglichkeiten, war alles sehr unorganisiert, um nur einige Beispiele zu nennen.

Laura Siegemund: „Das mache ich nicht!“

Es gab auch Uneinigkeiten bei der Ansetzung eures Finales.
Die WTA wollte tatsächlich das Doppelfinale noch am Sonntagabend gegen 21 Uhr spielen. Das wäre dann unser drittes Match an diesem Tag gewesen. Da habe ich dann gesagt, das mache ich nicht. Ich habe mir das ganze Jahr erarbeitet, überhaupt bei den Finals dabei sein zu können, dann spielen wir uns bis in das Finale. Die ganze Woche hat von Seiten der WTA niemand vom Billie Jean King Cup gesprochen, obwohl die Spielerinnen mehrfach darauf hingewiesen haben und jeder wusste, dass es letztendlich zu einer terminlichen Kollision kommen würde. Und dann plötzlich am Sonntagabend um 19 Uhr sprechen die Verantwortlichen der WTA vom Billie Jean King Cup und drängen auf den Abschluss des Finales.

Natürlich ist die Location dort toll. Es ist direkt am Meer, wir hatten ein super Hotel. Aber ich gehe nicht zum Urlaub machen zu den Finals, sondern um mein bestes Tennis zu zeigen. Wenn dort gerade Hurricane-Season ist, muss man sich auch nicht wundern, wenn die Wetterbedingungen schrecklich sind.

Laura Siegemund: „Das war ich dem Team schuldig“

Ellen Perez, die australische Doppelspielerin, gegen die ihr im Finale gewonnen habt, hat auf Social Media nach einer Mitfluggelegenheit nach Sevilla gefragt. Wie bist du nach Sevilla gekommen?
Ich habe an demselben Abend noch einen ganz normalen Economy-Flug genommen. Ich hatte wirklich Glück, weil es eine gute Verbindung war, Cancún bis Madrid und von Madrid dann nach Sevilla. Da kann ich mich nicht beschweren. Wir haben alle Termine erledigt, Foto-Shootings usw. und dann bin ich direkt zum Flughafen und abgereist. Aber das war ich dem Team hier in Sevilla auch schuldig. Wenn ich schon zu spät komme, dann will ich zumindest so schnell wie es geht nachkommen.

Fühlst du dich denn fit? Hast du einen Jetlag?
Ich fühle mich wirklich ganz gut. Klar, ideal ist es natürlich nicht, aber ich mache jetzt das Beste daraus. Ich habe die erste Nacht super geschlafen und konnte ein bisschen Schlafmangel aufholen.

Laura Siegemund: „Wir sind eine eingeschworene Truppe“

Euer Teamkapitän lobt euch ständig für euren Teamgeist. Was macht euer Team aus?
Wir verstehen uns alle untereinander wirklich sehr gut. Gerade bei den letzten Partien, angefangen mit Rijeka und dann in Stuttgart, hatten wir mit dieser Truppe gemeinsame Erlebnisse, die uns zusammengeschweißt haben. Wir haben uns alle noch besser kennengelernt. Das macht oft die Qualität von einer Mannschaft aus, wie sich die Mädels untereinander verstehen. Unsere Stärke ist, dass wir eine eingeschworene Truppe sind und uns gegenseitig, ohne Neid oder Hierarchien, unterstützen. Wir verstehen uns auch Off-Court super. Das bringt Entspannung in eine Team-Atmosphäre.

Laura Siegemund über ihre Off-Season

Wie geht es für dich nach den Billie Jean King Cup Finals weiter?
Ich habe erst mal Urlaub, mache also sieben bis zehn Tage Pause bei meiner Familie in Deutschland und auf Sardinien. Im Anschluss werde ich eine Trainingsvorbereitung für die neue Saison machen.

Wenn du Pause machst, heißt es, dass du keinen Tennisschläger in die Hand nimmst?
Genau, wirklich kein Tennis. Das heißt nicht, dass ich keinen Sport mache, weil ich mich gerne aktiv bin. Ich spiele mal Badminton oder Tischtennis mit meinem Bruder. Vielleicht gehe ich auch eine Runde laufen. Aber einfach die Sachen, auf die ich in dem Moment Lust habe, ohne Trainingsplan.