Transylvania Open 2023: Final

In Cluj-Napoca gewann Tamara Korpatsch ihren ersten WTA-Titel.Bild: Getty Images

Tamara Korpatsch: „Werde vom DTB öffentlich schlecht dargestellt“

Tamara Korpatsch gewann Ende Oktober ihren ersten großen WTA-Titel und ist aktuell die deutsche Nummer zwei in der Damen-Weltrangliste. Dennoch fehlt sie im deutschen Billie Jean King Cup-Team, das aktuell in Sevilla spielt. Im Interview erklärt sie unter anderem, warum sie bislang noch nie für die deutsche Mannschaft aufgelaufen ist.

Tamara Korpatsch: „Jetzt habe ich endlich meinen ersten WTA-Titel“

Frau Korpatsch, Sie haben in Cluj-Napoca Ihr erstes WTA-Turnier gewonnen. Was bedeutet Ihnen dieser Erfolg?
Sehr viel natürlich. Ich war schon ein paar Mal im Halbfinale und habe es nie weiter geschafft. Deswegen war der Sieg im Halbfinalmatch sehr wichtig für mich, um diesen Fluch zu besiegen. Jetzt habe ich endlich meinen ersten WTA-Titel!

Sie haben das Turnier erstaunlicherweise mit einer Fußverletzung gewonnen. Wie ist das passiert und wie lautet die genaue Diagnose?
Im dritten Satz des ersten Matches habe ich es gespürt. Die Physios dachten, dass es eine Blase unter der Hornhaut sei, aber der Schmerz fühlte sich schlimmer als eine normale Blase an. Ich habe mit Tape und Schmerzmitteln weitergespielt. In Deutschland beim MRT hat sich dann herausgestellt, dass das äußere Sesambein im Fuß gebrochen ist – ein kleiner Knochen, der nur etwa einen Zentimeter lang ist. Es könnte sogar ein älterer Bruch sein. Die Schmerzen wurden durch ein Knochenödem, eine Zyste und eine Entzündung verursacht.

Tamara Korpatsch: „Ich bin etwas schüchtern“

Ihr Vater trainiert Sie, seitdem sie fünf Jahre alt sind, Ihre Mutter und Ihr Bruder sind auch immer dabei. Wie groß ist der Einfluss Ihrer Familie auf Ihren Erfolg?
Er ist riesig. Ohne meine Familie hätte ich es nicht so weit geschafft. Mein Vater hat mir alles beigebracht, meine Mutter ist vor allem für die mentalen Aspekte wichtig. Mein Bruder motiviert mich im Training, auch vor dem Turnier in Cluj-Napoca hat er mir gut zugesprochen.

Wie würden Sie sich selbst als Person beschreiben?
Ich bin eine freundliche Person. Ab und zu bin ich noch ein bisschen schüchtern, wenn ich zum Beispiel Reden halten muss vor mehreren Leuten. Das hat man ja ganz gut bei meiner Siegeransprache nach meinem Sieg in Cluj-Napoca gemerkt (lacht). Langsam gewöhne ich mich aber daran. Ich denke, dass ich höflich und nett bin. Aber wenn mir jemand blöd kommt, dann kann ich auch unfreundlich werden.

Tamara Korpatsch: „Ich habe das Reisen dieses Jahr genossen“

Sie sind Hamburgerin und spielen seit 2017 in der Bundesliga für den Club an der Alster. Haben Sie einen Ort in Hamburg, der Ihnen besonders gefällt?
Ich gehe gerne nach Wittenbergen am Ufer der Elbe. Wir waren dort früher immer mit der ganzen Familie, deswegen habe ich schöne Erinnerungen an den Ort. Bevor wir zu einem Turnier fahren, gehen wir manchmal noch dahin um frische Luft zu schnappen oder einfach nur zum Entspannen.

Sie haben in den letzten zwölf Monaten 34 Turniere gespielt. Es gibt Spielerinnen, die bemängeln die vielen Reisen. Konnten Sie das Jahr auf der WTA-Tour genießen?
Auf jeden Fall! 2019 war ich länger krank. Danach hatte ich weitere Erkrankungen und Verletzungen, deswegen musste ich immer wieder pausieren. In diesem Jahr habe ich es ausgenutzt, dass ich durchspielen konnte. Ich habe so viel gespielt, wie ich konnte. Ich habe das Reisen genossen, auch wenn es nach einer gewissen Zeit anstrengend wurde, so viel zu fliegen. Die Zeitumstellung und die vielen verschiedenen Orte muss man auch mal sacken lassen. Wir hatten nicht sehr viel Zeit bei den Turnieren, aber zum Beispiel in der USA waren wir häufig in den Städten unterwegs und sind fast jeden Tag abends Essen gegangen. Das hat sehr viel Spaß gemacht. In China waren wir auch manchmal essen oder haben die Städte erkundet.

Tamara Korpatsch: „Wir mussten auch mal im Auto schlafen“

Sie erhielten keine Unterstützung von Seiten des DTB. Wie sah die finanzielle Situation für Sie und Ihre Familie aus?
Es war lange problematisch. Ich konnte früher kaum Turniere spielen und wenn doch, dann nur in Deutschland. Wir mussten auch mal im Auto schlafen, weil die Hotels zu teuer waren. Ich hatte auch einen gewissen Leistungsdruck, weil wir nicht viel Geld hatten. Damals hätte ich mir mehr Wildcards gewünscht. Ich musste mich immer durch die Qualis kämpfen. Die Wildcards haben stets die gleichen Spielerinnen erhalten. Ich hätte mir insgesamt mehr Starthilfe vom DTB gewünscht, um im Profitennis schneller anzukommen.

Tamara Korpatsch: „Billie Jean King hat mich aufgebaut“

Bei Instagram haben Sie ein Bild mit Billie Jean King hochgeladen, das Sie bei den US Open mit ihr gemacht haben. Wie war das Treffen mit ihr?
Das Treffen werde ich nie vergessen. Es war eine große Ehre für mich. Wir sind uns in den Katakomben des Arthur Ashe Stadions eher zufällig in einem der Interviewräume begegnet. Ich habe mich zuerst gar nicht getraut, sie anzusprechen, weil ich dachte, dass sie vielleicht gar nicht mit mir reden will. Sie kam dann aber zu mir, hat mir die Hand gegeben und mich gefragt, wie es mir geht.

Billie Jean King war ganz locker drauf. Sie hat mich gefragt, wie ich gespielt habe und hat mich aufgebaut, weil Liudmilla Samsonova, gegen die ich gerade verloren hatte, eine gute Spielerin sei, gegen die man verlieren kann. Ich soll weiter dranbleiben. Danach hat sie mich gefragt, für welches Land ich spiele, weil sie mich noch nie beim Billie Jean King Cup gesehen hat. Ich habe ihr geantwortet, dass ich noch nie mitgespielt habe, obwohl ich jetzt Deutschlands Nummer zwei bin. Wir haben uns noch nett unterhalten. Ich habe mir dann gedacht, wenn eine so große Spielerin so was zu mir sagt, dann hat das was zu bedeuten.

Tamara Korpatsch: „Das ist eine billige Ausrede vom DTB“

Sie sind aktuell Deutschlands zweitbeste Spielerin und stehen auf Platz 73 im WTA-Ranking. Nur Tatjana Maria ist höher platziert als Sie. Dennoch wurden Sie erneut nicht für den Billie Jean King Cup nominiert. Deutschland wird bei den gerade laufenden Finals in Sevilla ohne Sie antreten. Sind Sie traurig über diese Entscheidung?
Ich bin deswegen sehr enttäuscht. Früher war ich traurig über die Nichtnominierungen, weil Spielerinnen, die im Ranking schlechter standen als ich, eingesetzt wurden. Jetzt bin ich verärgert, weil Cheftrainerin Barbara Rittner einfach behauptet, dass ich 2022 eine Nachnominierung abgelehnt hätte. Ich komme da ganz schön schlecht rüber. Das stimmt so nicht. Ich wurde nicht vorab nominiert, wurde ja eigentlich noch nie nominiert. Damals, vor dem Auswärtsspiel in Kroatien, sagte Tatjana Maria kurzfristig verletzungsbedingt ab und Teamchef Rainer Schüttler wollte mich nachnominieren. Wir haben dann telefoniert und er hat mich gefragt, ob ich dabei sein möchte. Ich sagte ihm, dass ich seit Jahren darauf warten würde und es mein großer Traum sei für Deutschland zu spielen. Auch schon früher im Fed Cup, der ja jetzt Billie Jean King Cup heißt. Aber: Seit 2019 habe ich Probleme mit meiner Lunge, damals lag die Lungenfunktion bei nur 50 Prozent. Zum Zeitpunkt des Telefonats mit Rainer Schüttler lag sie bei unter 80 Prozent. Ich musste schweren Herzens absagen. Hätte mich der DTB vorab nominiert, dann hätte ich meinen Spielplan angepasst und pausiert. Ich hatte aber kurz zuvor ein Challenger-Turnier gewonnen und brauchte dringend eine Pause. Schon beim letzten Turnier davor war ich total platt.

Tamara Korpatsch: „Es wird der Eindruck erweckt, dass ich das Team im Stich gelassen hätte“

Nun wird der Eindruck erweckt, dass ich das Team im Stich gelassen hätte. Bis heute wird mir das vorgehalten und als Grund für eine erneute Nichtnominierung genommen. Das ist eine billige Ausrede vom DTB. Rainer Schüttler sagte mir noch, dass ich nicht für die Finals nominiert werde, weil das Team in der Zusammenstellung auch schon in Kroatien 2022 und in Stuttgart 2023 zusammengespielt hat und die Spielerinnen sich die Nominierung erarbeitet haben.

Können Sie dieses Argument nachvollziehen?
Überhaupt nicht. Ich bringe meine Leistungen, werde aber vom DTB öffentlich schlecht dargestellt. Und außerdem: Warum wurde ich vor 2022 nicht einmal berücksichtigt? Dazu äußert sich niemand vom DTB. Vor fünf, sechs Jahren habe ich mit Barbara Rittner telefoniert und ihr erklärt, wie gerne ich für Deutschland spielen möchte. Daraufhin hat sie mich motiviert. Sie meinte, wenn der Fed Cup auf Sandplatz, meinem Lieblingsbelag, stattfindet, könnte ich nominiert werden. Das ist jetzt aber schon sechs Jahre her.