Wintertennis

Das neue Wintertennis: draußen spielen

Hallentennis ist – coronabedingt – vielerorts verboten, deswegen wird diesen Winter draußen weitergespielt. In Hamburg ist das sogar noch rund um Weihnachten möglich.

Der großartigste Moment war jener, als plötzlich ganz kleine Schneeflocken aus dem grauen Himmel schwebten und sich sanft auf der roten Asche niederließen. Gut, genau genommen war es kein Schnee, sondern irgendetwas zwischen Griesel und Graupel. Und nach ein paar Minuten waren die kleinen gefrorenen Wassertröpfchen auch wieder aus der Luft verschwunden. Aber es fühlte sich Anfang Dezember kurz wie echter Winter an, in dem wir, mein Partner Mattes und ich, einfach weiter draußen auf Asche unser Match fortsetzten.

Natürlich: Wir sind irre privilegiert. Dass wir in Hamburg überhaupt spielen dürfen. Dass wir auf unseren ganz normalen Sandplätzen beim SC Union spielen können. Dass wir am frühen Nachmittag, wenn es noch hell ist, die Zeit dafür haben. Und dass wir in diesem „Corona-Winter“, der von Woche zu Woche verheerender wird, uns diese Auszeiten nehmen können. Um den Kopf freizukriegen, Frischluft zu inhalieren, Tageslicht zu spüren. Vor jeder Partie in den letzten zwei Monaten haben wir uns meist gegenseitig versichert, wie unglaublich das hier gerade ist. Wie dankbar wir sein müssen. Und wieviel Glück wir haben.

Wintertennis findet normalerweise in der Halle statt

Unter normalen Umständen hätten wir die letzten zwei Monate einmal pro Woche eine Stunde Donnerstagabends in der Halle gespielt. So läuft das ja in Tennis-Deutschland: Spätestens Mitte Oktober schließen die Freiplätze und es geht unters schützende Hallendach. Aber was ist 2020 schon normal? In unserem Club beschloss der Vorstand, die Außenplätze solange offen zu halten, wie es nur irgendwie geht. Seitdem sind Mattes und ich zweimal pro Woche draußen. Anfang Dezember, als uns dieser Graupel-Griesel-Mix in prickelndes Winter-Feeling tauchte, hatte ich irgendwann das Gefühl, noch nie so gut auf Sand gespielt zu haben. So weit kann einen die Euphorie-Welle in diesem kuriosen Tenniswinter also tragen.

Draußen spielen im Winter: Das geht bei unseren frostempfindlichen Plätzen natürlich nur so lange, wie es das Wetter zulässt. Der November meinte es gut mit uns. Der Deutsche Wetterdienst meldete in seiner Monatszusammenfassung: „Hamburg war im November mit einer Mitteltemperatur von 7,8 °C (langjähriges Mittel: 5,2 °C) das wärmste Bundesland. Es fielen nur knapp 20 Liter Regen pro Quadratmeter (langjähriges Mittel 67 l/m²).“ Und auch jetzt, im Dezember kurz vor Weihnachten, ist es äußerst mild mit Tageshöchstwerten von bis zu 11 °C. Das Wichtigste aber ist: Wir hatten hier noch keinen nennenswerten Bodenfrost in der Nacht. Dadurch blieben die Courts bespielbar.

Normale Sandplätze vertragen keinen Frost. Durch den Wechsel von Frost- und Auftauprozessen werden die Courts zu weich und die Linien kommen hoch. Bleibt der Frost aber aus, gibt es eigentlich keinen Grund, nicht weiter draußen zu spielen. Im Winter joggt man doch auch im Freien, meine Söhne spielen das ganze Jahr über draußen Fußball. Warum also sollte man nicht an der frischen Luft Tennis spielen statt in einer stickigen Halle, solange die Außenplätze geöffnet bleiben können und das Wetter es zulässt?

Tennisspieler sind verwöhnt im Winter

Weil Tennisspieler verwöhnt sind. Und da schließe ich mich und Mattes natürlich mit ein. Anfang Oktober hätten wir es selbst nicht für möglich gehalten, noch in der Weihnachtszeit draußen auf Sand rumzurutschen. Aber, nun ja: Corona ließ uns keine Wahl. Mittlerweile sind wir unendlich froh, diese Erfahrung machen zu dürfen. Und wir sind nicht allein. Einige Mitglieder in unserem Verein haben sich schon an der Vorstand mit der Bitte gewandt, in den künftigen – hoffentlich pandemiefreien – Herbst- und Wintermonaten, einige der sechs Courts möglichst lange offen zu halten: „Tatsächlich haben wir in den letzten Wochen festgestellt, dass es auch bei niedrigeren Temperaturen völlig ok ist, draußen Tennis zu spielen.“

So ist es. Allerdings gibt es ein paar Dinge zu beachten. Die Kleidung etwa. Mattes und ich machen uns vor jeder Einheit einen Spaß daraus, uns gegenseitig nach der Anzahl der angezogenen Schichten zu fragen – Stichwort: Zwiebelprinzip. Mattes hält den Rekord mit fünf Kleidungsschichten am Oberkörper, inklusive Nierengurt aus Merinowolle. Wichtig auch: So enge lange Unterhosen, neudeutsch: Tights. Die halten schön warm und schlabbern nicht rum. Ein Problem kann die Sonne sein, wenn sie sich denn mal blicken lässt. Sie steht im November/Dezember extrem tief und blendet dann viel schlimmer als im Sommer. Erfahrene Winter-Draußen-Spieler haben also mindestens eine Schirmmütze dabei, manche sogar eine Sonnenbrille.

Die Kälte beim Wintertennis ist kein großes Problem

Die Kälte ist bei richtiger Kleidung übrigens kein großes Problem: Sobald man die ersten Bälle spielt und der Körper auf Touren kommt, macht sich eine wohlige Wärme in einem breit. Damit das so bleibt, muss man aber ständig in Bewegung bleiben. Lange Pausen, ausgedehnte Seitenwechsel, sich eine halbe Minute auf einen Aufschlag vorzubereiten – all das sollte man sich schenken. Durch den erhöhten Bewegungsdrang wird eine Stunde winterliches Outdoor-Tennis zu einer hochintensiven Session.

Für mich als Brillenträger ist das Fluch und Segen zugleich. Zwar kann ich mich dabei komplett verausgaben, aber ständig beschlagen meine Gläser. Bisher hat nichts geholfen: der alte Spuck-Trick nicht; Einmal-Brillenputztücher, Antibeschlagsprays oder Anti-Fog-Tücher aber auch nicht. Aus der Not heraus spiele ich oft ohne Brille. Geht erstaunlich gut. Kompliziert ist es auch mit den Schuhen: Seit Anfang Mai, also seit gut siebeneinhalb Monaten, trage ich mein Paar Sandplatzschuhe, die sich jetzt so langsam auflösen. Soll ich mir noch neue kaufen? Lohnt sich das? Irgendwann wird der Frost ja kommen und die Plätze werden schließen. Also doch besser bis zur nächsten Sandplatzsaison 2021 warten?

Wenn man ehrlich ist, sind das Luxusprobleme, schon klar. Aber wie das so ist mit Nerds, die Nerdsachen machen: Man steigert sich da gerne in etwas rein und macht aus klitzekleinen Details eine riesengroße Sache. Doch am Ende des Tages zählt eigentlich nur: Wir können jetzt noch, mitten im kalendarischen Winter, draußen Tennis spielen – das ist ein Geschenk.

Braucht man künftig noch Tennishallen?

Und es ist ein guter Anlass, über zukünftige Tennis-Winter nachzudenken. Braucht man irgendwann überhaupt noch Tennishallen? Unser Klima wird sich weiter erwärmen, das ist klar. Ist es dann nicht sinnvoller, langfristig auf Allwetter-Sandplätze im Freien mit Flutlicht zu setzen, auf denen man das ganze Jahr über spielen kann? Der „Tennis-Force“-Belag der Firma Sportas etwa lässt sich kaum von einem gewöhnlichen Sandplatz unterscheiden, ist aber frostresistent, falls es in unserer wärmeren Zukunft doch mal kurze Frostperioden geben sollte. Der Clou: Er bindet kein Wasser.

Für Mattes und ich mich jedenfalls steht fest: Hallentennis brauchen wir nicht mehr unbedingt. Am ersten Weihnachtsfeiertag spielen wir wieder draußen. Es sollen 2°C werden, die Sonne könnte zum Vorschein kommen, Wind ist nicht angesagt – perfektes Wintertennis-Wetter also.jordan retro shoes mens release dates | air jordan 1 mid se black and white release date