Die Tür war zu!
Influencer Ole Sudmann schreibt über sein Leben in tennis MAGAZIN. In dieser Kolumne geht es um seine ersten Berührungspunkte mit Tennis.
Es war 2008, als ich zum ersten Mal mit Tennis starten wollte. Der Versuch endete entmutigend – und ein bisschen traumatisch. So traumatisch, dass ich erst 15 Jahre später den Mut fand, es noch einmal zu versuchen. Ich war zehn Jahre alt, ging in die fünfte Klasse und hatte bis dahin noch nie Tennis gespielt, abgesehen von einem Nachmittag als Kleinkind mit meiner Oma. Mein Leben war Fußball, mein Zuhause der Bolzplatz.
„Ich war sofort süchtig”
Doch dann kam dieser Projekttag in der Schule. Man konnte sich eine Sportart aussuchen. Ich wählte Tennis. Vielleicht, weil ich es mal im Fernsehen gesehen hatte. Es sah elegant aus, irgendwie besonders. Vier Stunden lang durften wir auf einer großen Bremer Anlage spielen. Und ich war sofort süchtig.
Ich erinnere mich an das Gefühl: Ich wollte nicht mehr aufhören. Als die Zeit vorbei war, gingen alle Kinder nach Hause. Nur mein Kumpel Ramon und ich blieben. Immer wieder riefen wir: „Letztes Spiel!“ Und noch eins. Und noch eins. Bis die Schatten länger wurden.
Beim Abendessen erzählte ich meinen Eltern, dass ich gerne in einen Tennisverein eintreten möchte. Mein Vater – einer von der Sorte, die mit 14 schon auf dem Bau gearbeitet haben – sagte nur: „Dann ruf’ da an.“ Er verlangte früh Selbstständigkeit von uns.
Es vergingen Wochen, bis ich mich irgendwann nach der Schule an den Küchentisch setzte, das dicke Telefonbuch aufschlug, einen Verein raussuchte – und telefonierte. Es war längst Herbst geworden. Ein Mann sagte mir, das Training finde donnerstags um 18 Uhr in der Halle statt. Ich freute mich riesig.
Dann kam der Tag: Es regnete. Ich schwang mich aufs Fahrrad, fuhr los und kam durchnässt an – aber voller Vorfreude. Ich stellte mein Fahrrad ab, lief zur Halle und wollte die Tür aufmachen, aber sie war verschlossen. Es gab einen Türcode. Den hatte mir der Mann mir am Telefon nicht verraten.
Klitschnass vor dem Eingang
Damals hatte man als Zehnjähriger noch kein Handy. Ich konnte niemanden erreichen. Ich wartete und hoffte, dass mich noch jemand reinlassen würde. 20 Minuten vergingen. Der Regen wurde stärker. Ich stellte mich unter einen Baum neben dem Eingang. Es kam niemand vorbei. Ich war klitschnass.
Nach insgesamt 30 Minuten fuhr ich wieder nach Hause – durch den mittlerweile strömenden Regen. Meinen Eltern erzählte ich nichts. Es war mir peinlich. Ich hatte das selbst organisiert und es war gescheitert. Erst Jahre später, als ich längst erwachsen war, habe ich ihnen davon erzählt. Lange habe ich nur das Traurige in dieser Erinnerung gesehen: Wie viel Mut es mich gekostet hatte – und wie niedergeschmettert ich danach war.
Aber heute sehe ich mehr darin. Diese Szene hat mich geprägt. Vielleicht hätte ich damals angefangen und wäre ein richtig guter Tennisspieler geworden. Allerdings hätte ich dann nicht meine Geschichte erzählen können. Die von dem Typen, der erst mit 26 mit Tennis anfing – und den Sport trotzdem so sehr liebt. Damals war die Tür zu. Aber vielleicht hat genau das später so viele andere geöffnet.
Kolumnist beim tennis MAGAZIN: Als Ole „The Ole“ Ole erobert Ole Sudmann das Internet.Bild: Tim Reichert