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Petzschner: „Irgendwie kam alles auf einmal“

Mit seinem Turniersieg in Wien hat Philipp Petzschner das deutsche Tennis aus seiner Lethargie geholt. Nun möchte der 24-Jährige, der dem Profisport vergleichsweise spät Priorität vor dem Privatleben einräumte, an diesen Erfolg anknüpfen und 2009 auch im Davis Cup eine feste Größe werden. Im Interview mit dem Sport-Informations-Dienst (sid) gibt er als nächstes Ziel den Sprung in Top 50 an und hält zumindest die Top 30 für möglich: „Schwer zu sagen, wohin die Reise noch geht.“

sid: „Hat sich Ihr Tagesablauf seit dem Turniersieg in Wien verändert?“

Philipp Petzschner: „Nein, großartig verändert hat sich eigentlich nichts, außer, dass ich ein paar Anrufe mehr bekomme als früher. Es gibt nach wie vor noch viel Arbeit, und mein Umfeld sorgt schon dafür, dass ich nach einem solchen Erfolg auf dem Boden bleibe und weitermache.“

sid: „Also haben Sie gar nicht ein bisschen gefeiert?“

Petzschner: „Ich habe noch vier, fünf Wochen vor mir, dann ist ein langes und für mich erfolgreiches Jahr zu Ende. Dann darf ich mich auch ein bisschen freuen, aber im Moment ist es mein Job, ganz normal weiterzuarbeiten.“

sid: „Haben Sie noch ganz spezielle Ziele für dieses Jahr?“

Petzschner: „Mein großes Ziel für 2008 waren die Top 100, das habe ich mit meinem Turniersieg in Wien erreicht. Jetzt geht es mir darum, ein gutes Jahr auch gut abzuschließen, dazu habe ich noch bei einigen Turnieren die Möglichkeit.“

sid: „Und was steht für 2009 auf der Agenda?“

Petzschner: „Auf jeden Fall eine Platzierung in den Top 50 und ein möglichst gutes Abschneiden im Davis Cup und beim ARAG World Team Cup. Ich möchte als Einzelspieler mehr wahrgenommen werden, nicht nur als Doppel-Spezialist.“

sid: „Hat Sie der Sieg in Wien eigentlich überrascht oder haben Sie gespürt, dass Sie bereit sind für einen großen Coup?“

Petzschner: „Einerseits kam es ein bisschen wie aus heiterem Himmel, andererseits weiß ich schon lange, was ich kann und wozu ich fähig bin. Spätestens, als ich Marat Safin in Bangkok geschlagen habe, wusste ich, es geht in die richtige Richtung. Allerdings kam dann irgendwie alles auf einmal: Erstes Halbfinale, erster Turniersieg, das war schon cool, zumal ich mich ja in Wien erst noch durch die Quali kämpfen musste.“

sid: „Hätten Sie im Oktober 2007 damit gerechnet, dass Sie ein Jahr später plötzlich der Mann der Stunde im deutschen Tennis sind?“

Petzschner: „Ich hatte ja schon 2007 kein ganz schlechtes Jahr, unter anderem habe ich mich in der Weltrangliste von Platz 450 auf 150 verbessert und mein Debüt im Davis Cup gegeben. 2008 war dann die logische Weiterentwicklung, ich habe mich über die Challenger-Ebene konstant weiter nach vorne gearbeitet. Es war ein echter sportlicher Reifeprozess, der aber längst nicht abgeschlossen ist. Es gibt noch sehr viel zu tun.“

sid: „Stichwort Reifeprozess: Sie haben kürzlich gesagt, dass der Sportler Petzschner zwar in den vergangenen Jahren oft ein bisschen zu kurz gekommen ist, Sie dafür aber mit dem Menschen Petzschner sehr zufrieden sind …“

Petzschner: „Ich habe einfach meine Familie in den Vordergrund gestellt, mich um meine Freundin und ihren kleinen Sohn gekümmert. Dabei habe ich mich als Mensch wirklich sehr weiterentwickelt und auch das Leben als Nicht-Sportler kennengelernt.“

sid: „Und das hat Ihnen nicht so gut gefallen?“

Petzschner: „Das will ich nicht sagen, ich will aber jetzt auch die Chance nutzen, die der Sport mir bietet. Natürlich werde ich weniger Zeit für die Familie haben, vor allem für den Kleinen, aber wenn ich in meinem Beruf erfolgreich bin, dann kann ich die beiden ja vielleicht irgendwann mitnehmen.“

sid: „Ist es in einem Sport, dessen Protagonisten immer jünger werden, mit 24 Jahren überhaupt noch möglich, so richtig weit zu kommen?“

Petzschner: „Warum denn nicht? Es gibt einige wenige Spieler, die von Null auf 100 durchstarten, aber die sind doch eher die Ausnahme. Die anderen arbeiten halt kontinuierlich weiter, und irgendwann zahlt sich diese Arbeit aus. Wien war erst mein siebtes ATP-Turnier in den letzten zwei, drei Jahren, da kann man doch mit der Ausbeute zufrieden sein.“

sid: „Sie haben seit Sommer einen neuen Trainer, sind von Klaus Langenbach zu Lars Uebel gewechselt. Warum?“

Petzschner: „Das hatte sportliche und auch private Gründe. Lars Uebel ist ein guter Freund von mir, der 2008 seine eigene Karriere beendet hat. Ich hatte bei Klaus Langenbach das Gefühl, dass ich stagniere und den letzten entscheidenden Schritt einfach nicht schaffe. Dieses Gefühl habe ich bei Lars nicht.“

sid: „Ist ein Sieg bei einem so bedeutenden Turnier wie dem in Wien eigentlich eher eine Belastung oder doch eine Befreiung?“

Petzschner: „Ich glaube, es ist ein bisschen von beidem. Eine Befreiung, weil ich endlich mal gezeigt habe, was ich kann, aber auch eine Belastung, weil beispielsweise bei einem Turnier wie dem Ende Oktober in Aachen, wo ich an Nummer eins gesetzt bin, natürlich viel mehr auf mich einstürmen wird als in den vergangenen Jahren.“

sid: „Was kann der Tennisprofi Philipp Petzschner in seiner Karriere denn noch alles erreichen?“

Petzschner: „Es ist wirklich schwer zu sagen, wohin die Reise geht. Als ich 18 war, haben alle gesagt, das ist der nächste deutsche Top-20-Spieler. Als ich 22 war, hieß es, der Petzschner schafft es nie in die Top 100. Mal sehen, wie es weitergeht, ich kann nur sagen, dass ich weiter hart arbeiten und sicher nie die Bodenhaftung verlieren werde.“

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