Warum wird in Wimbledon weiß getragen?
Wimbledon ist das einzige Tennisturnier mit einer strikten Kleiderordnung. Dies sorgte in der Vergangenheit immer wieder für Kontroversen.
Tennis ist allgemein bekannt als „der weiße Sport“. Zu Beginn wurde fast ausschließlich von Reichen und Adligen gespielt. Aber warum heißt es „der weiße Sport“? Die Reichen und Adligen trugen nur weiße Kleidung, da es damals als peinlich galt, sich in der Öffentlichkeit mit Schweißflecken zu zeigen und dass die Anstrengung einem merklich anzusehen war. Die weiße Spielkleidung diente dazu, um Schwitz und Schweißflecken zu kaschieren.
Die Regelung, dass beim Tennis nur weiße Spielkleidung erlaubt war, blieb jahrzehntelang bestehen. Erst mit Beginn des Profitennis und Einführung des Farbfernsehens lockerten sich die Regeln. Bei den US Open 1972 war erstmals farbige Kleidung erlaubt. Beim Turnier in Wimbledon wird weiterhin auf die Tradition der weißen Spielkleidung großer Wert gelegt. Es gilt: 90 Prozent der Kleidung muss weiß sein.
Wimbledon: Federer verliert nach Schuhverbot
Die Ausrüster müssen ihre Outfits für Wimbledon, die oft maßgeschneidert sind, offiziell genehmigen lassen. Regelverstöße werden zügig geahndet. Der Kleiderpolizei fiel auch Roger Federer zum Opfer. Im Jahr 2013 gewann Federer sein Auftaktmatch mit weißen Schuhen und orangefarbenen Sohlen. Das war den Verantwortlichen in Wimbledon zu bunt. Sie sprachen ein Verbot der Schuhe aus. Und so trat Federer mit normalen weißen Schuhen zu seinem Zweitrundenmatch gegen den Ukrainer Sergiy Stakhovsky an. Es folgte die Niederlage von Federer und eine der größten Sensationen der Turniergeschichte.
Andre Agassi ließ zu Beginn seiner Karriere das Wimbledon-Turnier aus, da er unbedingt mit der farbigen Kleidung seines Ausrüsters spielen wollte. Als Agassi dann im Jahr 1991 erstmals in Wimbledon antrat, war die Spannung riesig, ob er sich an den Kleiderdress halten würde. Er tat es und gewann ein Jahr später in Wimbledon seinen ersten Grand-Slam-Titel.
Wimbledon: Shorts und Minikleid waren verpönt
Die Kleidung spielte in Wimbledon immer eine große Rolle. Es gab einige Aufreger in der Turniergeschichte. Der Brite Henry „Bunny“ Austin sorgte im Jahr 1933 für einen kleinen Skandal auf dem heiligen Rasen. Der Vorjahresfinalist trat als erster Spieler in Wimbledon mit Shorts an. Lange Hosen waren sonst üblich, wenn man den Tennisplatz betrat. „Ich fühlte mich in den schweißgetränkten Flanellhosen einfach zu behäbig, also ließ ich mir vom Schneider den Prototyp der späteren Shorts anfertigen“, sagte Austin. Es dauerte aber bis zum Jahr 1947, ehe Jack Kramer der erste Spieler wurde, der den Titel in Wimbledon mit Shorts gewann.
Henry Austin (hier im Wimbledon-Halbfinale gegen Gottfried von Cramm) trat in Wimbledon als erster Spieler mit Shorts an.Bild: Imago
Ein viel größerer Kleiderskandal in Wimbledon passierte im Jahr 1949, als man der US-Amerikanerin Gussy Moran vorwarf, „Sünde und obszönes Verderben über den Tennissport zu bringen“. Moran trat mit einem Minikleid und spitzenbesetzter Unterwäsche an und sorgte damit für riesiges mediales Aufsehen. Während die Presse die US-Amerikanerin in „Gorgeous Gussy“ taufte, wurde der Fall sogar im britischen Parlament diskutiert.
Gussy Moran sorgte 1949 wegen ihres Minikleids für einen Skandal in Wimbledon.Bild: Imago
Die US-Amerikanerin Patricia Stewart ließ sich im Jahr 1961 in Wimbledon etwas Besonderes einfallen. Kurz zuvor soll sie von ihrem Freund verlassen worden sein. In den beiden Matches, die Stewart in Wimbledon spielte, war ihre eingestickte Telefonnummer auf ihrem Höschen zu sehen. Die Hoffnung, einen neuen Mann zu finden, war anscheinend erfolgreich. Denn einige Tage nach dem Wimbledon-Turnier heiratete sie den Cricketspieler John Edrich.
Wimbledon 1985: Anne White under Catsuit
Im Jahr 1985, als Boris Becker erstmals in Wimbledon siegte, wurde die US-Amerikanerin Anne White ungewollt zu einer Modeikone. White trat zu ihrem Erstrundenmatch in einem weißen, hautengen Körperanzug aus Lycra an. Der Catsuit wurde zum Blickfang für Fotografen sowie Zuschauer und löste eine Kontroverse im konservativen Wimbledon aus.
„Am Ende des ersten Aufschlagspiels wurde mir plötzlich klar, was für eine Aufregung ich ausgelöst hatte“, erzählte White einige Jahre nach dem Match. Für den Körperanzug hatte sie sich entschieden, um nicht an den Beinen zu frieren, weil das Match gegen ihre Landsfrau Pam Shriver am Abend stattfand und es recht kühl war. Die Partie wurde bei Satzgleichstand wegen Dunkelheit abgebrochen. Die Wimbledon-Offiziellen forderten White auf, das Match am nächsten Tag in angemessener Spielkleidung fortzusetzen.
#SerenaWilliams ist nicht allein!#AnneWhite #Wimbledon1985 #Catsuit #RG18 pic.twitter.com/BXad2taGy4
— Tim Boeseler (@TimBoeseler) June 4, 2018
Aus Angst vor möglichen Konsequenzen eines Spielverbots in Wimbledon in den folgenden Jahren gehorchte White und verlor das Match am nächsten Tag. „Ich habe nur etwas getan, woran ich glaubte: mich warm zu halten“, sagte White über den Vorfall. „Ich hatte keine Ahnung, eine derartige Kontroverse auszulösen.“ Dass den Leuten „die Erdbeeren mit Sahne aus dem Gesicht fielen“, war nie ihre Absicht gewesen, beteuerte White.
„Es ist sehr seltsam, wenn jemand unter meinen Rock schauen will”
Die Kleiderpolizei in Wimbledon achtet penibel darauf, dass die Regeln bezüglich der weißen Kleidung eingehalten werden. So kassierte die Kanadierin Eugenie Bouchard im Jahr 2015 als Vorjahresfinalistin eine Verwarnung, weil unter ihrem weißen Oberteil ein schwarzer BH zu erkennen war. In den Regeln des Wimbledon-Clubs stand: Jede bunte Unterwäsche, die während des Spiels sichtbar ist oder sichtbar werden kann (auch aufgrund von Schwitzen) ist nicht erlaubt.
„Es ist sehr seltsam, wenn mir jemand unter den Rock schauen will, um zu sehen, ob ich auch weiße Unterhosen trage“, sagte daraufhin die Tschechin Barbora Strycova. Seit dem Jahr 2023 dürfen Spielerinnen auch dunkle Unterwäsche unter ihrer weißen Kleidung tragen.
Wimbledon 2016: Spielerinnen stört Nike-Dress
Für eine der letzten Kleiderkontroversen in Wimbledon sorgte nicht der Club selbst, sondern der Ausrüster Nike. Mehrere Spielerinnen hatten sich im Jahr 2016 über den extra für Wimbledon kreierten Dress beschwert, der als zu kurz und zu freizügig angesehen wurde.
Im Qualifikationsturnier hatten Spielerinnen, die mit dem Nike-Dress spielten, beanstandet, dass der Rock bei bestimmten Bewegungen zu weit nach oben rutscht und dabei im Spielfluss stört. Die Britin Katie Boulter behalf sich deshalb mit einem Stoffgürtel, den sie sich um die Taille band, um das Verrutschen des Kleides zu verhindern. Nike sah sich schließlich dazu veranlasst, das Design des Outfits zu modifizieren. Es wird sicherlich nicht die letzte Episode zur weißen Kleidung in Wimbledon gewesen sein.