The Championships – Wimbledon 2012: Day Two

Philipp Kohlschreiber: Geglückte Revanche im deutschen Duell

Der kleinste Platz auf der Riesenanlage von Wimbledon, Court No. 19, wird nicht von TV-Kameras erfasst und hat genau 302 Sitze. Nicht einer von ihnen blieb unbesetzt, als das deutsche Duell zwischen Tommy Haas und Philipp Kohlschreiber begann. Und im Lauf eines teilweise dramatischen Schlagabtausches waren auch sämtliche Stehgelegenheiten rund um den Court besetzt. Selbst auf Zehenspitzen balancierten einige Fans, um irgendwie einen Blick auf das Match erhaschen zu können.

Kohlschreiber startete etwas zögerlich, Haas dagegen wirkte von Beginn an enorm präsent auf dem Platz. Als der erste Satz mit 6:3 an Haas ging, schien sich die Form der beiden aus den letzten Wochen zu bestätigen. Haas, Sieger von Rasenturnier in Halle, spielte beherzt auf; Kohlschreiber wirkte nachlässig. Durchgang zwei mündete im Tiebreak, Haas hatte Satzball, vergab ihn und verlor, zu dem Zeitpunkt etwas überraschend, wenig später den Satz. Wie das Match weitergegangen wäre, wenn Haas mit 2:0 Sätzen vorne gelegen hätte, ist nicht zu ergründen. Feststeht aber: Dieser vergebene Satzball ärgerte Haas gewaltig. Dennoch blieb er fokussiert, gewann Satz drei, der wieder mit einem Tiebreak endete. Kohlschreiber schlug direkt zurück, holte sich das Aufschlagsspiel von Haas zur 2:0-Führung im Vierten und wurde direkt im Anschluss selbst gebreakt. Trotzdem wirkte Kohlschreiber plötzlich dominanter. Haas wurde müde und musste sich immer mehr pushen und motivieren.

Große Komik auf dem Court

Was Haas in solchen Matchmomenten mit sich anstellt, ist teilweise große Komik auf dem Court, bei der man sich gleichzeitig fragt, ob sie nicht auch kontraproduktiv sein und ihn aus seinem Rhythmus bringen könnte. Wenn er zugeworfene Bälle zum Balljungen zurückköpft, um sich dann genau diesen Ball noch einmal zuwerfen zu lassen. Wenn er sich mit dem Schläger auf die Oberschenkel haut oder ironisch vor sich hinlächelt bei leichten Fehlern. Wenn er mit sich hadert, die Augen verdreht und an Hose, Hemd oder Mütze herumzupft. Bei 4:5 lag Haas 0:40 bei eigenem Service hinten, machte dann fünf Punkte in Folge zum 5:5. Aber Kohlschreiber blieb smart, streute viele kurze Bälle ein, ließ Haas laufen und gewann den vierten Satz schließlich im Tiebreak fünfter Durchgang.Dort gelang Kohli im dritten Spiel gleich ein Break. Mit einem Netzroller. Haas ließ jetzt schwer zu erreichende Bälle einfach laufen, suchte schnelle Punktgewinne. Es half nichts. Kohlschreiber breakte zum 4:1 noch einmal und schrie danach laut auf. Es war die Entscheidung. Am Ende gewann er nach 3:19 Stunden mit 3:6, 7:6, 6:7, 7:6, 6:2.

Es war ein Sieg, dem ihm im Vorfeld nicht viele zugetraut hatten. Bei einer Facebook-Umfrage von tennis MAGAZIN vor dem Match glaubten 88 User, dass Haas als Sieger vom Platz gehen würde. Nur acht Personen schenkten Kohlschreiber ihr Vertrauen. Auch Stefan Fehske, Kohlschreibers Manager, räumte nach dem Sieg ein: Ich war vor dem Match verdammt unsicher, ob Kohli es gewinnen kann. Eigentlich glaube ich sonst immer an ihn. Aber was Haas zuletzt gezeigt hat, gerade auf Rasen, war einfach großartig. Umso größer war jetzt seine Freude. Man merkte ihm an, dass er sich nach dem Sieg seines Schützlings arg zusammenreißen musste, um Kohlschreiber nicht vor Begeisterung um den Hals zu fallen. Auch Coach Markus Wislsperger war sichtlich erleichtert. Er grinste breit und sagte nur: Ich bin extrem zufrieden. Dann verabschiedete er sich, um erstmal runterzukommen.

Fantastisches Tennis und dicke Punkte

Kohlschreiber selbst bemühte sich in seiner anschließenden Pressekonferenz darum, den Sieg nicht zu hoch zu bewerten. Ich hatte am Ende wohl etwas mehr Kraft und bin froh, dass mir die Revanche für die Niederlage in Halle geglückt ist, sagte er eher nüchtern. Später allerdings klang doch ein wenig Euphorie bei ihm durch: Ich habe heute fantastisches Tennis gespielt. Haas sah das Match naturgemäß in einem anderen Kontext: Ich hatte viel mehr Chancen als Philipp. Aber man muss diese Big Points eben auch machen. Einer dieser dicken Punkte war der vergebene Satzball im zweiten Durchgang. Haas philosophierte über die Aufs und Abs innerhalb eines Tennismatches und räumte schließlich ein, dass ihn solche Niederlagen immer noch ziemlich ankotzen würden. Sein Fazit nach der Drittrundenpleite bei den French Open, dem Sieg in Halle und der jüngsten Niederlage in Wimbledon fiel aber positiv aus: Es lief insgesamt überraschend gut für mich.

Wie es für ihn nun weitergeht, wusste Haas noch nicht. Zurück in die USA fliegen, einige Tage mit seiner Verlobten und Tochter Valentina verbringen? Oder doch in Europa bleiben, um sich auf die deutschen Turniere in Stuttgart und Hamburg vorzubereiten? Haas zuckte mit den Schultern. Philipp Kohlschreiber weiß dagegen genau, was nun auf ihn zukommt. Er trifft in der zweiten Runde von Wimbledon auf den Tunesier Malek Jaziri, die Nummer 78 der Weltrangliste. Danach könnte in Runde drei Rafael Nadal folgen, gegen den Kohlschreiber vor knapp zwei Wochen in Halle gewann.

Tim Böseler, Wimbledon
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