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Wasser marsch!

Selten wirkte das deutsche Davis Cup-Team so locker und entspannt vor einem Halbfinale wie im September 1995. Bei der obligatorischen Pressekonferenz vor der Partie saßen Boris Becker, Michael Stich, Bernd Karbacher und Marc-Kevin Goellner in feinen dunklen Anzügen auf einem Podest, plauderten und scherzten mit den Journalisten. Selbst Kapitän Niki Pilic, in der Regel ein Tiefstapler und Mahner, zeigte ein selbstsicheres Lächeln vor der Partie gegen die Russen. Kein Wunder, konnte er doch auf der Durchgangsstation zum Finale mit Boris Becker und Michael Stich seine beiden Superstars aufbieten. Da sollte nichts schiefgehen. Alle Beteiligten waren fixiert auf das Giganten-Treffen gegen die Amerikaner in München Anfang Dezember. Und Becker lieferte dafür den Beweis, als er vollkommen ungezwungen herausposaunte: Ein Endspiel in Deutschland mit Becker und Stich gegen Sampras und Agassi das wäre ein Höhepunkt meiner Karriere.“
Bis an die Grenze des Erlaubten

Die Russen hatten etwas dagegen. Kafelnikov & Co. wollten nicht nur als Trainingspartner gelten, sondern sie träumten selbst vom Erreichen des Endspiels. Und deswegen nutzten sie ihren Heimvorteil bis an die Grenzen des Erlaubten aus. Dass es eine Schlacht auf tiefem Sand werden würde, das wussten die Deutschen. Schon bei den Trainingseinheiten schimpfte Boris Becker über den langsamen Centre Court. Die Bälle sprangen kaum vom Boden ab und der dreifache Wimbledonsieger beschwerte sich über die viel zu lahmen Bälle. Um sich ein wenig abzulenken, kickten die Deutschen lieber mit dem Fußball in der Sandkiste der maroden Olympiahalle. Bis zum Morgen des ersten Spieltages war die Stimmung dennoch optimistisch. Doch als das Team zum Abschlusstraining in der Halle erschien, kam der große Schock: Die russischen Platzwarte hatten den Sandplatz über Nacht total unter Wasser gesetzt angeblich auf Order von Andrei Chesnokovs Trainerin Tatjana Naumko. Das war natürlich absoluter Unsinn. Die Dame hatte im Davis Cup-Team nichts zu sagen, weil sie diesem überhaupt nicht angehörte. Die deutsche Delegation war jetzt gar nicht mehr entspannt, sondern alle, Spieler und Offizielle, liefen wild gestikulierend und ratlos umher.Teamchef Pilic war außer sich: Die haben den Platz unbespielbar gemacht, fluchte er. Auf Anordnung des Oberschiedsrichters mussten die Hilfskräfte den überschwemmten Platz mit Föns trocknen. Eine beispiellose Aktion, die sich für die Aufnahme ins Davis Cup-Kuriositäten-Kabinett eignet.Beckers Körper streikte nach zwei Matches

 Tennis wurde schließlich doch noch gespielt. Am ersten Tag lief trotz der Widrigkeiten alles nach Plan für die Deutschen. Boris Becker gewann zwar mit viel Mühe in vier Sätzen gegen Chesnokov, Michael Stich fuhr gegen Yevgeny Kafelnikov den zweiten Sieg ein. Den entscheidenden Punkt sollte das Doppel Becker/Stich holen klappte nicht. Die beiden, die zuvor noch nie ein wichtiges Match verloren hatten (Pilic), unterlagen in fünf Sätzen gegen Kafelnikov/Olhovskiy. Vor allem Boris Becker wirkte steif und schlapp.
Am Sonntagmorgen dann der nächste Tiefschlag für den deutschen Kapitän. Seine Nummer 1 quittierte den Dienst. Beckers Körper streikte nach zwei Matches. Dem ärztlichen Bulletin war folgende Begründung zu entnehmen: Boris Becker leidet unter Muskelproblemen im Rücken und in der Wade sowie unter Schmerzen im Knie. Sein Ersatzmann, Bernd Karbacher, war chancenlos gegen Kafelnikov. Jetzt musste Michael Stich für den entscheidenden dritten Punkt sorgen. Daran zweifelte nach seiner starken Vorstellung gegen Kafelnikov am ers-ten Tag niemand im deutschen Team.
Doch gegen den frischen Andrei Chesnokov (Teamchef Anatoli Lepeshin hatte ihn im Doppel geschont) verließen den Deutschen im nervenaufreibenden Fünf-Satz-Match zunehmend die Kräfte und somit auch die Konzentration. Wie ist es sonst zu erklären, dass Stich nicht einen von neun Matchbällen nutzen konnte? Am Ende siegte der ebenfalls völlig ausgepowerte Russe mit 14:12 und sorgte für das große Entsetzen im deutschen Team. Michael Stich verharrte nach der Niederlage minutenlang auf der Bank und versteckte seinen Kopf unter einem Handtuch. Der Traum vom Traumfinale war ausgeträumt.Mehr zum Thema:

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