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Mary Pierce: „Ich schaue mir lieber Männer an“

Frau Pierce, Sie sind seit 18 Jahren auf der Tour. Die meisten Ihrer früheren Weggefährtinnen haben sich längst verabschiedet. Warum sind Sie noch dabei?
Weil es mir Spaß macht. Ich denke nicht, dass es schon Zeit zum Aufhören ist. Also gehe ich auf den Platz, gebe mein Bestes und warte ab, was passiert. Solange ich körperlich fit bin und den Sport genieße, sehe ich keinen Grund, meine Karriere zu beenden.

Wollen Sie Martina Navratilova nacheifern, die bis kurz vor ihrem 50. Geburtstag weiterspielte?
Nein, mit Sicherheit nicht. Ich bewundere sie. Was sie geleistet hat, ist fantastisch, aber für mich wäre das unvorstellbar. Ich denke nicht, dass es irgendwann jemand schafft, so lange ein so hohes Niveau zu spielen wie Martina.

Wie empfinden Sie es, wenn ständig neue Gesichter in den Umkleidekabinen auftauchen?
Es ist ein merkwürdiges Gefühl. Die neuen Mädchen sind so jung, teilweise halb so alt wie ich. Ich kenne ihre Namen nicht, weiß nicht, wer vor mir steht. Die, gegen die ich jahrelang spielte, sind nicht mehr da.

Das klingt nach Wehmut.
Ja. Ich vermisse meine alten Kolleginnen. Ich habe mich so an sie gewöhnt. Plötzlich sind sie weg, und ich denke: Wow, ich bin ganz allein. Aber es gibt noch viele Kontakte. Neulich hat mich Conchita Martinez angerufen. Sie plant im November eine große Abschiedsparty in Spanien. Sie hat mich eingeladen mitzufeiern.

Sie begannen Ihre Karriere früh – mit 14. Sie müssen das Gefühl kennen, neu auf der Tour zu sein. Wie war das damals für Sie?
Ich erinnere mich, dass ich in Hilton Head spielte. Es war mein erstes großes Profiturnier. Ich dachte, diese Mädchen sind alle so groß und stark, viel größer als ich. Ich weiß noch, dass Martina Navratilova immer sehr freundlich zu mir war, vor allem, als ich gerade neu in den Circuit kam. Bewundert habe ich Chris Evert. Sie war meine Lieblingsspielerin. Ich mochte alles an ihr – ihr Auftreten, ihr Spiel. Sie war eine echte Lady.

Wie hat sich die Tour seitdem verändert?
Man kann es nicht mehr vergleichen. Alles im Leben verändert sich ständig, wächst, verbessert sich. Damentennis ist heute eher ein Business. Und es gibt so viele Mädchen, die großartiges Tennis spielen, bestimmt 20. Als ich auf die Tour kam, gab es drei, vier, höchstens fünf gute Spielerinnen. Heute ist alles ausgeglichener. Es gibt mehr Action, mehr Wettbewerb.

Ist das Damentennis maskuliner geworden?
Es ist athletischer geworden, schneller. Die meisten sind groß und trainieren hart. Vor zwanzig Jahren ging niemand ins Fitnessstudio, abgesehen von Martina Navratilova. Später waren Steffi Graf und Monica Seles Ausnahmen. Sie absolvierten Krafttraining, joggten, trainierten außerhalb des Platzes. Heute ist das die Normalität. Aber ich glaube, es ist auch wichtig, weiblich zu bleiben.

Ist es zu früh, mit 14 Jahren auf die Tour zu gehen?
Für mich war es früh. Aber es ist schwer zu sagen, welches Alter das richtige ist. Wenn die Begabung da ist und die Möglichkeit, sich mit den Besten zu messen – warum nicht?

Dachten Sie manchmal, dass Sie auf vieles verzichten mussten?
Natürlich. Meine Kindheit war kurz. Ich ging zur Schule, bis ich 13 Jahre alt war, danach lernte ich zu Hause und auf der Tour für meine Prüfungen. So gab es kaum noch Kontakt zu gleichaltrigen Kindern. In der amerikanischen Kultur ist es üblich, die Highschool zu besuchen und anschließend aufs College zu gehen. Am Ende hat man einen Abschluss. Das hätte ich gerne gemacht, wenn ich es mir hätte aussuchen können. Aber als Kind bestimmt man nicht, die Eltern treffen die Entscheidungen.

Bereuen Sie das nachträglich?
Nein, überhaupt nicht. Ich bin meinen Weg gegangen und bin froh, wie alles gelaufen ist. Ich hatte viel Glück im Leben.

Wie sehen Sie heute Ihre Rolle auf der Tour? Spüren Sie Verantwortung für das Damentennis?
In gewisser Weise ja. Ich bin Mitglied im WTA-Spielerrat. Es gibt dort ein Programm, das junge Top 100-Spielerinnen, die noch keine 18 sind, unterstützt. Wir geben ihnen Tipps für den Alltag auf der Tour. Ich selbst betreue Vania King (Amerikanerin, Nummer 80 der Welt, Red.).

Glauben Sie, dass mit Maria Sharapova eine neue Ära im Damentennis begonnen hat. Sie spielt erfolgreich und verdient Millionen mit Werbung?
Nein. Sharapova ist nicht die Erste, die sich gut verkauft. Denken Sie an Anna Kournikova. Natürlich war sie nicht so erfolgreich auf dem Platz, aber für die Damentour war sie genauso wichtig wie Sharapova heute. Den Reiz im Frauentennis macht nicht eine Spielerin aus, sondern die verschiedenen Charaktere. Alle Frauen sind anders, haben einen anderen Look, eine andere Persönlichkeit, ein anderes Spiel. Für den Erfolg der WTA sind alle entscheidend.

Wen schauen Sie sich auf dem Platz lieber an – Männer oder Frauen?
Männer. Sie schlagen so hart, sie bewegen sich so schnell. Es ist ein anderes Level und fantastisch anzuschauen. Frauen sehe ich mir natürlich auch an. Ich will schließlich wissen, welche Stärken und Schwächen meine Gegnerinnen haben.

Psychologen sagen, Frauen haben es schwerer auf dem Platz, weil sie komplexer denken. Was halten Sie von dieser Theorie? Ist das wahr?
Ich versuche, nicht viel nachzudenken, wenn ich auf dem Platz stehe. Ich schätze, Männer haben es leichter, weil sie von Natur aus wettkampforientierter sind.

Es gibt ein neues Buch, über das in Deutschland heftig diskutiert wird. Die Autorin argumentiert, dass sich für Frauen Karriere und Familie nicht vereinbaren lassen. Sie glaubt, es wäre besser für die Gesellschaft, wenn die Frau ihre ursprüngliche Rolle als Mutter und Ehefrau spielt. Können Sie das als Karrierefrau nachvollziehen?
Ich stimme ihr teilweise zu. Es gibt viele Probleme in der Gesellschaft. Vielen Kindern fehlt es an Orientierung. Ich denke, die Familie ist sehr wichtig: Zeit mit den Eltern zu verbringen, ihre Liebe zu erfahren, gemeinsam zu essen, Werte vermittelt bekommen. Andererseits wollen Frauen heute finanziell unabhängig sein. Es ist nicht mehr zeitgemäß, dass Männer arbeiten gehen und Frauen nicht. Das war bei meiner Großmutter so. Jeder, ob Mann oder Frau, hat Talente, Fähigkeiten und Aufgaben in seinem Leben. Es ist nicht einfach, allem gerecht zu werden.

Wie sieht Ihre Zukunft aus – Ehemann, Haus, Garten, Kinder?
Ich weiß es nicht. Ich liebe Kinder und kann mir vorstellen, später selber welche zu haben. Aber ich denke, dass es Abschnitte im Leben gibt. Im Moment sagt mir mein Herz, dass ich Tennis spielen muss.

Das Interview führte Andrej Antic.

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