Mutua Madrid Open – Day Three

MIT DEM BLICK FÜRS ­WESENTLICHE: Sven Groeneveld hat sich sowohl bei den Damen als auch bei den Herren den Ruf einer Trainer-legende erarbeitet.

Sven Groeneveld im Interview: „Mein Aufschlag war besser als der von Steffi Graf“

Kaum ein Trainer hat mit so vielen unterschiedlichen Profis gearbeitet wie Sven Groeneveld (55). Im Interview spricht der Niederländer über die Veränderungen in seinem Job und verrät, warum es gut ist, Profis imitieren zu können.

(Das Interview erschien in der Print-Ausgabe 4/2021)

Herr Groeneveld, Sie sind jetzt seit 30 Jahren als Coach auf der Tour unterwegs. Ich habe versucht, all Ihre Schützlinge zu zählen. Bei 25 habe ich aufgehört.
Es könnten noch ein paar mehr gewesen sein (lacht). Aber im Ernst: Es waren schon sehr viele, auch weil ich acht Jahre in einem Adidas-Trainerteam war, das sich um alle Vertragsprofis gekümmert hat. Durch das Adidas-Programm habe ich mit etlichen Spielerinnen und Spielern eher hinter den Kulissen gearbeitet: Wozniacki, Ivanovic, Murray, Tsonga, Verdasco, Srichaphan und so weiter. Die Einzelbetreuung ruhte in der Zeit.

Wie sind Sie Trainer geworden?
Eher zufällig. Ich hatte das nicht geplant. 1991 hatte man als unbekannter Spieler, wie ich es war, keine Aussichten auf einen Job als Profi-Coach. Damals musste man ein Ex-Profi mit Top 10-Erfahrung sein. Oder man brauchte einen „Big Name“ wie Nick Bollettieri, Harry Hopman oder Bob Brett. Das hatte ich alles nicht. Als Tennisspieler schaffte ich es so gerade in die ersten 900! Jedenfalls hatte ich in den USA meinen College-Abschluss in „Business-Management“ gemacht und wusste nicht richtig, wie es nun weitergehen sollte. Mir war nur klar, dass ich die Welt bereisen wollte. Dann fand meine Mutter eine Stellenanzeige für einen Tennistrainer-Job in Japan. Sie rief mich an: „Sven, das könnte doch etwas für dich sein, oder?“ Ich bewarb mich und landete dann in einer Tennisschule in Tokio, die sich um 25.000 Schüler kümmerte! Ich sollte dort ein großes Jugendprogramm koordinieren.

Das hatte aber nichts mit Profitennis zu tun.
Stimmt, das kam später. Der Leiter der Schule bekam eine Anfrage: Monica Seles, damals die Nummer eins im Damentennis, kam für vier Wochen nach Tokio und brauchte einen Sparringspartner. Mein Chef wählte mich aus und plötzlich stand ich mit der besten Spielerin der Welt auf dem Platz. So fing alles an.

Wie sind Sie zu ihrem Coach aufgestiegen?
Ich wurde Assistenz-Coach. Der Vater von Monica war der Boss, aber er hatte keinen echten Tennishintergrund. Mein Vorteil war, dass ich die Gegnerinnen von Monica – Sabatini, Navratilova, Graf, Novotna – imitieren und ihr die richtigen Taktik-Tipps mit auf den Weg geben konnte.

Sie konnten so spielen wie Steffi Graf?
Ja! Fiese Slice-Rückhand, harte Vorhand-Schüsse, laufen ohne Ende. Mein Aufschlag war etwas besser als ihrer, vielleicht (lacht).

Groeneveld: „Mehr weibliche Coaches würden dem Tennis gut tun.“

Sie bauten sich Ihren Ruf als Damencoach auf. Wie kam es dann, dass Sie später auch Herren trainierten?
Der erste Mann, den ich trainierte, war Michael Stich. Er wollte 1995 einen Trainingsblock bei Nick Bollettieri einschieben. Ich war damals in Florida. Nick fragte mich, ob ich mich um Michael kümmern könnte, weil er zu der Zeit mit Boris Becker arbeitete. Nick konnte nicht mit Beiden gleichzeitig trainieren. Also sprang ich ein – und es funktionierte gut.

Damen- und Herrentennis sind extrem unterschiedlich. Wie gehen Sie damit als Coach um?
Es kommt darauf an, dass man sich als Coach voll auf den Profi einlässt– egal, ob es eine Frau oder ein Mann ist. Aber: Die Beziehung, die Gespräche und auch der Sport sind natürlich anders. Nach meinen Erfahrungen kann ich sagen, dass das Profi-Coach-Verhältnis von Mann zu Mann oft einfacher ist als das von Mann zu Frau. Ich denke auch, dass viele Spielerinnen davon profitieren würden, wenn sie von einer Trainerin gecoacht werden würden. Mehr weibliche Coaches würden dem Tennis insgesamt gut tun.

Was ist für Sie die größte Veränderung im Profitennis?
Die Leistungsdichte ist wesentlich höher geworden – vor allem bei den Frauen. Früher hat man mit einer Top 10-Dame bei einem Grand Slam-Turnier nur geguckt, auf wen sie im Viertelfinale treffen wird. Die erste Woche war uninteressant. Das ist heute komplett anders.

Groeneveld: „Als Coach bist du entweder McDonalds oder ein Fünf-Sterne-Restaurant“

Wie hat sich die Stellung des Trainers entwickelt?
Als Coach bist du ein Dienstleister – das hat sich grundsätzlich nicht verändert. Entweder du bist McDonalds oder ein Fünf-Sterne-Restaurant. Meine Spieler sind meine Kunden. Ich habe versucht, meinen Service stets zu verbessern. Diese Kumpel-Schiene habe ich immer gemieden. In den letzten Jahren erfahren Coaches mehr Anerkennung. Das hängt auch mit dem On-Court-Coaching auf der WTA-Tour zusammen. Ihnen wird heute mehr Respekt entgegengebracht. Im Vergleich zu anderen Sportarten sind aber viele Coaches noch eher unprofessionell unterwegs, was insbesondere an den Strukturen im Tennis liegt. ATP, WTA und ITF kümmern sich um Turniere und Spieler – nicht um Coaches.

Sind die Spieler denn professioneller im Umgang mit den Coaches geworden?
Ja. Früher hatte ein Top-Spieler einen Coach, heute hat er ein Team von fünf, sechs Leuten um sich: Physiotherapeut, Athletiktrainer, Mentalberater, Ernährungscoach, Hittingpartner. Das heißt aber auch: Die Profis verdienen durch das gestiegene Preisgeld wesentlich mehr als früher, nur der reine Tennis-Coach profi­tiert davon nicht immer. Weil eben nun mehr Leute bezahlt werden müssen.

Kann man als Profi ohne Trainerstab noch in die Weltspitze aufsteigen?
Als Profi vergrößert man seine Chancen, wenn mehrere Experten zu den Betreuern gehören. Ohne ein Team ist es kaum möglich, nach oben zu kommen.

Wie schwer ist es für die Coaches, sich in diesen Teams zu behaupten?
Früher hatte man als Coach das alleinige Sagen, jetzt muss man sich oft mit vielen Kollegen abstimmen. Ich habe das bei Maria Sharapova erlebt, deren Betreuerteam riesig war. Da wurde aber von mir erwartet, die übergeordnete Verantwortung zu übernehmen. Gleichzeitig sollten sich auch alle anderen so gut es ging mit einbringen, inklusive Hittingpartner. Das ist der richtige Weg, weil der Profi so am meisten profitiert.

Sie haben mehr als vier Jahre Maria Sharapova trainiert, aktuell kümmern Sie sich um den eher unbekannten ­Japaner Taro Daniel. Gegensätzlicher geht es kaum, oder?
Maria ist ein Weltstar! Die konnte damals kaum aus der Tür gehen, ohne dass Leute auf sie zurannten. Mit Taro ist das nicht zu vergleichen. Nur: Für meine Aufgabe als Coach muss das egal sein. Ich will meinen Spieler besser machen – Punkt.

Was halten Sie von Alexander Zverev?
Er müsste eigentlich schon weiter sein als etwa Medvedev. Er ist noch in seiner Entwicklungsphase. Für den nächsten Schritt nach oben muss er neben seinem Vater einen Coach zulassen, dem er zu hundert Prozent vertraut. Dann wird er nicht mehr aufzuhalten sein.

Das ist Sven Groeneveld:
Der 55-Jährige ist seit 1991 als Trainer auf der Tour unterwegs. Unter ­anderem coachte er ­Monica Seles, Mary ­Pierce, Ana ­Ivanovic, Maria Sharapova, Michael Stich, T­ommy Haas und Nicolas Kiefer. Aktuell ­kümmert er sich um den Japaner Taro Daniel. Groeneveld war mit der deutschen Schauspielerin Alexandra Kamp verheiratet, lebte eine zeitlang in Deutschland und spricht ­fließend Deutsch. Über www.orangecoach.com vermittelt er Trainer an potenzielle ­Arbeitgeber aus der Sportszene.

Stationen seiner Trainer-Karriere in Bildern:

Groeneveld

TEAMPLAYER: Groeneveld kümmerte sich lange um Adidas-Vertragsprofis wie Andy Murray. 2011 begleitete er ihn bei den French Open eher hinter den Kulissen.

Groeneveld

HIGHLIGHT IN PARIS: Maria Sharapova gewann 2014 an der Seite von Groeneveld ihren fünften und letzten Grand Slam-Titel in Roland Garros Insgesamt holte das Duo sieben Turniersiege.

Groeneveld

WUNSCHKANDIDAT: Die aktuelle Arbeit mit dem Japaner Taro Daniel ging von Groeneveld aus. Er sieht viel ­Potenzial in dem 28-Jährigen. Parallel hat er noch Zeit für andere Projekte.

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