Mentale Probleme bei Alexander Zverev: „Ich fühle mich sehr einsam“
Nach seinem Erstrunden-Aus in Wimbledon gab Alexander Zverev tiefe Einblicke in sein Innenleben und sprach von mentalen Problemen.
Knapp zwei Stunden lang nach seinem Aus in der ersten Runde in Wimbledon gegen Arthur Rinderknech warteten die Journalisten auf die Bekanntgabe der Uhrzeit für die Pressekonferenz von Alexander Zverev. Normalerweise wird zeitnah nach Matchende eine Uhrzeit für die obligatorische PK festgelegt. Doch bei Zverev gab es keinerlei Update für die Journalisten.
Dann ging plötzlich alles ganz schnell. „Alexander Zverev is on his way to the media theatre immediately“ schallte es aus den Lautsprechern im Presseraum. Ohne Vorankündigung machte sich Zverev auf in den größten Interviewraum von Wimbledon.
Was Zverev dann in der zehnminütigen Pressekonferenz auf Englisch und Deutsch den circa 20 Medienvertretern zu sagen hatte, war eine Zurschaustellung seiner innersten Gefühle. Nachdem er seinen Gegner Rinderknech für dessen fantastisches Match gelobt hatte, ließ der Weltranglistendritte tief in sein Inneres blicken und sprach ganz offen über mentale Probleme.
Zverev: „Ich habe im Moment keine Antworten”
„Ich kämpfe geistig. Das sage ich schon seit den Australian Open. Ich versuche, Wege zu finden, wie ich aus diesem Loch herauskomme. Ich finde mich irgendwie immer wieder darin wieder. Es ist kein Gefühl auf dem Tennisplatz, es ist einfach ein Lebensgefühl im Allgemeinen. Im Moment ist es schwierig für mich, außerhalb des Tennisplatzes Freude zu finden. Ich fühle mich einfach generell sehr, sehr allein und sehr einsam, was kein schönes Gefühl ist. Ich habe mich noch nie so gefühlt. Ich habe im Moment keine Antworten. Irgendetwas in mir muss sich ändern, und das ist nicht unbedingt auf dem Tennisplatz, eine Vorhand oder Rückhand“, sagte Zverev im englischen Teil der Pressekonferenz.
Der Deutsche ergänzte: „Es ist das Gefühl, dass man ins Bett geht und für den nächsten Tag nicht wirklich motiviert ist, man hat keine Lust aufzustehen und zur Arbeit zu gehen. Ich glaube, dieses Gefühl kennt jeder, egal welchen Job man hat. Als Sportler wirkt sich das natürlich sehr auf die Leistung aus. Genau das habe ich gerade.“
Zverev: „Es geht darum, die Freude zurückzuholen.
Im deutschen Teil der Pressekonferenz ging Zverev weiter auf seinen Seelenzustand ein und sprach über die Situationen nach den beiden Satzgewinnen gegen Rinderknech, die er lautstark bejubelte.
„Es war mehr erzwungene Freude. Ich muss die Emotionen irgendwie meinem Gegner zeigen, aber innerlich will ich das gar nicht. Es geht darum, die Freude zurückzuholen, die ich verloren habe. Es ist statisch gekommen. Es hat nicht mit dem Tennisplatz zu tun. Es ist generell ein Lebensthema. Ich muss mich wieder selbst finden und verstehen, welche Menschen mir Freude bringen, was mir Spaß macht und mich motiviert. Das ist momentan die Hauptaufgabe für mich mit 28 Jahren“, schilderte er.
Ein besonderer Moment im Match gegen Rinderknech bleibt haften. Beim Stand von 5:5 im Tiebreak des vierten Satzes ging Zverev beim zweiten Aufschlag volles Risiko. Mit knapp 220 Kilometer pro Stunde hämmerte er einen Aufschlagwinner ins Feld.
Zverev spricht über Tochter Mayla
„Es ist keine Lustlosigkeit. Es ist die fehlende Motivation in wichtigen Momenten. Bei 5:5 im Tiebreak serviere ich den zweiten Aufschlag mit 220 Stundenkilometer. Ich denke mir: Es ist super, wenn ich ihn mache, wenn ich einen Doppelfehler schlage, ist es auch okay. Solche Gedanken hatte ich noch nie“, sagt er über sein Mindset in solchen Situationen.
Freude abseits des Platzes bereitet ihm seine Tochter Mayla aus der Beziehung mit Brenda Patea. „Meine Tochter macht mich generell glücklich. Das ist die Person, die mich am glücklichsten macht momentan. Aber sie ist vier Jahre alt. Normalerweise muss es andersherum sein. Ich muss ihr Energie geben und ich muss sie glücklich machen und nicht umgekehrt. Das kann es nicht sein“, erzählte Zverev über seine Tochter, die vor Wimbledon bei den Turnieren in Stuttgart und Halle dabei war.
Sucht sich Zverev professionelle Hilfe?
Der Hamburger erwägt, um aus seinem mentalen Loch herauszukommen, sich professionelle Hilfe zu holen in Form einer Gesprächstherapie. „Vielleicht werde ich es zum ersten Mal in meinem Leben brauchen“, sagte Zverev, der sich in der Vergangenheit stets sehr skeptisch über die Zusammenarbeit mit Sportpsychologen geäußert hat.
Auch eine Umstellung in seinem Trainerteam hält sich der 28-Jährige offen. „Möglicherweise hole ich jemanden dazu. Ich kann im Moment nichts dazu sagen. Aber ich denke, bis Kanada werde ich Antworten haben“, sagte er. Beim Masters-Turnier in Toronto (ab 27. Juli) wird Zverev sein nächstes Turnier spielen.