Sony Ericsson Open – Day 10

Andrea Petkovic: Auf dem Weg zum deutschen Tennisstar

Es ist noch gar nicht so lange her, knapp zwölf Monate vielleicht, da war der Name Andrea Petkovic Tennisfans zwar geläufig, aber die breite Masse der Sportinteressierten konnte nichts mit ihm anfangen. Wenn man als Journalist den Kontakt zu der damaligen Top 50-Spielerin suchte, wurde schnell eine Email verschickt und Petkovic antwortete in der Regel innerhalb von 24 Stunden. Sie schrieb lange, witzige und fein formulierte Antworten, die meistens mit Sätzen endeten wie: Wenn noch etwas gebraucht wird, einfach wieder melden, kein Problem. Mit ihr zu kommunizieren, war so unkompliziert wie der Schriftverkehr mit einem guten Kumpel.

Ein Jahr später im April 2011: Petkovic hat die Top 20 der Weltrangliste geknackt als erste deutsche Spielerin seit Anna-Lena Grönefeld 2007. Sie blickt auf erstklassige Ergebnisse in dieser Saison zurück: Finale Brisbane, Viertelfinale Australian Open, Halbfinale Miami, Siege über die Weltranglisten-Erste Caroline Wozniacki und Top-Ten-Spielerinnen wie Jelena Jankovic oder Maria Sharapova. Petkovic hat sich verändert, rein sportlich gesehen. Sie gehört jetzt zur erweiterten Weltspitze. Wer sie auf dem Platz beobachtet, sieht eine extrem durchtrainierte, hart arbeitende und um jeden Punkt kämpfende Athletin, die ihr Trainer, Petar Popovic, deswegen als den Rafael Nadal auf der Damentour bezeichnet.

Petkovic kommt überall gut an

Ihre sportlichen Erfolge taugen aber nur bedingt dazu, die plötzlich aufkeimende Popularität der Darmstädterin zu ergründen. Selbst die US-Medien widmeten ihr, der eigentlich unbekannten Deutschen, die großen Geschichten im Sportteil, als sie beim fünftgrößten Turnier der Welt in Miami unter die letzten vier vorstieß. Das ist bemerkenswert. Normalerweise löst jeder Sack Reis, der in Peking umfällt, unter Amerikanern mindestens doppelt so viel Aufsehen aus wie jeder lebende deutsche Sportler, fabulierte dazu jüngst die Stuttgarter Zeitung. Auch wenn Basketball-Star Dirk Nowitzki bei diesem Vergleich vergessen wurde: Petkovic kam in den USA verdammt gut an. Und nicht nur dort.
Bei der TV-Show Schlag den Raab wurde letztens gefragt, in welcher Sportart Andrea Petkovic eine Riesenhoffnung mit Starpotenzial sei als ob die Antwort schon zur guten Allgemeinbildung zählt. Vergangenes Wochenende trat Petko im Aktuellen Sportstudio auf. Die BILD entdeckte sie und erklärte ihren Lesern, wie unser schöner Tennisstar so tickt. Spiegel-Online brachte ein langes Porträt an prominenter Stelle auf der Startseite, in der Printausgabe vom Spiegel war bereits im Spätsommer 2010 ein langes Interview mit ihr erschienen. Der Stern plant nun eine große Homestory über sie. Und jetzt, in den Tagen vor der Fed Cup-Partie gegen die USA in Stuttgart, ist in allen Tageszeitungen etwas von Petko zu lesen. Presseagenturen rufen bereits den Petko-Hype aus oder berichten von schnell um sich greifender Petkomania.

Erleben wir die Geburtsstunde eines neuen Tennis-Stars? Möglicherweise. Das gewaltige Medienecho zeigt zumindest, wie sehr sich Deutschland danach sehnt.

Sie will nicht die Intellektuelle sein

Andrea Petkovic ist ein Geschenk. Nicht nur für das deutsche Tennis. Auch für die Medien. Sie hat diesen Starappeal, dieses gewisse Etwas, das sich Journalisten wünschen, um gute Geschichten erzählen zu können. Sie ist Einser-Abiturientin, übersprang eine Klasse, spricht vier Sprachen fließend (Deutsch, Englisch, Französisch, Serbisch), studiert nebenbei Politik, macht Musik und Videoblogs, hat den Petko-Dance erfunden, liest auch mal Goethe, twittert mit so viel Esprit, das sie schon über 13.000 so genannte Follower hat und wünscht sich nach langen Turnierreisen nichts mehr, als ihre alten Freude in Darmstadt wiederzusehen, die alle von Tennis keine Ahnung haben und zum Glück auch nicht darüber sprechen wollen. Das alles kommt im jedem Petkovic-Text vor und vieles ist ihr mittlerweile etwas peinlich. Das Einser-Abitur oder die Goethe-Bücher zum Beispiel. Sie will nicht als Intellektuelle der Tennisszene gelten. All das trägt aber dazu bei, dass über sie und über das deutsche Damentennis so viel geschrieben wird wie seit der Zeit von Steffi Graf nicht mehr.
Pressekonferenz in Stuttgart. Es werden die Fragen gestellt, die in so einer Situation immer gestellt werden. Wie gehen Sie, Frau Petkovic, mit diesem ganzen Rummel um? Ist das eine Belastung für Sie? Können Sie sich noch auf Ihr Tennis konzentrieren? Petkovic, eloquent und charmant wie immer, spricht von einem Balanceakt, von einer eindeutig neuen Situation. Am Ende versucht sie sich im Rücken ihrer Kolleginnen Görges, Lisicki und Grönefeld aus dem Raum zu schleichen. Nach dem Motto: Bitte keine Fragen mehr! Es ist ein Gag von ihr, sie lächelt dabei und stellt sich dann doch wieder den Reportern.

Auch ein Multitalent braucht Zeit

Mit Humor will Petkovic der wachsenden Aufmerksamkeit um ihre Person begegnen. Sie müht sich nun mehr als sonst, möglichst lustige Dinge zu sagen. Nicht jeder Spruch sitzt dann. Manchmal kommt das etwas zu gewollt rüber. Ihr daraus einen Vorwurf machen, wäre absurd. Man muss auch einem Multitalent wie ihr Zeit geben, um mit solchen Ausnahmesituationen klar zu kommen. Die Medienmaschine ist nun angelaufen. Die Frage ist, ob Andrea Petkovic von ihr überrollt wird und am Ende jene Eigenständigkeit einbüßt, die sie zu dem gemacht hat, was sie ist: eine Bereicherung für das Damentennis.

Schreibt man Andrea Petkovic in diesen turbulenten Tagen eine Email, antwortet nicht sie, sondern ein gewisser Lukas Lehmann, ihr neuer Mann für die Pressearbeit. Höflich schreibt er, dass es derzeit extrem viele Anfragen für Andrea geben würde. Man werde sie alle sammeln und später dann beantworten.

So langsam hat man es echt mit einem Star zu tun.

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