Sony Ericsson Open – Day 7

Ana Ivanovic: Meine Leidenszeit ist vorbei

Genau zwei Jahre später: Ivanovic ist bis auf Rang 63 abgerutscht ihre schlechteste Platzierung seit den Australian Open 2005. Bei 20 Turnieren im Jahr 2010 scheiterte sie zwölfmal in Runde eins oder zwei der Tiefpunkt. Inzwischen hat sie sich wieder bis auf Platz zwölf nach oben gekämpft und sagt über die harten letzten Jahre: Es war ein Teufelskreis. Ich hatte mit Verletzungen zu kämpfen, bin aber trotzdem angetreten und verlor gegen Spielerinnen, die ich zuvor locker geschlagen hatte. Mein Selbstvertrauen wurde immer geringer. Während sie spricht, schaut sie einem tief in die Augen. Zwischendurch macht sie kurze Pausen. Sie sagt diese Sätze nicht so daher, sondern möchte, dass man sie nachvollziehen kann. Es ging jahrelang nur bergauf. Ich wusste damals nicht, dass es auch eine andere Richtung geben kann, gesteht sie und ergänzt: Meine Erwartungen an mich selbst waren riesig. Sie nicht erfüllen zu können, hat mich frustriert. Dann lächelt sie und sagt: Heute würde ich vieles anders machen. Aber im Nachhinein war es eine wichtige Zeit für mich. Meine Leidenszeit ist endlich vorbei. Ich habe gelernt, mit negativen Erlebnissen umzugehen und festgestellt, was im Leben wirklich wichtig ist und wer für mich da ist, wenn es mir schlecht geht. Dazu gehören vor allem ihre Eltern, ihr  PR-Agent Gavin Versi und ihr Manager Dan Holzmann. Er war es, der Ivanovic vor rund zehn Jahren bei einem Probetraining auf Mallorca entdeckte, sie zu sich in die Schweiz einlud und unter Vertrag nahm. Holzmann fädelte schon früh Verträge mit Nike und Wilson ein, später legte er den Grundstein für die Riesengagen, die Ivanovic inzwischen von Multi-Milliarden-Unternehmen wie Adidas und Rolex sowie ihrem Schlägersponsor Yonex erhält. Der Vertrag mit Adidas hat sogar eine Laufzeit bis über ihr Karriereende hinaus. Der Deal soll mehrere Millionen Dollar pro Jahr einbringen abhängig von ihren Leistungen. Ana gehört immer noch zu den meisterkannten weiblichen Athletinnen überhaupt, erklärt Holzmann den Marktwert von Ivanovic. Allerdings: In der Liste des amerikanischen Wirtschaftsmagazins Forbes landete sie 2011 mit sechs Millionen Dollar Jahreseinkommen nur noch im Mittelfeld hinter Maria Sharapova, Caroline Wozniacki, den Williams-Schwestern, Kim Clijsters und Na Li.

Trotzdem ist Holzmann von seinem Schützling überzeugt und vor allem auf die persönliche Entwicklung von Ivanovic ist er stolz: Seit der Zeit, als ich sie kennengelernt habe, hat sie sich kaum verändert. Sie ist immer noch genauso positiv, freundlich und fast schon demütig, erzählt der Schweizer. Er nennt ein Beispiel: Viele Leute denken, Anas Fototermine wären Schuld gewesen an ihrer sportlichen Krise. Dabei hatte sie in ihrer erfolgreichen Zeit wesentlich mehr Shootings als danach. Sie sagt immer, sie verdiene die große Aufmerksamkeit nicht, so lange ihre Ergebnisse auf dem Platz nicht stimmen. Seit 2005 zierte Ivanovic bis heute weltweit 120 Cover verschiedener Magazine für Sport, Mode und Lifestyle 51 davon in ihrem erfolgreichsten Jahr 2008. Dreimal war Ivanovic auch bei tennis MAGAZIN die Titelheldin (Juli 2007, Mai 2008 und Mai 2010).
Noch heute freut sich Ivanovic wie ein kleines Kind, wenn sie sich selbst auf einem Bild entdeckt. Als wir ihr das Foto aus unserer diesjährigen April-Ausgabe zeigen, in der wir den Inhalt ihrer Tasche präsentierten, ruft sie aufgeregt: Ja, daran erinnere ich mich! Das war letztes Jahr bei den US Open. Ein cooles Bild. Darf ich das Heft behalten? Natürlich darf sie. Es sind diese Momente, die Ivanovic so sympathisch machen. Weil sie authentisch ist und ihre Freude ehrlich und nicht aufgesetzt wirkt obwohl sie sich schon tausendfach auf Fotos gesehen hat.
Es gibt aber auch Phasen, in denen Ivanovic etwas weniger Rummel um ihre Person lieber wäre. Es kann schon anstrengend sein und vor allem erhöht es den Druck, wenn man immer im Rampenlicht steht, sagt sie. Ich freue mich mehr, wenn sich jemand über mich als Person informiert oder mir sagt, dass ich tolle Schläge habe, als wenn er meine Fotos bestaunt. Aber dann fügt sie an: Natürlich ist es schmeichelhaft, wenn alle sagen, dass man hübsch ist. Ich bin eine Frau und jede Frau liebt Komplimente. Dabei zwirbelt sie ihre Haare um den linken Zeigefinger und lächelt schüchtern wie ein Schulmädchen.
Das öffentliche Interesse an Ivanovic hat oft wenig mit ihrer sportlichen Leistung zu tun. Die Interviewanfragen waren während ihrer schlechtesten Zeit ähnlich hoch wie heute, erzählt PR-Agent Versi. Der Brite gehört seit Mai 2007 zu den engsten Vertrauten der 24-Jährigen. Er begleitet sie fast das ganze Jahr über, koordiniert Pressetermine, Fotoshootings, Sponsorentreffen und organisiert die Reisen zu den Turnieren. Früher arbeitete er selbst einige Zeit als Tennisjournalist. Er weiß, wie angenehm der Umgang mit Ivanovic für die Reporter ist. Ich habe auswendig gelernte Antworten früher gehasst, erzählt er. Deswegen haben wir Ana nie beigebracht, wie sie mit den Medien umzugehen hat. Sie braucht kein Interviewtraining.
Apropos Training: Seit dem Wimbledon-Turnier 2011 heißt der wichtigste Mann an Ivanovics Seite auf dem Court Nigel Sears. Der Vater von Andy Murrays Freundin Kim Sears hat wesentlichen Anteil daran, dass sich die Serbin in den letzten Monaten mit konstanten Ergebnissen zurück in die erweiterte Weltspitze gespielt hat. Es ist schwer, einen wirklich guten Coach zu finden, sagt Ivanovic, die vor dem Engagement von Sears auch einige Monate mit Ex-Steffi Graf-Trainer Heinz Günthardt zusammenarbeitete. Nigel und ich haben eine Beziehung auf Augenhöhe. Ich hatte in der Vergangenheit einige Trainer, die so hart zu mir waren, dass sie ihren Respekt vor mir verloren. Damit konnte ich nicht umgehen. Bei Sears sei es nun der richtige Mix aus Drill und Freundschaft. Wir kommunizieren viel, das ist wichtig. Ich habe mich durch ihn in den letzten Monaten stark verbessert und das zahlt sich langsam aus. Ich musste lernen zu respektieren, dass eine erfolgreiche Entwicklung ein langer Prozess ist.
Eines ist klar: Am Ende dieses Prozesses möchte Ivanovic wieder dort hin, wo sie 2008 stand: nach ganz oben. Was dafür noch fehlt? Vor allem die nötige Konstanz. Manchmal halte ich die hohe Intensität nicht lange genug durch, sagt Ivanovic. Beispiel: Ihr Auftritt bei den diesjährigen French Open. Da spielte sie zwei überragende erste Matches. Gegen die spätere Finalistin Sara Errani in Runde drei lieferte sie einen starken ersten Satz, gewann ihn mit 6:1 und dominierte auch weite Teile des zweiten Durchgangs. Dann brach sie von einer zur anderen Minute ein. Sie zitterte ihre sonst so kraftvollen Grundschläge nur noch über das Netz und produzierte einen Fehler nach dem anderen. Am Ende verlor sie in drei Sätzen eine unnötige Niederlage. Von diesen Negativbeispielen gibt es zurzeit noch zu viele. Und dennoch glaubt man, dass es Ivanovic schaffen wird, in absehbarer Zeit zumindest wieder in den Top Ten zu stehen. Das ist das nächste Ziel der Serbin. Ich möchte am Ende des Jahres unter den besten Acht sein, um beim Masters in Istanbul spielen zu dürfen, sagt sie. Ihr großer Traum: eines Tages in Wimbledon zu triumphieren. Die Tradition dort ist so beeindruckend, das Turnier ist eine ganz besondere Veranstaltung, schwärmt sie.
Am Ende des Gesprächs erzählt Ivanovic von ihrem Leben in der Schweiz, wie wohl sie sich in Basel fühlt, dort, wo sie wohnt, wenn sie nicht unterwegs ist. Eigentlich hätten wir das Gespräch dann ja auch auf Deutsch führen können, oder? Nein, dafür reicht es noch nicht, sagt sie kichernd. Aber ein paar Worte werde sie doch beherrschen? Grüezi miteinand sagt sie in perfektem Schwyzerdütsch und muss dabei laut lachen so natürlich wie ein ganz normales Mädchen von nebenan.

Alter:                 24

Wohnort:            Basel, Schweiz
Größe:               1,84 Meter
Schlagarm:         rechts
Profi seit:            2003
Preisgeld:           9.385.392 Dollar
Bekleidung:        Adidas
Schläger:           Yonex
Weltrangliste:     12
Sponsoren:        Rolex, Juice Plus
Erfolge:             Elf Turniersiege, u. a. Paris `08. Zwölf Wochen Nr. 1, Finale Paris `07, Melbourne `08.

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