Sony Ericsson Open Day 13

Wirbelwind aus Weißrussland

Sie kann es einfach nicht lassen. Schauplatz Paris, Achtelfinale der French Open. Victoria Azarenka spielt gegen Titelverteidigerin Ana Ivanovic. Das Publikum unterstützt die Gegnerin, buht Azarenka gnadenlos aus, sobald sie sich den Abdruck eines knappen Balls auch nur etwas genauer anschaut. Doch Azarenka gewinnt. Nach verwandeltem Matchball schlägt sie sich mit der Faust auf die Brust, verzieht das Gesicht zur Grimasse und deutet in einer Ich hab es euch allen gezeigt-Pose mit erhobenem Zeigefinger auf die Fans.
Es ist dieses Verhalten, das die langbeinige Blondine beim Publikum nicht sonderlich beliebt macht. Sie legt sich mit allen an, den Fans, dem Schiedsrichter, manchmal sogar mit der Gegnerin. Früher hat sie sich dadurch oft selbst aus dem Konzept gebracht und verloren. Heute ist das anders. Ich habe mein Temperament besser im Griff, sagt die 19-jährige. Ich bin noch immer aggressiv, aber das ist eben meine Art zu spielen.

Wirbelwind in der Weltrangliste

Mit dieser Art hat sie Erfolg. Wie ein Wirbelsturm fegt Azarenka seit Beginn des Jahres durch die Weltrangliste, ist inzwischen bis in die Top Ten gerauscht. Im Frühjahr gewann sie ihre ersten drei Titel. Den größten beim Masters in Miami, wo sie Serena Williams im Finale schlug. Ihre Angewohnheit, bei jedem Schlag einen spitzen Schrei auszustoßen, handelt ihr immer wieder Vergleiche mit Maria Sharapova ein. Wir sind beide groß, blond und russisch, mehr aber nicht, blockt Azarenka ab. Ich bin ich.
Wie sie so auf ihrem Stuhl sitzt, nach vorne gebeugt, die Ärmel ihrer dunkelgrauen Kapuzenjacke bis über die Hände gezogen, ist von der aggressiven Kämpferin nichts zu erkennen. Sie wirkt eher schüchtern. Abseits des Courts bin ich komplett anders, total entspannt, sagt sie leise und in fließendem Englisch. Mit 14 Jahren verließ die in Minsk geborene Weißrussin ihre Heimat, um im Ausland ihre Tenniskarriere in Gang zu bringen. In ihrem heimischen Club, wo auch Max Mirnyi die ersten Bälle schlug, mangelte es an Trainingsmöglichkeiten. 2004 nahm Klaus Hofsäss sie in seiner Akademie in Marbella unter seine Fittiche. Knapp ein Jahr blieb Azarenka dort, dann bekam die Tochter eines Fahrschullehrers ein einmaliges Angebot. Nikolai Khabibulin, russischer Torwart in der NHL, der amerikanischen Eishockey-Liga, holte Azarenka zu sich und seiner Familie nach Scottsdale, Arizona. Dessen Tochter Sasha spielte ebenfalls Tennis, seine Frau Anastasia ist eine gute Freundin von Azarenkas Mutter Alla. Von jetzt an werde ich deine Karriere finanzieren, versprach Multimillionär Khabibulin der jungen Vika. Sie müsse lediglich versprechen, jeden Tag nach der Schule zu trainieren. Sobald sie selbst etwas verdient, könne sie ihm das Geld zurückzahlen. Drei Jahre wohnte Azarenka bei den Khabibulins. Sie sind für sie zu einer zweiten Familie geworden. Ihre eigene, die Eltern und ihr jüngerer Bruder Max, ein Student, leben weiterhin in Minsk.
Finanziell hat Azarenka keine Probleme mehr. Als sie nach ihrem Sieg in Miami einen Teil ihrer Schulden bei Khabibulin begleichen wollte, sagte dieser nur: Du schuldest mir gar nichts. Sei nur weiterhin so erfolgreich.
So kann Victoria Azarenka unbeschwert das Profileben genießen. Sie liebt Shopping. Ihre Kleiderschränke in Arizona und bei ihren Eltern in Weißrussland quillen über mit Outfits, Taschen und Schuhen. Auf Flugreisen muss sie regelmäßig Übergepäck bezahlen. Das höchste waren einmal 400 Dollar, erzählt sie, als wäre das ganz normal. Wenn sie nicht gerade unterwegs ist, trainiert sie mit ihrem Coach Antonio van Grichen in Arizona oder in Saddlebrook, Florida. Der Portugiese hat Azarenka spielerisch und mental stark gemacht. Er ist überzeugt: Sie ist auf dem Weg, eine sehr komplette Spielerin zu werden.

Nina Hoffmann
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