Slinger Bag

WENN DER SPIELPARTNER FEHLT: Für Tennisspieler, die spontan und unabhängig ihrem Hobby nachgehen wollen, ist die Slinger Bag in erster ­Linie gedacht. Ihr Zubehör ist vielfältig; sogar eine Ballsammelröhre (vorne rechts) wird mitgeliefert.

Ballmaschine Slinger Bag: Gegner to go

Ballmaschinen sind eher etwas für Clubs und Coaches. Die Slinger Bag will das ­ändern. Konzipiert als eine Mischung aus Reisetasche und Wurfmaschine, soll sie ein Trainingsgerät für jeden Spieler werden. tennis MAGAZIN rollte den Apparat für einen Praxistest auf den Platz.

Erschienen in der tennis MAGAZIN-Ausgabe 5/2021
Foto: Gerrit Staron

Als Joe Kalfa im Oktober 2016  in seiner Heimat Israel Tennis spielte, bemerkte er, wie sich jemand auf dem Nebenplatz mit einer älteren Ballmaschine abmühte. Sie gehörte dem Club, brauchte ein langes Stromkabel und war fast so groß wie ein Kühlschrank. In diesem Moment dachte sich Kalfa: „Das muss viel einfacher gehen!“ Viereinhalb Jahre später steht die Slinger Bag auf einem Hallenplatz am Rande von Hamburg. Die Bag sieht aus wie eine normale Reisetasche mit ausziehbarem Griff und zwei Rädern zum Rollen, aber ihr Innenleben steckt voller Überraschungen. Denn: In ihr ist eine Ballmaschine integriert. 

Joe Kalfa hatte damals die fixe Idee, eine akkubetriebene Ballmaschine für jeden Tennisspieler zu entwickeln. Die leicht und einfach zu bedienen ist, die man sich leisten kann, die sich überall mit hinnehmen lässt und die ein ­vollwertiges ­Training auch ohne Gegner ermöglicht – egal, auf ­welchem Level man spielt. Die Slinger­ Bag war geboren! Was sich in den folgenden Jahren abspielte, kann man getrost als eine der großen Erfolgsstorys in der Tennisindustrie der letzten Jahrzehnte bezeichnen. Kalfa holte sich Spezialisten in sein Team, ließ Prototypen bauen, launchte eine Website und sammelte über eine Crowdfunding-Website im ­Februar 2018 Geld ein.

Ballmaschine für den Spieler

Die ­Sammel­aktion ging vor allem in den USA durch die Decke: In den ersten 45 ­Minuten kamen 25.000 Dollar zusammen. In den nächsten vier Monaten gingen Vorbestellungen im Gesamtwert von mehr als einer Million Dollar ein. Schließlich stieg mit Mike Ballardie ein Schwergewicht der US-Tennis­szene in die Firma ein. Ballardie, seit mehr als 30 Jahren im Geschäft, arbeitete unter anderem für namhafte Marken wie Prince und Wilson. Er sagt: „Mir wurden in meinem Berufsleben mehr Ideen gezeigt, als ich mir merken kann. Aber bei der Slinger Bag war es anders. Denn: Niemand hatte sich bislang in der Industrie damit beschäftigt, eine Ballmaschine für die Spieler zu konstruieren – und nicht nur für Clubs oder Trainer.“ 

Tatsächlich ist der Markt für Ball­maschinen überschaubar. Schätzungen zufolge sollen 2019 etwa 13.000 Stück weltweit verkauft worden sein. Für 2020 zog die Nachfrage allerdings deutlich an – durch die Corona­pandemie. Von einem deutschen Hersteller ist zu hören: „Ballmaschinen ­laufen im Moment echt gut.“ Der Grund: Auch wenn Tennis ein Sport auf Distanz ist, vermeiden einige Tennisspieler sicherheitshalber den Kontakt zu einem Partner und gehen stattdessen mit einer Maschine auf den Platz.

Slinger Bag

ZUM ABSCHUSS FREIGEGEBEN: Wenn die richtige Platzposition und die passenden Einstellungen gefunden sind, entpuppt sich die Slinger Bag als guter Trainingspartner.

Diese Entwicklung kommt auch der Slinger Bag zu Gute, die ­mittlerweile mit ­Dunlop einen starken Vertriebspartner für den gesamten ­europäischen Markt an ihrer Seite hat. Slinger Bag nennt den Deal mit Dunlop „wegweisend“. Es wäre eine ­große Bestätigung dafür, wie weit es das Start-up schon gebracht habe, heißt es. Dunlop-­Geschäftsführer Frans Swinkels kommentiert: „Die Partnerschaft wertet Dunlops Angebot im Tennisballmarkt als Komplettausrüster weiter auf.“ Die Tasche wird nun auf einen Hamburger Teppichplatz gerollt. An ihrer Vorderseite befinden sich zwei große Fächer: Das untere ist die Schaltzentrale der Ballmaschine, im oberen befinden sich die Bälle. Auf der Oberseite ist ein Schlägerfach untergebracht.

Slinger Bag: Kompaktheit als Riesen-Pluspunkt

Diese Kompaktheit ist der große Pluspunkt der Slinger Bag. Alles, was man für eine Einheit braucht, passt in die Tasche. Selbst für Schuhe ist Platz. Durchdacht ist auch das mitgelieferte Zubehör. Es beginnt mit einer Ballsammelröhre, die man unkompliziert an die Tasche einhängen und mit einem Klettverschluss fixieren kann. Weiter geht es mit einer Handyhalterung, die man am Griff der Tasche anbringen kann, um sich beim Training filmen zu lassen. Es gibt einen USB-Anschluss zum Aufladen des Handys, eine schicke Fernbedingung und Tragegriffe für den Transport. Rund 15 Kilogramm wiegt die Tasche. Angesichts des vergleichsweise günstigen Preises von 879 Euro hätte man so viel Extras nicht unbedingt erwartet. Zur Einordnung: Ballmaschinen mit ähnlichen Fähigkeiten liegen im unteren vierstelligen Euro-Bereich. 

Aber was kann die Slinger Bag nun genau? tennis MAGAZIN machte den Test. Die einzustellenden Parameter sind: Balltempo („Speed“ – bis zu 73 km/h), Ballintervall („Feed“ – 2 bis 10 Sekunden Pause liegen zwischen zwei Bällen) sowie Auswurfwinkel (0 bis 40 Grad). Zu Beginn wählten wir eine Grundeinstellung mit mittleren Werten. Was sofort auffiel: Der Spin ist selbst dann enorm. Wir drosselten das Tempo. Dadurch wurde der Drall der Bälle zwar geringer, aber sie sprangen nach ihrem Aufprall dennoch ziemlich hoch ab. Daran muss man sich gewöhnen. Gerade Anfänger oder Freizeitspieler, die sonst eher flach zugespielte Bälle ihres Trainers gewohnt sind, könnten anfangs etwas überfordert sein. Andererseits bieten die Einstellungen für Leistungsspieler etwa die Option, dass einem plötzlich Bälle um die Ohren fliegen, die dem Spinpotenzial einer Nadal-Vorhand sehr nahe kommen. Wer hier ein frühes Draufgehen übt, wird richtig gefordert. Nach einigen Durchgängen, in denen wir alle Einstellungen durchprobierten, wird deutlich: Jeder, der sich eine Slinger Bag zulegt, sollte sich die Zeit nehmen, die für ihn passenden Werte zu finden. Denn die gibt es – egal, welche Vorlieben man hat. 

Slinger Bag: „Besser als jedes Spinnig-Workout”

Wenn Maschine und Spieler ideal aufeinander abgestimmt sind, macht das Training viel Spaß – vor allem für diejenigen, die mit Ballmaschinen bislang wenig in Berührung gekommen sind. Wer sich eine Stunde lang voll auspowern will, dem wird die Slinger Bag eine Menge abverlangen. „Das ist besser als jedes Spinnig-Workout“, meint tennis MAGAZIN-Cheftester Alexander Schepp, nachdem er in gut zweieinhalb Minuten 72 Rückhandbretter die Linie runtergeschickt hat. Sein Fazit: „Die Slinger ist auch durchaus etwas für Trainer. Weil sie so flexibel ist, kann man sie mal für ein, zwei Übungen ins ­Training inte­grieren. Mit den traditionellen ­Maschinen wäre dafür der Aufwand viel zu groß.“  Zudem passt die Slinger Bag in jeden normalgroßen Kofferraum, sodass sie sich schnell von Club zu Club transportieren lässt, wenn man als Coach zwischendurch die Arbeitsstätte wechseln muss. 

Slinger Bag

MIT DEM BLICK FÜRS DETAIL: Cheftester Alex­ander Schepp (li.) und Redakteur Tim Böseler absolvierten mehrere Einheiten mit der Slinger Bag, um sich ein umfassendes Bild zu machen.

 Wer nun eine gewisse Vorerfahrung im Bereich Ballmaschinen mitbringt, wird merken, dass die Slinger Bag zwar gute Einheiten ermöglicht, sie aber auch nicht alles bieten kann. Damit sie nicht nur geradeaus die Bälle auswirft, sondern auch nach links und rechts, um Vor- und Rückhand im Wechsel spielen zu können, braucht sie eine ­zusätz­liche ­Rotationsplattform – den ­„Slinger ­Oscilator“ (im Lieferumfang enthalten). Die Slinger Bag wird auf die Plattform gestellt, per ­Kabel verbunden und dreht sich nun von links nach rechts und wieder zurück. Allerdings kann man die Rotationsgeschwindigkeit nicht dosieren. Und einige ausgeworfene Bälle landen in den Doppelkorridoren. Wichtig hierbei: Die richtige Position der Slinger Bag auf der anderen Platzhälfte finden und die Auswurf­einstellungen mit der Drehbewegung abstimmen – dann  wird es noch schweißtreibender. Über die kleine Fernbedienung, die in jede Hosentasche passt, können Slinger Bag und Slinger ­Oscilator getrennt voneinander an und aus gestellt ­werden. 

Unsere erste Teststunde ist fast vorüber, als wir vom Nebenplatz aus angesprochen werden. Was das für ein tolles Teil sei, will ein Herr wissen. So ungefähr muss sich das Joe Kalfa damals, im Oktober 2016, in seinen kühnsten Träumen ausgemalt haben.

Die Slinger Bag im tennis MAGAZIN-Check

+ mobil, leicht zu transportieren, ­platzsparend, schnell einsatzbereit.
+ Jede Menge sinnvolles Zubehör.
+ Vielspieler können unabhängig von Partnern ihre Einheiten absolvieren.
+ Coaches können ihrem Training  neue Impulse verleihen.

– Entwickelt starken Drall beim Auswurf – schwierig für Anfänger. Zeit nehmen für richtige Einstellungen!
– Ballfluss gerät manchmal ins ­Stocken, wenn sich nur noch wenige Bälle in der Maschine befinden. mens jordan release dates 2022 | men’s jordan retro 13 release date