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Kleiner Mann, großes Tennis

Es gibt auf dieser Welt kaum  Sechsjährige, die eine eigene Website, einen Lebenslauf mit über 1000 Wörtern und eine unüberschaubare Menge an Videoclips im Internet haben. Jan Silva hat das alles. Ein Star wurde geboren so wie Mozart Klavier spielte, spielt Jan Silva Tennis, steht auf seiner Website (www.jansilvatennis.com). Und weiter: Wenn man ihm auf dem Platz zusieht, glaubt man, die 40. Sinfonie zu hören. Es geht hier nicht um Roger Federer oder Pete Sampras. Es geht um Jan Silva, sechs Jahre alt. Im Internet wird er schon als Tiger Woods des Tennis, Goldenes Kind oder einfach als Großes Wunder bezeichnet. Ich denke, er wird eines Tages die Nummer 1 der Welt sein. Er ist einfach etwas ganz Besonderes, sagt Scott Silva, Jans Vater.
Man kennt solche Sätze. Von überehrgeizigen Tenniseltern, die immer nur diesen einen tollen Ball ihres Sprößlings sehen, die zahlreichen Fehler aber gekonnt ausblenden. Nur: Bei Jan Silva ist vieles anders. Er ist so viel jünger als andere Tennis-Wunderkinder vor ihm. Er spielt unglaubliches Tennis nicht wie ein Sechs-, eher wie ein Zehnjähriger. Und: Er fällt einfach auf. Dunkelbraune Haut, blondes Haar und blaue Augen. An diesem kleinen Kerl kann man sich nicht sattsehen.

Wir machen das für ihn

In einem Batman-Kostüm kommt Jan auf die Terrasse gestürmt, klammert sich kurz an das Bein von Mutter Mari fest und rennt wieder zurück ins kleine Haus im Ort Thiverval-Grignon, 30 Kilometer westlich von Paris. Mari Maattanen-Silva ist Finnin, ihr Mann Scott Afro-Amerikaner. Beide haben im Sommer 2006 ihr Haus, ihre Autos, eigentlich alles, was wir hatten (Scott Silva) in Kalifornien verkauft, um hierher, in die französische Provinz, überzusiedeln. Von der Terrasse aus kann man die 17 Tennisplätze der Mouratoglou Tennis Akademie sehen. Dort trainiert ihr Sohn jeden Tag. Wir haben das für ihn gemacht, sagt Mari und schaut ihrem Sohn nach. Natürlich denkt jeder, dass wir verrückt sind. Aber Jan hat so viel Talent und so viel Spaß am Tennis. Wir mussten das machen. Cheftrainer Mouratoglou hatte der Familie ein ungewöhnliches Angebot gemacht: Er bezahlt ihnen alles, um Jan zum Profi zu formen. Zwischen zwei und drei Millionen Euro wird das Projekt über die Jahre verschlingen falls Jan es tatsächlich schaffen sollte.  
Noch nie hat ein so junges Kind ein volles Stipendium an einer Tennisakademie bekommen. Nick Bollettieri lehnte ein Engagement ab, nachdem ihm die Eltern ein Video von Jan zuschickten. Einem Sechsjährigen alles zu spendieren, kann ich nicht machen, sagte die Trainerlegende.
Schauen Sie sich ihn doch mal an!Er hat Charisma, er ist nicht wie all die anderen Tenniskids, lobpreist Silva-Coach Mouratoglou, der schon Marcos Baghdatis zum Topspieler ausbildete. Ihm zu widersprechen, ist schwierig. Jans Spiel ist komplett. Er schlägt von oben auf, zieht die einhändige Rückhand flüssig durch, ballert von der Grundlinie Geschosse mit der Vorhand ins Feld, rückt vor, volliert am Netz trocken ab und ballt die Faust. Seine Bewegungen sind geschmeidig, er hat die natürliche Gabe, schon jetzt, mit sechs Jahren, fast immer richtig zum Ball zu stehen. Es ist phänomenal, wie er spielt, sagt Tracy Austin, eins-tiges Wunderkind, die mit vier Jahren auf dem Cover von World Tennis posierte. Wir müssen uns einfach daran gewöhnen, dass die Kinder heute immer früher immer besser werden.

 

Kommentare sind negativ

Jan Silva ist nicht allein. In Pacific Beach, Kalifornien, steht Zachary Svajda, fünf Jahre alt, mit Coach Matt Hanlin auf dem Platz. Auch er ein Riesentalent, das sieht man nach wenigen Schlägen. Vater Tom beobachtet das Training. 90 Prozent der Kommentare über mich und meinen Sohn sind negativ. Dabei ermögliche ich ihm nur das, was er am liebsten macht: Tennis zu spielen, sagt er. Arman Glodjo, Vater der sieben Jahre alten Greer, kennt die Vorbehalte der Öffentlichkeit gegenüber Vätern wie ihm. Aber was soll man machen, wenn deine Tochter nur Tennis im Kopf hat, Talent besitzt und von Tag zu Tag besser wird? Dieses Potenzial einfach ignorieren?, fragt er. Seine Tochter trainiert bei Nick Bollettieri. Nicht umsonst, Arman muss einen Teil selbst finanzieren. Eines Tages soll sie das Damentennis mit ihrem Serve-and-Volley revolutionieren so stellt sich das Guru Bollettieri vor. Greer spielt viel Doppel, die Rückhand wird gerade umgestellt, von der beid- auf die einhändige Technik. Das ist besser für eine Angriffsspielerin, erklärt Bollettieri. Eine mögliche Gegnerin für Greer wird im Tenniscamp von Rick Macci ausgebildet: Sonya Kenin, neun Jahre alt. Laut Traineraussagen ein wahnsinniges Talent natürlich. Gott hat sie so reich beschenkt, schwärmt Macci, der Sonya seit ihrem fünften Lebensjahr mit nur einem  Ziel betreut: Tennisprofi zu werden.
Es sind Wunderkinder einer neuen Generation: Professioneller, fokussierter und wenn man den Experten glaubt besser als Jahrhunderttalente wie Andre Agassi, Jennifer Capriati oder Monica Seles, die ebenfalls als Kinder ihren Altersgenossen weit überlegen waren. Dr. Anders Ericsson, Psychologie-Professor an der Florida State University, begründet dieses Phänomen mit der Globalisierung des Sports. Ericsson untersucht seit über zehn Jahren, wie sich Topleute in unterschiedlichen Sportarten ihr Wissen und ihre Fähigkeiten aneignen. Sein Fazit: Um jemanden heutzutage zum höchsten Leistungsstand zu bringen, braucht es mehr Zeit und besseres Training.
Einfacher ausgedrückt: Um einen späteren Topspieler zu kreieren, kann dessen Ausbildung nicht früh genug anfangen. Die US-Trainer Macci und Bollettieri berichten beide von einer Flut von Anrufen und Videos, in denen Kleinkinder angepriesen werden: Es sind so viele wie noch nie.
Was dabei oft vergessen wird: Von den Kindern, denen eine kometenhafte Karriere prophezeit wird, bleiben die meisten auf der Strecke (s. Kas-ten re.). Je jünger ein Spieler ist, desto unsicherer wird eine Prognose, warnt Bundestrainer Hans-Peter Born, im DTBfür Kinder unter 14 Jahren zuständig. Robert Landsdorp, Ex-Coach von  Maria Sharapova, erinnert sich: Selbst als Maria 14 oder 15 Jahre alt war, konnte ich nicht sagen, dass sie  mit 17 Wimbledon gewinnen wird.
Für Mari und Scott Silva, Jans Eltern, sind all die Unwägbarkeiten in der weiteren Karriere ihres Sohnes unerheblich. Jan wird die Welt mit seinem Talent schocken, ist sich Scott Silva sicher (s. Interview). Er muss diese Attitüde so ausleben, Zweifel und Kritik einfach wegwischen sonst wird er unglaubwürdig. Als die Silvas ihre Heimat verliesen, brachte die Tageszeitung USA Today eine große Exklusivstory über Jan Silva. Das Echo der Leser war vernichtend: Die Eltern würden ihren Sohn doch prostituieren und in eine Geld-Maschine verwandeln. Diese Menschen sind eifersüchtig und sie kennen Jan nicht, sagt Scott Silva ruhig und gelassen. Ob dieser feste Glaube in seinen Sohn echt oder gespielt ist, offenbart er nicht.

Rackets für Kuscheltiere

Jan kommt wieder auf die Terrasse geschoßen. Jetzt hat er einen Tennisschläger in der Hand. Er will schon wieder spielen, sagt Mutter Mari. Drei Stunden vor der Geburt von Jan gab sie noch Training im Gold River Racquet Club von Sacremento. Sie machte nur wenige Wochen Pause, nahm dann Jan und frische Windeln mit auf den Platz und setzte ihren Sohn in den Ballkorb. Es gibt Bilder von Jan, auf denen er seinen Kuscheltieren Tennisschläger in die Tatzen drückt. Als er ein Jahr alt war, wollte er immer wieder ein Video mit James Blake sehen. Daraufhin imitierte er im Wohnzimmer die einhändige Rückhand des US-Profis. Bis heute ist Blake der Lieblingsspieler von Jan. Mit vier Jahren wurden er und sein Vaterzum Turnier nach Indian Wells eingeladen. Die beiden spielten auf einem Nebenplatz, Marcos Baghdatis schaute zu und rief dann seinen damaligen Coach Mouratoglou an: Patrick, hier ist ein kleiner Junge, der ist einfach unglaublich. Ein halbes Jahr später kamen die Silvas nach Frankreich. Hier kümmern sich nun Tenniscoaches, Konditionstrainer, Ernährungsberater und Ärzte um die Karriere des kleinen Jan. Seine Tage sind durchorganisiert. Irgendwann soll er der Beste werden. Nur: Eine Erfolgsgarantie gibt es nicht selbst für Jan Silva nicht.    

Tim Böseler
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