2011 US Open – Day 7

Angelique Kerber: Das Fräuleinwunder vom Nebenplatz

Nach dem Achtelfinale bin ich nachts aufgewacht und dachte, das ist ein Traum. Das war der größte Erfolg meiner Karriere. Jetzt bin ich sogar im Halbfinale, staunte Angelique Kerber nach ihrem Viertelfinal-Match gegen Flavia Pennetta bei den US Open. Im zweiten Satz führte die 23-Jährige bereits 4:2 – und verlor ihn noch. Im dritten Durchgang lag sie 1:3 hinten und gewann fünf Spiele in Folge. Kerber sagte: Es war ein ständiges Auf und Ab. Im zweiten Satz habe ich zu viel nachgedacht. Aber ich habe bis zum letzten Punkt gekämpft und bin glücklich, unter den letzten vier der US Open zu stehen.

Ein Erfolg, der nicht zu erwarten war. Die Deutsche mit polnischen Eltern stand vor den US Open auf Rang 92 in der Weltrangliste. Nach dem Turnier wird sie sicher unter den ersten 40 der Welt geführt werden – egal, wie das Halbfinale ausgeht. Was für eine Entwicklung: In diesem Jahr verlor sie auf der WTA-Tour schon zehnmal in der ersten Runde. Von Kerber sprach eigentlich niemand mehr. Petkovic, Lisicki, Görges – das waren die Namen, die mit der neuen deutschen Welle im Damentennis in Verbindung gebracht wurden. Dann erreichte die gebürtige Bremerin, die heute in Kiel wohnt, das Halbfinale beim Turnier in Dallas. Ein erstes Zeichen dafür, dass Kerbers Formkurve wieder nach oben zeigte.

Woher kommt der Leistungssprung?

Jetzt, nach ihrem Halbfinaleinzug in New York, fragen sich Beobachter und Fans: Woher kommt dieser Leistungsschub? Ich habe so hart gearbeitet wie noch nie. Ich fühle mich körperlich und mental stärker. Früher habe ich in langen Matches in den entscheidenden Phasen schlapp gemacht. Das ist der Unterschied, erklärt Kerber. Nach ihrer Pleite in der ersten Runde von Wimbledon gegen Laura Robson, damals die Nummer 254 der Weltrangliste, wagte Kerber einen Neuanfang. Sie sagte sich von ihrem Vater, der gleichzeitig auch lange ihr Trainer war, los und wechselte zur „Schüttler-Waske-Akademie“ nach Offenbach. Dort spulte sie ihr Trainingsprogramm gemeinsam mit Andrea Petkovic ab.

Die deutsche Nummer eins prophezeite Kerber den Sprung in die Top 30: „Dafür hat sie das Potenzial, das wird sie schaffen.“ Aber nicht nur der Zuspruch von Petkovic spornte sie an. Auch die Erfolge von Sabine Lisicki und Julia Görges motivierten Kerber zusätzlich: Ich wollte unbedingt nach oben kommen. Denn ich weiß, dass ich nicht schlechter bin. Jetzt haben wir vier Mädels, die bei Grand Slams weit kommen können.
Ab Mitternacht gegen Stosur

Schafft es die Linkshänderin in New York sogar bis ins Finale? Es wäre die erste Finalteilnahme einer deutschen Spielerin bei den US Open seit 1996 – damals erreichte Steffi Graf das Endspiel und gewann den Titel. Ab Mitternacht deutscher Zeit trifft Kerber in der Nacht von Samstag auf Sonntag auf Sam Stosur, die bei ihrem Viertelfinalsieg über die Weltranglistenzweite Vera Zwonareva einen hervorragenden Eindruck hinterließ. Gegen die an Position neun gesetzte Australierin hat Kerber noch nie gespielt.

Kerbers Traumlauf bis unter die letzten vier fand bislang nur auf den kleineren Courts der US Open statt. Auf dem neuen Platz 17, der 2.500 Zuschauer fasst, spielte sie schon dreimal. In der zweiten Runde, als sie die favorisierte Polin Agnieszka Radwanska besiegte, schickte man sie auf den Grandstand, dem drittgrößten Platz der Anlage. Als Halbfinalistin sollte nun der große Auftritt im Arthur Ashe-Stadion folgen. Doch statt im imposantesten Tennisstadion der Welt aufzulaufen, wurde Kerbers Halbfinale auf dem Grandstand angesetzt – eine ziemlich dreiste Entscheidung der Veranstalter. Während am heutigen „Super-Saturday“ erst die beiden Herren-Halbfinals (Federer – Djokovic, Murray – Nadal) und in der Night-Session das andere Damen-Halbfinale (Serena Williams – Wozniacki) im Arthur Ashe-Stadion gespielt werden, wurden Kerber und Stosur auf einen besseren Nebenplatz verbannt, da der Boden des zweitgrößten Platzes der Anlange (Louis Armsrong-Stadion) wegen starker Regenfälle seit Mitte der Woche defekt ist.

Respektlosigkeit gegenüber den Spielerinnen

Ein Einzel-Halbfinale auf dem Grandstand kann man als Respektlosigkeit gegenüber beiden Spielerinnen ansehen. Denn es wäre durchaus möglich, alle Halbfinals des heutigen Tages im Arthur Ashe-Stadion stattfinden zu lassen. Was spricht dagegen, ein Herren-Halbfinale in die Night-Session und Kerbers Match auf den Tag zu legen? Das Herren-Finale wird eh erst am Montag gespielt. Genug Zeit also, damit sich der Sieger von einem Einsatz zu später Stunde erholen könnte. Schon forderten US-Journalisten von Williams und Wozniacki, dass sich die beiden solidarisch mit ihren WTA-Kolleginnen verhalten sollten und wie Nadal & Co. den Aufstand gegen die Organisatoren proben sollten.

Bitter wird es, wenn die  Matches der Herren heute insgesamt länger als sechs Stunden andauern. Denn dann können nicht alle deutschen Tennisfans das Halbfinale von Kerber live im Fernsehen verfolgen. Gestern kündigte der übertragene Sender Eurosport an, dass man bei dieser Konstellation weiter die Matches der Herren zeigen würde – bis zum Schluss. Kerbers Partie würde dann nur auf Eurosport 2 und im Online-Angebot des Senders gezeigt werden.

Es wäre ein trauriger Schlusspunkt eines chaotischen US Open-Turniers: Ein Halbfinale mit deutscher Beteiligung, das auf einem größeren Nebenplatz ausgespielt wird und nur im absoluten TV-Nischenprogramm zu sehen ist. 

Nils Schlüter & Tim Böseler
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