Familie Zverev

MELBOURNE, AUSTRALIA - JANUARY 18: Alexander Zverev (2nd L) poses with his father Alexander Zverev, mother Irena Zverev and brother Mischa Zverev pose for a photo on the AO hashtag outside the social shack during day one of the 2016 Australian Open at Melbourne Park on January 18, 2016 in Melbourne, Australia. (Photo by Vince Caligiuri/Getty Images)

Familienbande: Auf den Spuren der Zverevs

Text: Inga Radel

Wie erfolgreich waren die Tenniskarrieren der Zverev-Eltern? Welche Spielstile hatten sie? Und wie kam die Familie nach Deutschland? Auf den Spuren der Familie Zverev.

(Aus dem tM-Archiv: Dieser Text erschien im Juni 2017, nachdem Alexander Zverev seinen ersten ATP 1000er-Titel in Rom gewann!)

Wenn Irina Zvereva  über ihren Mann Alexander in seiner aktiven Zeit spricht, schwärmt sie. „Er war der beste Volleyspieler der Sowjetunion. Er war sehr elegant und schlank, mit einem tollen Ballgefühl und sehr schnellen Beinen“, erinnert sie sich. Sie kommt wie er gebürtig aus Sotschi, als 15-Jährige zog sie nach Moskau. Das war das Zentrum des sowjetischen Tennis. Als sie 16 war, verliebte sich der damals größte Tennisstar der UDSSR in sie: der sieben Jahre ältere Alexander Michailowitsch Zverev. Ihm gefiel ihre Natürlichkeit – Irina legte schon damals keinen besonderen Wert auf Schminke. Die beiden heirateten, als sie 17 war.

Papa Zverev durfte nicht reisen 

Alexander Zverev Senior, wie er heute in der ATP-Statitsik geführt wird, war in den 1980er-Jahren lange die Nummer eins der Sowjetunion. Dass er trotzdem „nur“ bis auf Rang 175 der Weltrangliste vorstieß und „nur“ zweimal in einem Grand Slam-Einzel-Hauptfeld stand (1. Runde Melbourne 1985, 1. Runde Wimbledon 1986), hing mit dem Politsystem zusammen. „In der Sowjetunion vor dem Putsch war es wie in der DDR. Es ging um Propaganda und Profisport war politisch problematisch. Die Funktionäre haben entschieden, wo du hingeschickt wirst. Die Einsätze für dein Land waren am wichtigsten“, erzählt Irina Zvereva.

Ihr Mann war Amateur-Europameister 1982, Universiade-Goldmedaillengewinner 1985, spielte Friendship Games, Goodwill Games, King‘s Cup – und natürlich Davis Cup. Er nahm von 1979 bis 1987 an 16 Davis Cup-Begegnungen teil, mit einer 12:16-Einzelbilanz, darunter ein Sieg gegen Miroslav Mecir. Auch Henri Leconte bezwang er in seiner Karriere. „Papa hätte viel höher stehen können, wären es andere Zeiten gewesen. Hätte er reisen dürfen, hätte er mindestens Top 100, viele sagen sogar Top 30 oder Top 20 stehen können“, sagt der ältere Sohn Mischa am Rande der French Open.

Katzenartig: Alexander Zverev war Trainer und überragender Spieler beim TK Mölln.

Seine Geburt 1987, als seine Mutter erst 20 war, sei nicht der entscheidende Grund gewesen, weshalb sie ihre eigene Karriere erst nach der Übersiedlung nach Deutschland richtig starten konnte, sagt Mischa. „Meine Eltern durften früher nicht zusammen reisen, weil in der Sowjetunion nur einer aus dem Land heraus durfte – das war dann Papa. Dann musste Mama zu Hause bleiben und konnte nicht so oft zu Turnieren fahren.“ 1991 entschied sich die Familie für ein neues Leben in Deutschland. Die erste Punktspielstation der Eltern war Babcock Oberhausen, aber die Familie lebte nie in Oberhausen.

Familie Zverev zieht nach Mölln

Ihr erster Wohnort in Deutschland war Mölln in Schleswig-Holstein, wo der Vater beim TK Mölln eine Anstellung als Trainer fand. Wolf Preuß, der langjährige erste Vorsitzende des Vereins, erinnert sich noch gern an Alexander, Irina und Klein-Mischa. Die Zverevs zogen in eine Zwei-Zimmer-Wohnung, die der Familie Preuß gehörte. „Wir haben dann noch eine Möbel-Sammel-Aktion gestartet. Die Familie kam ja mit nichts nach Deutschland. Das war eine abenteuerliche und schöne Zeit damals“, erzählt Preuß.

Alex Zverev Sr. spielte für die 1. Herren in der Landesliga und war, wie Preuß sagt, „total unterfordert“. Er habe „katzenartige Bewegungen und ein unglaubliches Spielverständnis“ gehabt. Bis 1995 war Zverev als Trainer in Mölln. „Sogar die Senioren bekamen auf einmal Leistungstraining. Richtige Drills aus dem Ostblock. So etwas hatten wir noch nie erlebt“, berichtet Preuß. Er charakterisiert Vater Zverev als „sehr schweigsam, sehr korrekt und sehr zuverlässig“.

Mischa, der noch in Mölln eingeschult wurde, spielte seine ersten Kreismeisterschaften für den TK Mölln (mit einem Zöpfchen, das hinten aus seinen kurzen Haaren hing, und schon in einer höheren Altersklasse). Bei dem kleinen Club wussten sie, dass sie diese besondere Tennisfamilie nicht lange würden halten können. Ihre neue Heimat fanden die Zverevs in Hamburg beim Uhlenhorster Hockey-Club (UHC). Zunächst wechselte Irina Zvereva, die zuvor noch für den TC Oststeinbek aktiv war, in die Damen-Regionalligamannschaft des UHC. Die Regionalliga war damals die zweithöchste deutsche Liga. Der UHC spielte in der Aufstiegsrunde zur 1. Bundesliga.

Mama Irina, eine Sanddplatzwühlerin

Der Kontakt zu dem Verein kam über die mehrfache Hamburger Meisterin und frühere Profispielerin Claudia Hoffmann-Timm (44) zustande, die Zvereva bei einem 10.000er-ITF-Turnier in Athen traf. „Irina meinte: ‚Braucht ihr noch eine Spielerin? Und noch einen Vereinstrainer dazu? Mein Mann Alex ist Trainer‘“, erinnert sich Hoffmann-Timm an das Gespräch von damals. Zverevas beste Platzierung war ihr selbst zufolge „ungefähr 300“, die Internetseiten der WTA- und der ITF sind in ihrem Fall lücken- und fehlerhaft. Die WTA listet ein ganz falsches Geburtsdatum für sie auf (6.11.1976 statt 11.4.1967).

Zvereva ist bekannt für ihre einhändige Rückhand-Topspin wie aus dem Bilderbuch – aus allen Lagen und besonders stark longline – und für ihre Marathonmatches. Die immer einsatzbereite Teamplayerin spielte auch noch, als sie mit „Sascha“ schwanger war. Nach seiner Geburt im April 1997 stillte sie zwischen Einzel und Doppel. „Mama war eine Sandplatzwühlerin, sie hatte eine unglaublich gute Rückhand. Die Vorhand war ein bisschen wackelig, ihr Aufschlag war nicht so gut“, analysiert Mischa streng und amüsiert. „Ein typisches Mama-Ergebnis war 7:6, 6:1. Der erste Satz dauerte eineinhalb Stunden und im zweiten Satz konnte die Gegnerin nicht mehr.“

Die gefürchtete Rückhand der Mutter: Irina Zvereva im Trainingslager der UHC-Damenmannschaft in Florida 1994.

Alex Sr. war erst Jugendcoach beim UHC und dann auch Damen-Trainer. „Sein Motto war: Training ist Arbeit. Und wenn ihr nicht mit zwei Bällen eine halbe Stunde lang 1000-mal cross spielen könnt, brauchen wir gar nicht erst mit anderen Übungen anzufangen“, sagt Hoffmann-Timm, die unzählige Sparrings mit Mischa absolvierte. Das Ziel, dass beide Jungs Profis werden, war früh klar. In der Schule (später Fernschule) wurde nur auf bestimmte Fächer Wert gelegt, weil die Eltern Tennis schon als Berufsausbildung sahen.

„Alles gehört der Familie”

Alex Zverev Senior ist extrem zielorientiert. Small-Talk und oberflächliche Außenkontakte sind nicht seine Welt. „Alex mag kein Rumgeeier“, sagt Hoffmann-Timm. Manche nennen ihn einen „Brummbär“. Irina ist die Kommunikative der beiden. Das tennis MAGAZIN erreicht sie am Handy in Monte Carlo, dem neuen Wohnsitz ihrer Söhne. Hilfsbereit wollte sie sogar noch alte Fotos heraussuchen. Aber die lagen in Hamburg im Haus der Familie im Stadtteil Lemsahl.

Ein altes Familienfoto: Die Eltern mit dem angehenden Profi Mische und Klein-Sascha beim Uhlenhorster HC.

Das Haus haben die Zverevs gebaut, nachdem sie zuvor lange in einer vom UHC vermittelten Wohnung in unmittelbarer Clubnähe gewohnt hatten. Sie haben sich alles extrem hart erarbeitet. Irina und Alex Senior gaben immer viel Training. Wenn der eine Ehepartner mit Mischa oder Sascha auf einem Turnier war, vertrat ihn der andere beim Training. Seit elf Jahren verbringt die Familie die Wintermonate in Tampa/Florida, die Söhne trainieren in der Saddlebrook Tennis Academy. Mischa besitzt dort seit acht Jahren ein Haus.

„Was heißt hier Mischas Haus? Bei uns gibt es nicht Mischas, Mamas oder Papas Sachen. Alles gehört der Familie“, sagt Irina Zvereva. Ihre Kochkünste sind übrigens legendär. Sie kocht ständig. Und nicht nur russische Rezepte wie Borschtsch, sie macht sogar Pommes Frites selbst. „Ich liebe Kochen einfach.“ Bleibt die Frage, welcher Sohn eher wie die Mutter und welcher eher wie der Vater spielt. Mischa Zverev überlegt kurz: „Ich wie Papa, weil ich auch ans Netz gehe und viel Rückhand-Slice spiele. Und Sascha eher wie Mama, aber er haut ein bisschen mehr drauf.“

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