Marc Rosset

Hat gut lachen? Seiner Liebe zum Tennis ist Marc Rosset auch über die aktive Karriere hinaus treu geblieben.

Marc Rosset: „Ich habe Roger geliebt”

Auch nach seiner Karriere blieb Marc Rosset als Kommentator und Turnierdirektor dem Profitennis treu. Der 52-Jährige über seinen Olympiasieg, den Schweizer Nachwuchs und sein besonderes Verhältnis zu Roger Federer.

Herr Rosset, vor mehr als 30 Jahren gewannen Sie Gold bei Olympia. Welche Erinnerungen haben Sie an Barcelona 1992?

Ich habe ehrlicherweise gar nicht so viele Erinnerungen daran. Ich erinnere mich an das olympische Dorf und andere Dinge. Aber aufs Tennis bezogen, weiß ich kaum noch etwas.

Haben Sie das Dream-Team, rund um die US-Basketballer-Stars Michael Jordan und Magic Johnson, getroffen?

Nein, leider nicht. Ich war nicht mit dem Verantwortlichen des Schweizer Teams befreundet, denn jedes Mal, wenn ich nach Tickets gefragt hatte, um die Schweizer Athleten zu unterstützen, wurde mir dieser Wunsch verwehrt. Niemand hat Tickets bekommen. Aber ich habe es sehr genossen, im Dorf zu sein und mit den anderen Athleten der Schweiz Zeit zu verbringen und mit ihnen die verschiedenen Erfahrungen zu teilen. Was das Tennis betrifft, kann ich mich natürlich daran erinnern, wen ich besiegt habe (im Finale Jordi Arrese, d. Red.), aber nicht mehr so genau an die einzelnen Partien.

Wie war die Resonanz auf den historischen Sieg?

Das war eine andere Zeit. Es gab kein Internet, keine Smartphones. Ich war in einer eigenen Welt im Athletendorf, ich war der einzige Schweizer mit einer Medaille, aber irgendwie war ich nicht mit anderen verbunden.

Marc Rosset

Goldener Moment: Marc Rosset mit der Medaille um den Hals nach seinem Olympiasieg 1992 in Barcelona.

Marc Rosset: „Wusste, dass es etwas Besonderes war“

Es gab keine Rückmeldungen und Reaktionen?

Nein, weil man nicht einfach die Nachrichten lesen konnte und nicht mitbekam, wie die Menschen in seinem Land reagierten. Ich war sozusagen abgeschirmt. Das Finale in Barcelona war am Samstag, am Sonntag flog ich zurück und am Montag schon wieder nach Cincinnati. Vielleicht war das ein Fehler. Vielleicht hätte ich eine Woche Pause machen sollen, zuhause bleiben und es ein bisschen genießen. Als ich nach meinem Trip in die Staaten nach Genf zurückkam, habe ich schon gemerkt, dass ich ein Goldmedaillengewinner – der einzige der Schweiz – war. Ich wusste, dass es etwas Besonderes für alle war.

Wenn Sie auf Ihre Karriere zurückblicken, wissen Sie den Olympiasieg heute mehr zu schätzen als damals?

Vielleicht. Es ist etwas, das man bis an das Ende seines Lebens für sich behält. Egal, wohin man geht, ist man ein Olympiasieger und die Menschen wissen, dass man das geleistet hat.

Marc Rosset: „Federer war wie ein kleiner Bruder“

Sie haben Roger Federer etwas voraus. Er konnte die Goldmedaille im Einzel nicht gewinnen.

Wir hatten eine Abmachung. Als ich die Olympischen Spiele gewonnen habe, habe ich gesagt, dass er alles außer Olympia gewinnen kann (lacht). Im Ernst: Es war schade, dass er die Olympischen Spiele nicht gewinnen konnte. Ich hätte es mir gewünscht, dass er Olympia 2012 in London gewinnt. Es wäre 20 Jahre nach meinem Erfolg gewesen und es wäre etwas sehr Schönes gewesen, das mit ihm zu teilen. Ich bin wirklich nicht der Typ Mensch, der sagt, er möchte der Einzige sein, der Gold gewonnen hat.

Ihre Beziehung zu Federer ist bekanntlich eine besondere…

Ich weiß nicht, ob sie besonders war oder ist. Das erste Mal traf ich ihn in Ecublens, im nationalen Trainingszentrum. Ich hatte von dem jungen, sehr talentierten Jungen gehört und mich dazu entschieden, mit ihm zusammen zu trainieren. Es war lustig, denn er war so cool und entspannt. Und ich habe ihn von der ersten Minute an geliebt. Als ich so alt war wie er und mit Topprofis trainierte, habe ich mich sehr angestrengt und war angespannt, weil man sein Bestes versuchen möchte. Roger dagegen war komplett entspannt. Als wir zusammen im Davis Cup spielten, sorgte ich dafür, dass er das Zimmer neben mir bekam und wir miteinander reden konnten. Es gab damals nicht viele Schweizer auf der Tour und ich wollte sichergehen, dass er sich wie zuhause fühlt und ihm bei kleinen Dingen helfen. Wir fuhren zusammen Ski und er war wie ein kleiner Bruder für mich und ich am Anfang vielleicht so etwas wie sein großer.

Marc Rosset, Roger Federer

Verstanden sich schon 2003 prächtig: „Er war wie ein kleiner Bruder für mich“, sagt Rosset über Roger Federer (r.).

Seine Karriere ist nun zu Ende. Wie sehen Sie das Schweizer Tennis nach ihm? 

Ich glaube im Sport generell gibt es Kreisläufe. Im Fußball gibt es auch Teams, die an der Spitze stehen, dann Probleme haben und wieder an die Spitze kommen. Im Tennis war die USA lange eine große Nation mit Agassi und Sampras und dann verschwand sie ein bisschen. In Frankreich, Deutschland und Tschechien sieht es ähnlich aus. Manchmal kann man alles richtig machen, die besten Trainer und Strukturen haben. Aber es geht auch um glückliche Zufälle. Roger wurde in Basel geboren, er hätte auch Franzose oder Deutscher sein können. Aber zur Wahrheit gehört auch, dass die Schweiz eine kleine Nation mit vielen tollen Spielern und Olympia-Medaillenträgern ist. Den Davis Cup haben wir auch gewonnen (2014 in Lille gegen Frankreich, d. Red.).

Marc Rosset: „Glaube nicht, dass die Schweiz eine Sportnation ist”

Glauben sie, dass die Bedeutung von Tennis in der Schweiz abnehmen wird?

Nein. Als Roger aufgehört hat und Wawrinka sich schwertat, dachte jeder, es wäre zu Ende. Aber jetzt kommen Dominic Stricker und andere, die anfangen, gut zu spielen. Alle fünf Jahre kommt ein neuer Spieler oder eine neue Spielerin. Fragen Sie mich nicht wie oder warum.

Ist die Förderung von Talenten in der Schweiz Ihrer Meinung nach gut?

Als wir 2014 den Davis Cup gewannen, haben mich einige französische Spieler danach gefragt, wie es möglich ist, dass wir so viele gute Spieler haben. Und meine Antwort ist: Ich glaube nicht, dass die Schweiz eine Sportnation ist. Es wird nicht so viel Geld für den Sport ausgegeben. Hingis und Wawrinka haben es nicht wegen des Verbandes geschafft. Der einzige Spieler, der wirklich vom Verband unterstützt wurde, war Roger. Aber er wäre auch an allen anderen Orten der Welt zu dem Spieler geworden, der er heute ist. Mir hat der Verband auch nicht geholfen. In der Schweiz ist es durchaus kompliziert, einen Durchbruch zu schaffen. Die Verbände haben nicht das größte Budget, können einem aber den Rücken stärken. Als ich jung war, hat es lange gedauert, zum nationalen Trainingszentrum zu gelangen. Wenn man diese Art von Dingen durchsteht, wird man stärker. Und ich denke, dass das der Grund ist, warum die Schweiz nicht so viele Nachwuchsspieler hat. Aber die, die es schaffen, sind mental stark und dadurch auf dem Platz sehr gut.

Marc Rosset: „Zverev ist der beste Spieler der nachrückenden Generation“

Hat die Schweiz gute Trainer?

Wir haben zwar gute Trainer, aber gleichzeitig ein geringes Budget verglichen mit Ländern wie Frankreich, die durch Roland Garros einen millionenschweren Vorteil haben. In Amerika haben sie das System geändert und können nun mehr Spielern die Möglichkeit geben, Profis zu werden. Aber diese Änderungen brauchen zehn, fünfzehn Jahre Zeit. Erst dann kommen die Ergebnisse.

Wie ist Ihre Meinung zu den Big-Three und wie sehen Sie die GOAT-Debatte?

Es kommt darauf an, was einem am wichtigsten ist. Wenn es die Anzahl der Grand Slams ist, sind Nadal und Djokovic die Besten. Wenn es der Spieler mit dem größten Einfluss auf den Sport ist, dann ist es für mich Roger. Vieles davon, was den Sport jetzt ausmacht, zum Beispiel die hohe Aufmerksamkeit und die Preisgelder, haben wir ihm zu verdanken. Im Basketball gibt es auch die Unterscheidung zwischen der Zeit vor und nach Michael Jordan. Die Menschen, die Federer lieben, sagen, es ist Federer, die Menschen, die verrückt nach Novak sind, sagen, es ist Novak. Die Menschen, die Nadal mögen, sagen, er hat alles gewonnen. 

Wenn sie die Generation um Federer, Nadal und Djokovic mit Ihrer vergleichen – wie fällt ihr Urteil aus?

Das ist schwierig. Tennis und jede Sportart verbessern sich. Die physischen Bedingungen, jeder Aspekt des Spiels entwickelt sich weiter. Das einzige, das ich im Tennis im Moment nicht mag, ist die 32er-Setzliste bei den Grand Slam-Turnieren. Ich denke, das macht die Aufgabe etwas zu leicht für die Stars. Zu meiner Zeit konnte man als an 17 Gesetzter in der ersten Runde zum Beispiel auf Agassi treffen. Man musste immer bereit sein. Heutzutage sieht man, dass die Topspieler einen unglaublichen Vorteil bei den Majors haben. Stellen Sie sich vor, Federer müsste auf dem Weg zum Wimbledon-Titel Stich, Sampras, Becker und Ivanisevic in fünf Tagen schlagen. Mit dem 32er-Feld ist man als gesetzter Spieler geschützt. 

Wer ist für Sie der beste Spieler der nachrückenden Generation?

Zverev. Wenn er innerhalb des Platzes aggressiv spielt, ist er für mich bei weitem der dominanteste Spieler. Wenn er so spielt wie gegen Nadal in Roland Garros, kann er jeden Spieler dominieren. Er hat Roger und Djokovic bei den ATP-Finals geschlagen, serviert Geschosse, er kann sich an der Grundlinie wie Djokovic bewegen und er kann den Ball jederzeit beschleunigen. Er deckt den Platz wie Djokovic ab. Wenn er aggressiv spielt, liegt das Ergebnis des Matches in seiner Hand. Ich liebe diesen Typen. Und für seine Größe bewegt er sich unglaublich. Es ist sehr lustig, denn wenn man sich Tsitsipas, Medvedev und Zverev anschaut, bewegt sich Zverev für seine Größe am besten und dazu kommt noch sein Aufschlag. Ich hoffe, er erholt sich von seiner Verletzung.

Marc Rosset: „Tatsächlich hat mir mein Freund das Leben gerettet”

Tauchen wir noch einmal in Ihre Biografie ein: US Open 1998, Sie hatten ein Ticket für den Swiss Air-Flug 111 und stiegen nicht in das Flugzeug, das dann abstürzte. Haben Sie Erinnerungen an diesen Tag?

Ich habe so viele falsche Geschichten darüber gehört. Es war so: Ich verlor in der ersten Runde und wollte eigentlich bei den US Open bleiben, um zu trainieren, aber wenn man in der ersten Runde verliert, ist es schwierig, einen Trainingsplatz zu bekommen. Ich habe schnell gemerkt, dass es keinen Sinn hatte, in New York zu bleiben. Also habe ich mich dazu entschieden, nach Hause zu fliegen. Ich ging ins Hotel und rief die Fluglinie an, um zu reservieren, ich war dabei, meine Koffer zu packen, als mich ein guter Freund aus New York anrief und mich einlud, mit ihm essen zu gehen. Ich sah die ganze Unordnung in meinem Zimmer, hatte keine Lust aufzuräumen und sagte zu. Tatsächlich hat mir mein Freund das Leben gerettet. Denn wenn er mich nicht angerufen hätte, hätte ich meine Koffer zuende gepackt und wäre zum Flughafen gefahren.

Heute kommentieren Sie Spiele fürs Fernsehen. Was tun Sie sonst noch?

Ich arbeite mit Rainer Schüttler für das ATP 250-Turnier in Genf. Es ist eine tolle und interessante Erfahrung. Es ist etwas, das ich schon mal mit der ATP diskutieren wollte. Ich kann mich erinnern, wie ich selbst als Profi Turniere wahrgenommen habe. Manchmal habe ich mich wie ein Idiot benommen. Wenn man für das Turnier arbeitet, tut man dies 365 Tage für eine Woche. Man muss so viele Dinge organisieren, um die Spieler zufrieden zu stellen und ihnen das beste Turnier zu bieten. Und als ich damit angefangen habe, habe ich gedacht, dass es hilfreich wäre, wenn die jungen Spieler eine Woche bei der Organisation eines Turniers dabei sein müssten, um zu begreifen, wie viel Mühe sich die Organisatoren für so ein Event geben. Dann würden sie das vielleicht mehr wertschätzen und sich besser benehmen. Oft sehe ich Spieler, die das alles für selbstverständlich und normal ansehen – wie ich damals. Sie nehmen alles in Anspruch, spielen und reisen zum nächsten Turnier. Es wäre eine interessante Erfahrung für sie, es aus unserer Perspektive zu sehen. Wir sind ein tolles Team. Wir versuchen, das Beste für die Spieler zu erreichen. Als ehemalige Spieler wissen Rainer und ich genau, was die Spieler brauchen.

Spielen Sie selbst noch oft?

Während des Lockdowns habe ich viel gespielt, denn mein Freund hat einen Privatplatz. Ich spiele jetzt aber mit links. Denn ich habe gemerkt, dass ich mit rechts nie wieder so spielen werde wie zuvor. Ich lege auch mehr Wert auf meine Ernährung. Ich habe mir professionelle Meinungen eingeholt und es als Herausforderung gesehen abzunehmen. Es ist cool, ich habe jetzt auch weniger mit Rückenbeschwerden zu kämpfen. Ich genieße es wieder, Tennis zu spielen. Und wissen Sie was: Ich habe endlich eine gute Rückhand.

Marc Rosset

Gefürchteter Aufschläger: Rosset servierte 6.212 Asse in 645 Profimatches.

Vita Marc Rosset

Der Schweizer, 52, begann sein Profikarriere 1988. Sein größter Triumph war der die olympische Goldmedaille 1992, als er sich in Barcelona in fünf Sätzen gegen Jordi Arrese durchsetzte. Mit seinem Landsmann Jakob Hlasek gewann er im selben Jahr die French Open im Doppel. Mit seinen 2,01 Metern Körpergröße war er einer der gefürchtetsten Aufschläger der Tour. Rosset war von 2002 bis 2005 Kapitän der Schweizer Davis Cup-Mannschaft. 2005 verabschiedete er sich mit seinem Auftritt im Doppel bei den „Swiss Indoors“ in Basel vom Profitennis. In seiner Karriere erspielte er sich ein Preisgeld von rund sieben Millionen US-Dollar. Heute ist er Kommentator beim Westschweizer Fernsehsender „Radio Télévision Suisse“ und leitet zusammen mit Rainer Schüttler das ATP-250er-Turnier in Genf. Rossets beste Weltranglistenplatzierung im Einzel: 9.

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