Keine Zeit zum Genießen: Laura Siegemund und der Fluch des Tennissports
Laura Siegemund steht erstmals in der dritten Runde in Wimbledon. Den Moment zu genießen, hat für die 37-Jährige inzwischen oberste Priorität.
Auch im Alter von 37 Jahren erlebt Laura Siegemund immer noch Premieren. Die Tour-Veteranin steht erstmals in der dritten Runde von Wimbledon nach einem überzeugenden 6:2, 6:3-Sieg gegen die an 29 gesetzte Leylah Fernandez (Kanada).
„Endlich mal. Ich habe in der Vergangenheit einige gute Matches in Wimbledon gespielt, letztes Jahr in der zweiten Runde gegen Elena Rybakina. Da habe ich mich gut präsentiert. Für die dritte Runde hat es irgendwie trotzdem nicht gereicht. Das ist eine zusätzliche Motivation in dem Alter, wenn man Dinge erreicht, die man vorher nicht erreicht hat. Das war jetzt für mich eine Belohnung, weil ich das Gefühl habe, dass ich dies auf Rasen schon länger drauf gehabt habe“, sagte Siegemund über ihre Premiere in Wimbledon.
Siegemund will nicht wissen, gegen wen sie spielt
Den Namen ihrer nächsten Gegnerin wollte Siegemund, wie es bei ihr üblich ist, nicht wissen. Da ihre aktive Vermeidungsstrategie nicht bei allen Reportern bekannt ist, kam daher die gewohnte Frage nach ihrer nächsten Gegnerin: die amtierende Australian-Open-Siegerin Madison Keys.
„Im Tennis hat man im Kleinen und Großen viel zu wenig Zeit hat, den Moment kurz genießen zu können. Kaum nach dem verwandelten Matchball, wenn der Stolz und die Freude aus mir herausbricht, wird man schon auf die nächste Runde angesprochen. Die nächste Runde interessiert mich in dem Moment absolut null, weil ich mir es gönne, einfach mal den Sieg abfeiern zu können. Bei mir ist es so, wenn ich dann den Namen der nächsten Gegnerin höre, geht bei mir sofort die Mühle im Kopf an. Dann denke ich mir: ‚oh, taffes Los‘. Solche Gefühle brauche ich doch gar nicht. Den Namen kann ich auch erst paar Stunden später erfahren oder am liebsten erst am nächsten Tag“, erklärte Siegemund ihre Strategie.
Siegemund: „Das ist der Fluch des Sports”
Viel Zeit zum Genießen bleibt im schnelllebigen Tennissport nicht, auch nicht nach Turniersiegen. Schnell holt der Tour-Alltag einen wieder ein, weiß die 37-Jährige zu berichten.
„Sonntag gewinne ich das Doppelturnier in Nottingham, und in der Nacht bin ich schon auf dem Weg nach Bad Homburg, um dort am nächsten Tag erste Runde im Einzel zu spielen. Es ist im Tennis leider so, dass es null Zeit gibt, den Moment zu genießen. Das ist der Fluch dieses Sports. Solche Momente nehme ich mir dann raus und denke mir: ‚Bitte sagt mir nicht, gegen wen ich als Nächstes spiele.‘ Ich möchte mal eine Sekunde genießen, ohne sofort gleich in die Zukunft zu schauen“, sagte Siegemund.
Siegemund: Aufstehen in der Nacht nach Doppeltitel
Nachdem sie an der Seite von Beatriz Haddad Maia den Doppeltitel in Nottingham gewann, blieb keine Zeit, um den Titelgewinn auszukosten. Am nächsten Tag musste die Deutsche im Einzel beim Heimturnier in Bad Homburg antreten, auch wenn ein Einstieg ins Turnier einen Tag später wohl möglich gewesen wäre.
„Das Turnier hat sich quer gestellt“, beschwerte sich Siegemund in Bad Homburg, nachdem sie „nach zwei Stunden Schlaf“ klar gegen Victoria Azarenka verlor. Nach der Niederlage berichtete sie davon, wie ihre Anreise nach Bad Homburg aussah: Aufstehen um zwei Uhr nachts, dann eine Stunde im Bus zum Flughafen. Gegen 10 Uhr sei sie in Bad Homburg angekommen, sie habe sich dann eine Stunde hingelegt, kurz vor ihrem Match trainiert. „Schlechter kann man sich nicht vorbereiten. Also auf gut Deutsch, da kann man nicht gewinnen“, erzählte Siegemund.
Der Fall von Siegemund ist leider kein Einzelfall im Tennis. Die Momente des Genießens sind kurz. Umso mehr sollte man sie auskosten.