2016 US Open – Day 4

NEW YORK, NY - SEPTEMBER 01: Alexander Zverev of Germany reacts against Daniel Evans of Great Britain during his second round Men's Singles match on Day Four of the 2016 US Open at the USTA Billie Jean King National Tennis Center on September 1, 2016 in the Flushing neighborhood of the Queens borough of New York City. (Photo by Elsa/Getty Images)

US Open-Tagebuch: Alexander Zverev & der Davis Cup

In seinem US Open-Tagebuch berichtet unser Reporter Felix Grewe vom letzten Grand Slam-Turnier des Jahres aus New York.

Zu meinen morgendlichen Routinen in New York gehört ein Besuch bei Ranjid. Der junge Inder betreibt einen kleinen mobilen Kiosk in der Nähe vom Grand Central und verkauft mir jeden Morgen die New York Times. Während ich die paar Dollar zusammensuche, fragt er mich immer nach meinen Prognosen für den Tag. Seit er meine Akkreditierung entdeckt hat, hält er mich für so etwas wie einen Tennispapst. Ranjid ist nämlich ein leidenschaftlicher Fan. Er spielt zwar nicht selbst, aber er kennt sich verdammt gut aus. Die Niederlage von Alexander Zverev gestern Abend gegen Daniel Evans – nun nicht gerade die ganz großen Namen für einen indischen Amerikaner – verfolgte er bis Mitternacht am Fernseher. Sein Lieblingsspieler ist Leander Paes, „eine Legende bei uns in Indien“, sagt er. Als ich ihm erzähle, dass ich sein Idol letztes Jahr in Wimbledon zum Interview traf, fällt er mir fast um den Hals. Auf der Anlage in Flushing Meadows war Ranjid noch nie. „Ich muss ja immer arbeiten, viel und lange. Außerdem sind die Tickets zu teuer. Meine Kinder haben viel Hunger“, sagt er und lacht. Eines Tages, davon träumt er, werde er es möglich machen, endlich seine US Open zu besuchen.

Jürgens Kalender-Grand Slam

Um 11 Uhr treffe ich den nächsten Tennisverrückten. Jürgen, 34, aus Deutschland. Er hat in diesem Jahr alle vier Major-Turniere besucht – Glückwunsch zum Kalender-Grand Slam! Seit 1999, damals war Jürgen zum ersten Mal bei den French Open vor Ort, reist er ständig durch die Welt und verbringt viele Urlaube in Melbourne, Paris, Wimbledon und New York. In Flushing Meadows ist er schon zum fünften Mal. Der Mann hat alles gesehen! Und er liest seit 25 Jahren tennis MAGAZIN. Alles fing mit Michaels Stichs Wimbledon-Sieg 1991 an. Kommt mir bekannt vor.

Ein Treffen mit Michael Kohlmann

Am „Food Court“ hinter Platz 12 bin ich mit Michael Kohlmann verabredet. Wir plaudern ein wenig über die deutsche Herrenbilanz, die ihn – welch’ Überraschung – wenig erfreut. Kein DTB-Profi in Runde drei. Vor allem von Alexander Zverev hatte man sich mehr erwartet. Vielleicht zu viel? Ist der ganze Hype um Super-Alex übertrieben? „Nein, aber so ein Spiel zeigt, dass er noch nicht so weit ist, wie viele denken“, sagt Kohlmann. Er hatte die Niederlage im Vorfeld für möglich gehalten. „Evans ist einer, den man nicht auf dem Schirm hat, der aber schon seit Jahren richtig gut spielt“, sagt er. Und er analysiert ein entscheidendes Problem von Zverev: Die fehlende Bereitschaft, sein Spiel den Umständen und vor allem wenn nötig der Spielweise des Gegners anzupassen. So wie gegen Slice-Maschine Evans, als Zverev bei kurzen unterschnittenen Bällen oft mittelos war. „Er hat ein spezielles Muster und tut sich schwer, dieses abzulegen. Er könnte mehr Matches gewinnen, er hat alle Möglichkeiten. Aber das ist eine Frage der Zeit, des Reifeprozesses“, sagt Kohlmann.