Victor Estrella Burgos

Victor Estrella Burgos: Aufstieg in eine neue Welt

Wenn Deutschland vom 18. bis 20. September in der Dominikanischen Republik um den Verbleib in der Weltgruppe kämpft, ruhen die Hoffnungen der Gastgeber vor allem auf Victor Estrella Burgos. Er ist der erste Profi aus der Dominikanischen Republik in den Top 100 – mit einer bewegten Vergangenheit. Wir trafen den 34-Jährigen.

Man kennt den amerikanischen Traum aus diversen Hollywood-Streifen. Menschen, die sich aus den untersten sozialen Schichten bis ganz nach oben kämpfen – weil sie ihre Ziele nie aus den Augen verlieren. Weil sie immer an ihren Erfolg glauben, egal, was andere sagen. Und weil sie hart arbeiten. Vom Tellerwäscher zum Millionär – die uralte Geschichte.
Der Vergleich passt zu Victor Estrella Burgos wie der berühmte Deckel auf den Topf. Ein Mann aus der Dominikanischen Republik, aufgewachsen in ärmlichen Verhältnissen, der ausgerechnet bei den US Open im letzten Jahr seinen Traum verwirklichte, nach zwölf zähen Jahren auf der Profitour endlich den Durchbruch schaffte und erstmals bei einem Grand Slam-Turnier die dritte Runde erreichte.

Traumlauf bei den US Open 2014

Citi Open-Day Two

Der beste Profi aus der Dominikanischen Republik: Victor Estrella Burgos.

Dienstag in der ersten Turnierwoche 2014 in New York: Als ältester Debütant aller Zeiten in Flushing Meadows gewinnt Estrella Burgos, 34, in Runde eins gegen Igor Sijsling sein erstes Match auf Major-Ebene. Erst Ende Mai in Paris stand er erstmals im Hauptfeld eines Grand Slam-Turniers. Zuvor waren vor allem Challenger- und Future-Turniere seine Welt. Salinas in Ecuador statt Shanghai, Morelos in Mexiko statt Monte Carlo, Bucaramanga in Kolumbien statt Barcelona.

Zwei Tage später: Estrella Burgos kämpft am frühen Abend auf Court 5 in seiner  Zweitrundenpartie gegen den halb so alten Borna Coric (17) aus Kroatien, als würde er um sein Leben spielen. Krachende Aufschläge, die Vorhand mit viel Power und Topspin, die Rückhand fast ausschließlich mit Slice. Er wirkt zwischendurch müde, aber er läuft und läuft und läuft. Am Platzrand singen, jubeln und schreien dutzende Landsmänner. Und am Ende gewinnt tatsächlich der Mann aus der Karibik – 7:6, 4:6, 6:4, 6:2. Nach dem Matchball umarmt er tränenüberströmt seine Fans, er klatscht jeden einzelnen ab, Selfies werden geknipst, Videos gedreht. Auch die New Yorker feiern ihn wie einen Einheimischen. Estrella Burgos ist in diesem Moment der glücklichste Mensch auf der Welt.

Der harte Kampf ohne finanzielle Mittel

Es ist vor allem die Geschichte hinter der Geschichte, die einen beeindruckt. Als Neunjähriger schlägt der kleine Victor, den sie alle „Vito“ nennen, die ersten Bälle – zuhause in Santiago de los Cabelleros, der zweitgrößten Stadt der Dominikanischen Republik. Tennis ist dort so populär wie der karibische Volkssport Baseball hierzulande. Aber „Vito“ bringt ein großes Talent mit und entscheidet sich, Profi zu werden, der erste seiner Heimat. 2002, im Alter von 22 Jahren, wagt er den Schritt auf die Tour – ohne finanzielle Mittel. Mutter und Vater können ihn nicht unterstützen, sie verdienen wenig und haben neben Victor noch drei weitere Kinder. Aus Kostengründen spielt er vor allem Events in Mittel- und Südamerika – erfolglos. 2003 schafft er für kurze Zeit den Sprung unter die besten 1.000 Profis der Welt. Von einer großen Karriere und hohen Preisgeldern ist er weit entfernt. Drei Jahre später, 2005, zieht Estrella Burgos nach Florida, arbeitet dort als Trainer und fungiert als Berater des Davis Cup-Teams von Puerto Rico. Sein großer Traum: zunächst ausgeträumt.