Tennis: Wimbledon Championships

Fortsetzung heute: Taylor Fritz konnte sein Wimbledon-Match gegen Giovanni Mpetshi Perricard nicht am Montagabend zu Ende bringen. Bild: Imago

Warum in Wimbledon Matches um spätestens 23 Uhr abgebrochen werden

Das gibt es bei keinem anderen Grand-Slam-Turnier: In Wimbledon darf nach 23 Uhr nicht mehr gespielt werden. Hier erfahrt ihr, warum das so ist.

Alexander Zverev hatte den zweiten Satz mit einem Kraftakt für sich entschieden und am Montagabend in seinem Erstrunden-Match von Wimbledon gegen den Franzosen Arthur Rinderknech so gerade noch den Satzausgleich geschafft. Dreimal hatte Rinderknech die Chance gehabt, auf 2:0 Sätze davonzuziehen, aber Zverev biss sich durch und riss beim Zwischenstand von 6:7 (3:7) und 7:6 (10:8) die Arme hoch – als ob er die Partie schon gewonnen hätte. Aber das Match war noch lange nicht vorbei. Ganz im Gegenteil: Es wurde um 22:54 Uhr abgebrochen und wird am heutigen Dienstag fortgesetzt. Der Grund: Die Sperrstunde (englisch: „curfew“), die Wimbledon 2009 eingeführt hatte. Warum aber gibt es diese Regelung in Wimbledon?

Der All England Lawn Tennis and Croquet Club (AELTC) liegt mitten im Londoner Stadtteil Wimbledon. Mit der Fertigstellung eines Dachs für den Center Court 2009 inklusive Flutlicht war klar, dass man von nun an keine Matches mehr aufgrund von Dunkelheit abbrechen müsse, sondern theoretisch die ganze Nacht durchspielen könnte. Da dies allerdings die Nachtruhe der Anwohner stören würde, gingen die Veranstalter mit den Ortsansässigen einen Deal ein: Um 23 Uhr ist Schluss mit Tennis in Wimbledon.

„Wir haben immer gesagt, dass diese Vorkehrungen mit Diskretion getroffen werden sollten, daher war ich froh, dass Flexibilität und gesunder Menschenverstand die Oberhand behielten, denn wir haben sowohl den Anwohnern als auch dem Tennissport gegenüber einer Verpflichtung.“, sagte Gemeinderatsvorsitzender Stephen Alambritis damals. Eine Rolle spielte bei dem Agreement auch die Londoner U-Bahn: An Werktagen stellt die „Underground Tube“ um Mitternacht Ortszeit ihren Dienst ein. Fans, die das Wimbledon-Gelände verlassen, können nach Mitternacht keine öffentlichen Verkehrsmittel mehr benutzen, so dass die Sperrstunden-Regel ihnen Zeit lässt, nach dem Turnier nach Hause zu kommen. Die nächstgelegene U-Bahn-Station ist etwa 15 Minuten Fußweg vom AELTC entfernt.

Wimbledon-Curfew: Wann bricht man ein Match ab?

Dass ein Match also nicht länger als bis 23 Uhr dauern darf, ist mittlerweile Fans und Profis bewusst. Worüber es jedoch immer wieder Diskussionen gibt, ist der genaue Zeitpunkt, wann ein Match abgebrochen wird. Spielt man so lange wie möglich oder stoppt man nach einem beendeten Satz?

Darüber diskutierten auch Taylor Fritz (USA) und Giovanni Mpetshi Perricard (Frankreich) am gestrigen Montag, nachdem Fritz um 22:15 Uhr zum 2:2 nach Sätzen ausgeglichen hatte und ein fünfter Durchgang die Entscheidung bringen musste. Fritz, der schon mit 0:2 Sätzen zurücklag, hatte das Momentum auf seiner Seite  und wollte den entscheidenden Durchgang unbedingt sofort beginnen – Perricard aber sprach sich für einen Abbruch aus. So entschieden dann auch die Verantwortlichen – zum Ärger von Fritz. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte nur ein Satz der Partie länger als die 45 Minuten gedauert. Die beiden Aufschlagspezialisten hätten diesen einen Durchgang beim Zwischenstand von 7:6, 7:6, 4:6, 6:7 also durchaus in der noch übrig gebliebenen Zeit zu Ende spielen können. Wenn nicht, hätte man das Match mitten im Satz unterbrechen müssen, etwa bei 5:5. Den Organisatoren war das zu heikel, deswegen der Abbruch.

 

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Nicht nur Fritz war bedient. Auch die Fans waren unzufrieden und pfiffen lautstark, als die beiden Akteure den Court No.1 verließen. „Sie haben ein Dach, sie haben Flutlicht und stoppen trotzdem 40 Minuten vor der Sperrstunde. Unfassbar!“, las man gestern in den sozialen Medien. Die Partie wird nun heute als zweites Match nach 13:00 Uhr (britischer Zeit) auf dem Court No.1 fortgeführt. Zverev bestreitet das zweite Match nach 13:30 Uhr (britischer Zeit) auf dem Centre Court.

Warum startet man auf dem Wimbledon-Center Court nicht früher?

Anders als auf den anderen Plätzen starten die Matches auf Hauptplätzen von Wimbledon erst um 13:30 bzw. 13:00 Uhr. Mit einem früheren Start würde sich die Anzahl der abgebrochenen Matches minimieren. Warum dort die Matches trotzdem später beginnen, begründet der CEO des AELTC, Sally Bolton, so: „Wenn Leute eine Eintrittskarte für Wimbledon kaufen, möchten sie einen ganzen Tag bei den Championships erleben. Dazu gehört, dass sie sich ein paar Spiele auf den Außenplätzen ansehen und vielleicht etwas essen gehen oder Erdbeeren mit Sahne kaufen. Wir verstehen, dass unsere Gäste den ganzen Tag erleben möchten.“

Eigentlich befolgt Wimbledon die Ausgangssperre immer strikt und überschreitet die 23 Uhr-Marke nie – bis auf ein einziges Mal. 2012 beim Achtelfinal-Match von Lokalmatador Andy Murray gegen Marcos Baghdatis machten die Veranstalter eine Ausnahme: Um exakt 23 Uhr stand es 5:1 im vierten Satz für Murray, der dann noch sein letztes Aufschlagspiel durchbringen durfte und mit 7:5, 3:6, 7:6, 6:1 gewann. Die Partie endete um 23:02 Uhr.

Dass die Sperrstunde bald Geschichte ist oder die Matches auf den zwei größten Courts früher beginnen, ist unwahrscheinlich. Wimbledon lebt von seinen Traditionen und wird sie auch in den kommenden Jahren nicht aufgeben. Es ist eben ein besonderes Turnier, dieses Wimbledon.