Tennis in Kroatien: kleines Land, viele Stars
Kroatien ist eines der beliebtesten Urlaubsziele in Europa. Gleichzeitig ist der Vier-Millionen-Einwohner-Staat eine starke Tennisnation. Wer sind die Spieler und warum ist das kleine Land so gut?
Als die inzwischen verstorbene Trainerlegende Niki Pilic 2005 mit Kroatien in der Slowakei den Davis Cup gewann, wurde er von den Journalisten in Bratislava gefragt, warum Kroatien so gut im Tennis sei. Immerhin ist die Republik erst seit 1991 unabhängig. In ganz Kroatien leben ungefähr so viele Menschen wie in Berlin – vier Millionen.
Lächerlich wenig im Vergleich zu Deutschland, Frankreich, Spanien oder Italien. Niki Pilic, selbst Kroate aus Split und in seiner aktiven Zeit, die bis Ende der 70er-Jahre reichte, zu Glanzzeiten die Nummer fünf der Welt, lächelte und sagte: „Wir haben ein Bewegungstalent und unser Essen ist gut.“

Blick von oben: das Weltklasse Tennis Camp auf Bol in Kroatien.
Fakt ist, dass man in Kroatien fast das ganze Jahr draußen Tennis spielen kann. Das „Land der tausend Inseln“ hat tausende von Tennisplätzen. Vor allem im nördlichen Istrien – ob in Umag, Novigrad, Porec, Vrsar, Rovinj oder Rabac – ist die Dichte der Courts vor allem mit roter Asche, die in der Regel eine sehr gute Qualität haben, hoch.
Traditionell ist das ehemalige Jugoslawien eine Tennisnation. Das war zu Zeiten von Pilic so. Später folgte etwa Zjelko Franulovic, der viele Jahre Europachef der ATP war und beim Masters 1000-Turnier in Monte Carlo als Turnierdirektor fungierte.
Kroatien: Vier Top Ten-Spieler aus der gleichen Straße
Wer erinnert sich nicht an den ehemaligen Doppelpartner von Boris Becker, Slobodan „Boba“ Živojinović, der allerdings Serbe ist? Damals spielten alle unter der Flagge Jugoslawiens. 1985 schlug Boba John McEnroe im Viertelfinale der Australian Open. Die Bilder, wie sich Big Mac mit dem Schiedsrichter stritt, während Živojinović völlig entspannt in der Loge ein Sandwich aß, gingen in die Tennisgeschichte ein.
Wer für das kroatische Tennis steht und stand wie kein anderer, ist Goran Ivanisevic. „Der Schläger ist meine Waffe“, sagte er einmal. Da trug er ein Bandana mit den kroatischen Nationalfarben und hatte sich den Schädel kahl geschoren. Es schien, als wollte Goran allein die Unabhängigkeit für sein Land gewinnen.
Legendär ist auch die Geschichte, dass vier Top Ten-Spieler Kroatiens in einer Straße in Split geboren wurden. Sie liegt nahe des Tennisclubs, wo sie alle aufwuchsen, am bekannten Strand Bacvize. Vier Top Ten-Spieler aus der gleichen Stadt wäre schon sensationell, aber aus einer Straße! Es sind: Niki Pilic, Zjelko Franulovic, Goran Ivanisevic und Mario Ancic.
Goran Ivanisevic: der personifizierte Tennisboom im Kroatien
Als Ivanisevic 2001 in Wimbledon im Finale gegen Patrick Rafter siegte, schrieb ihm sein früherer Manager Ion Tiriac: „Goran, ich habe nie verstanden, dass du Wimbledon nicht früher gewonnen hast und ich werde nie verstehen, dass du jetzt gewonnen hast.“
Zur Erinnerung: Ivanisevic war die Nummer 144 der Welt und konnte nur mit einer Wildcard starten. Die anderen Male, die Tiriac ansprach: 1992 war Ivanisevic der Favorit im Finale gegen Andre Agassi, aber der Kroate verlor in fünf Sätzen. In den Wimbledon-Endspielen 1994 und 1998 (damals mit Vollbart) war Pete Sampras zu stark für Goran.

Goran Ivanisevic gewann mit einer Wildcard den Wimbledontitel – einmalig im Tennis.Bild: Imago
Ivanisevic ist das für Kroatien, was Becker für Deutschland war: der personifizierte Tennisboom. Eine andere Parallele der beiden: Auch Ivanisevic kam in eine finanzielle Schieflage, als er sich mit Immobilien verzockte. Aber die Strahlkraft im Tennis bleibt für den späteren Trainer von Novak Djokovic ungebrochen. In Ivanisevics Fahrwasser entstanden Dutzende von Karrieren: 1997 schlug Iva Majoli im Finale von Paris die favorisierte Martina Hingis.
Ein paar Jahre später nahm die Karriere von Mirjana Lucic Fahrt auf, von der es hieß, sie könne mit ihrer Urgewalt Löcher in den Rasen von Wimbledon schlagen. Lucic wurde allerdings nur die Nummer 20 der Welt. Majoli schaffte es bis auf Platz vier und der berühmt Hollywood-Produzent Arnon Milchan (u.a. „Pretty Woman“, „L.A. Confidential“, „Es war einmal in Amerika“) wollte sie zum Filmstar machen.
Kroatien: Das „längste” Davis Cup-Team
Bei den Herren kamen während und nach der Karriere von Ivanisevic viele kroatische Spieler zu Meriten. Ivan Ljubicic wurde die Nummer drei der Welt. Er trug zu Beginn seiner Karriere stets ein Foto von Ivanisevic in seiner Tennistasche – als Motivation. Auf Grand Slam-Ebene reichte es nur zu einem Halbfinale – 2006 in Paris.
Mario Ancic schaffte das Kunststück, den hochfavorisierten Roger Federer 2002 in der ersten Runde in Wimbledon zu besiegen. Ancic, der heute Anwalt ist, gehörte wie Ivo Karlovic zum glorreichen Davis Cup-Team von 2005.

Kroatien gewann den Davis Cup 2005, v.li.: Ivo Karlovic, Goran Ivanisevic, Teamchef Niki Pilic, Mario Ancic und Ivan Ljubicic.Bild: Imago
Damals gab es noch so eine schöne kroatische Anekdote. Es war das „längste“ Davis Cup-Team der Tennishistorie: Coach Pilic (1,91 m), Ivanisevic (1,93 m), Ljubicic (1,93), Ancic (1,96 m) und Karlovic (2,11 m).
Und dann gibt es ja auch noch Marin Cilic. Von der Körpergröße allemal – der Mann aus Medjugorje misst 1,98 Meter. Das Highlight seiner Karriere: 2014 schlug er im Finale der US Open Kei Nishikori. Betreut wurde er dabei übrigens von – Goran Ivanisevic.

