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Indian Wells, United States. 12 March, 2017. Caroline Wozniacki in action at the 2017 BNP Paribas Open WTA Premier Mandatory tournament © Jimmie48 Photography

Interview mit Sascha Bajin: „Ich wollte damals mehr”

Aleksandar, genannt „Sascha“, Bajin (32) hatte selbst Profi-Ambitionen. Der Münchner mit serbischen Wurzeln stand mit 15 Jahren auf Platz 35 der europäischen Jugend-Rangliste, als sein Vater, der zugleich sein Trainer war, bei einem Autounfall ums Leben kam und nichts mehr wie vorher war. Er hatte sich schon damit abgefunden, für Iphitos München an eins in der Regionalliga aufzuschlagen und Trainer zu werden – als ein anderer Münchner, Jovan Savic, 2007 den Job als Hitting-Partner von Serena Williams aufgab, weil er sich nicht  mit seiner Familie vereinbaren ließ. Savic schlug den jüngeren Bajin vor, der im Williams-Clan berühmt wurde; seine E-Mail-Adresse beginnt noch immer mit: swhitter@… Inzwischen arbeitete er – mit mehr Verantwortung – auch für Victoria Azarenka und Sloane Stephens. In diesem Februar verpflichtete ihn Caroline Wozniacki, die mit ihm bei vier Turnierteilnahmen drei Finals (Doha, Dubai, Miami) und ein Viertelfinale (Indian Wells) erreichte.

Aus der tennis MAGAZIN-Ausgabe 5/2017

Wollte mich weiterentwickeln

Gehen wir chronologisch vor: Wie kam es zu der Trennung zwischen Ihnen und Serena Williams nach den Australian Open 2015?

Ich wollte damals mehr.

Wie bitte?

(lacht) Nicht privat! Beruflich! Wir hatten diese acht Jahre zusammen und ich wollte mich weiterentwickeln. Sie hatte ja Patrick Mouratoglou. Ich konnte in meiner Professionalität nicht wachsen. Serena und ich haben uns unterhalten, sie verstand es. Sie meinte, ich solle meinen Weg gehen. Aber es war nicht einfach, der Nummer eins der Welt und einer der größten Sportlerinnen aller Zeiten zu sagen, dass ich etwas anderes machen will. Wenn es mir ums Geld gegangen wäre, wäre ich mit Serena alt geworden.

Wie kam dann das Engagement mit Victoria Azarenka zustande?

Ich wusste nicht, was kommt. Ich bin nicht der Typ, der hinter dem Rücken schaut und schon mit einer anderen Spielerin etwas ausmacht. Vika sah, dass ich nicht in Australien bin,  und hat direkt gefragt: „Hey, wie sieht es aus? Warum bist du nicht da?“ In Melbourne fehlte ich noch wegen einer Rückenverletzung, aber als es dann mit Serena offiziell beendet war, hat Vika noch mal nachgefragt. Unser erstes Turnier war dann Indian Wells im März 2015.

Sascha Bajin

Mit Sascha Bajin als Trainer gewann Victoria Azarenka 2016 das Turnier in Brisbane und das „Sunshine Double“ (Indian Wells und Miami).

Bei Serena war alles automatisiert

Übernahmen Sie in Azarenkas Team mehr Verantwortung und waren nicht „nur“ der Hitting-Partner?

Ja, wir waren zum Beispiel einen Monat in Aspen zur Vorbereitung mit Höhentraining, nur mit einem Konditrainer. Wir waren im Sommer zehn Wochen komplett allein, auch in Wimbledon, als sie damals knapp im Viertelfinale gegen Serena verlor – da war ihr Headcoach Wim Fissette in Elternzeit. Als Trainer bekommst du mehr Lorbeeren ab, wenn es gut läuft. Während eines Matches sind meine Hände aber auch schwitziger. Vika hatte mir am Anfang auch einiges anders versprochen, noch mehr Verantwortung. Aber dann kam Wim wieder zurück. Die Arbeit mit ihr ging trotzdem einen Schritt weiter  – und es war überhaupt eine andere Spielerin im neuen Umfeld. Bei Serena war alles schon so automatisiert. Vika und ich hatten auch Riesenerfolge. Als wir anfingen, war sie verletzt und stand auf Platz 50, mit mir ist sie auf Rang 5 geklettert.

Im Sommer 2016 wurde Azarenka dann schwanger. Wie war das für Sie?

Ich muss zugeben: Anfangs wusste ich es gar nicht. Sie hat mir halt gekündigt, ich hatte keine Ahnung, wieso. Sie meinte nur, dass sie eine Auszeit braucht. Ich habe sie gefragt: „Habe ich etwas falsch gemacht? Zu wenig?“ Ich glaube, sie wollte es einfach für sich behalten. Das respektiere ich. Es fühlte sich trotzdem komisch an. Ich war enttäuscht, wie es ablief. Ich habe am 1. Juli 2016 mit ihr telefoniert, das weiß ich noch.Von der Schwangerschaft erfuhr ich per Twitter.

Erster Job als Headcoach

Sie blieben aber nur bis August arbeitslos: Als nächstes wurden Sie von US-Girl Sloane Stephens verpflichtet. Das war ihr erster Job als Headcoach. Wie kam es dazu?

Ich dachte eigentlich: Okay, dann bin ich im Sommer mal bei mir zu Hause in West Palm Beach und fahre mit meinem Jetski. Ich habe nicht erwartet, dass gleich eine neue Spielerin kommt. Mitten im Jahr den Trainer zu wechseln, das machen nur wenige, das passiert eher zum Saisonende. Aber dann bekam ich einen Anruf von Sloanes Agent Carlos Flemming. Erst bin ich nur als Berater  für drei Tage zu ihr nach L.A. geflogen. Sloane hatte noch ihren eigenen Coach, Kamau Murray, aber den hat sie dann weggeschickt und mich eingestellt. Ich konnte auch meinen eigenen Fitnesstrainer ins Team mit einbringen. Ich war überglücklich – das erste Mal offizieller Headcoach!

Allerdings war Stephens verletzt. Sie hat in den fünf Monaten Zusammenarbeit mit Ihnen kein einziges Turnier bestritten…

Sie war schon verletzt, als ich den Vertrag unterschrieb. Das war eine sehr komplizierte Fußverletzung, die sie sich wohl in dem Drittrunden-Thriller in Wimbledon gegen Svetlana Kuznetsova zugezogen hatte. Sie musste operiert werden und acht Wochen lang so einen klobigen Stiefel tragen. Wir machten anfangs Baby-Schritte. Es war eigentlich okay, zum Start gleich eine schwere Zeit zu haben; so lernt man sich sofort intensiv kennen.

Für Stevens Hochzeit der Mutter und Schwester verpasst

Aber?

Dann sind wir im Januar nach Sydney geflogen, es sollte ihr erstes Turnier werden, aber einen Tag vorher hat sie sich wieder über den Fuß beklagt. Wir haben Röntgenbilder machen lassen, es sah nicht gut aus. Als wir zurückflogen, bekam ich schon am Flughafen in L.A. eine E-Mail von ihr, in der sie schrieb: „Ich muss dich gehen lassen.“ Ich habe sie gefragt, ob ich warten soll. Ich hätte ja in der Zwischenzeit Trainerstunden geben können. Aber sie wollte keinen Druck und nicht das Gefühl haben, dass sie mich zurückhält. Was ich auch respektiere. Sie musste dann noch ein zweites Mal operiert werden und kann wohl erst in Wimbledon zurückkehren. Aber es war das nächste Engagement, das von einem Tag auf den nächsten endete. Und ich war nicht bei der Hochzeit meiner Mutter dabei und auch nicht bei der Hochzeit meiner Schwester – für Sloane. Das war hart. Mein Vater ist früh gestorben, deshalb haben meine Mutter, meine Schwester und ich ein sehr enges Verhältnis. Ich lag dann an Weihnachten auch noch mit einer Lebensmittelvergiftung im Krankenhaus, stand aber am nächsten Tag mit Sloane auf dem Platz. Man opfert viel. Und wenn es dann so abrupt endet, ist das enttäuschend.

Hat man dann erst mal genug von dem Job?

Ja, ich hatte mir überlegt, dass ich daheim in Florida bleibe und das Leben genieße, das ich mir aufgebaut habe. Ich wollte anfangen, Trainerstunden zu geben. Ich habe mich umgeschaut: In Palm Beach kann man sehr, sehr gutes Geld als Trainer verdienen. Gerade mit meinen Referenzen. Ich habe einen super elitären Club gefunden, wo sie mir einen Platz zur Verfügung gestellt hätten und ich mit 10 bis 15 Stunden Arbeit pro Woche sehr komfortabel hätte leben können.

Haben Sie eigentlich schon ausgesorgt?

Ausgesorgt hat man nie, aber ich will mich nicht beklagen.

Sie besitzen ein 110-Quadratmeter-Appartement in Palm Beach, richtig?

Ich habe mittlerweile mein Häuschen.

Und mehrere Autos?

Zwei. Es ist etwas peinlich, aber ich baue mir gerade meinen eigenen Oldtimer zusammen: einen 1972er Chevrolet Chevelle (Er zeigt auf seinem Smartphone ein Foto seines Wagens).