Daria Kasatkina

Ist nun die beste Australierin: Daria Kasatkina gewann in ihrer Karriere bislang acht WTA-Titel und stand auf Platz 8 im WTA-Ranking. Bild: Imago/Maksim Konstantinov

Daria Kasatkina & Co.: Nationenwechsel auf der Tennis-Tour

Die Topspielerin Daria Kasatkina hat eine neue Nationalität – von russisch zu australisch. Es ist kein Einzelfall auf der Tour. Für den Wechsel der Staatsbürgerschaft gibt es verschiedene Gründe.

Als Daria Kasatkina Anfang Februar beim WTA-Turnier in Abu Dhabi bei der Auslosung mit dem Länderkürzel ESP für Spanien auftauchte, brodelte die Gerüchteküche. Hat die 28-jährige Russin ihre Nationalität gewechselt? Kasatkina lebte und trainierte einige Jahre in Barcelona. Mit ihrem Heimatland Russland hat sie spätestens seit dem Angriffskrieg auf die Ukraine kaum noch etwas zu tun.

Kasatkina positionierte sich in der Vergangenheit immer wieder gegen Russlands Präsidenten Vladimir Putin. „Ich will gegen Gegnerinnen spielen können, die keine Angst haben müssen, dass ihre Tennisplätze, ihr Zuhause zerbombt werden“, sagte Kasatkina über den Krieg in der Ukraine. 

Kasatkinas Coming-out: „Scheiß auf alles andere” 

Zudem outete sie sich als ­homosexuell. Ihre Beziehung zu der russisch-­estnischen Eiskunstläuferin Natalia Zabiiako wird nicht gern gesehen in ihrem Heimatland. „Für junge Menschen, die mit Problemen in der Öffentlichkeit konfrontiert werden, ist es sehr wichtig, wenn Sportler oder andere bekannte Persönlichkeiten darüber reden“, sagte Kasatkina über ihr Coming-out und ergänzte: „Mit sich selbst im Reinen zu sein, ist das Wichtigste im Leben. Scheiß auf alles andere.“ 

Eine Rückkehr nach Russland schien unter den gegebenen Bedingungen ausgeschlossen. „Im Moment ist es für mich angesichts des derzeitigen Regimes gefährlich, nach Hause zu gehen. Als homosexuelle Person, die gegen den Krieg ist, ist eine Rückkehr einfach nicht möglich“, sagte sie. 

Wegen all der Umstände und der langjährigen Beziehung zu Spanien wäre es daher nicht verwunderlich gewesen, dass Kasatkina unter spanischer Flagge antritt. Die Veranstalter in Abu Dhabi klärten anschließend auf und sprachen von einem administrativen Fehler bei der Auslosung. Das Management von Kasatkina verneinte auf Nachfrage, dass sie einen Nationenwechsel plane. Ihr Management sprach zudem davon, dass der Fehler „möglicherweise ziemlich nachteilig“ für sie sein könne. Denn: „Das bringt einige starke Konsequenzen für Daria mit sich, wenn die russischen Autoritäten spüren, dass sie versucht, die Nation zu wechseln – was sie nicht tun wird.“ 

Kasatkina: „Ich werde meine Wurzeln immer respektieren”

Allerdings: Knapp zwei Monate später tat Kasatkina es dann doch. In einem Post auf Instagram verkündete die gebürtige Russin, dass sie von nun an für Australien spielen und in Zukunft in Melbourne ihren Lebensmittelpunkt haben werde. „Australien ist ein Ort, den ich liebe, der mich unglaublich willkommen heißt und an dem ich mich völlig zu Hause fühle. Es ist klar, dass mir diese Entscheidung nicht leicht ­gefallen ist. Ich möchte meiner Familie, meinen Trainern und allen, die mich auf meinem bisherigen Weg unterstützt haben, meinen Dank ­aussprechen. Ich werde meine Wurzeln immer respektieren und schätzen, aber ich freue mich sehr darauf, dieses neue Kapitel meiner Karriere und meines Lebens unter australischer Flagge zu beginnen“, schrieb Kasatkina. 

Daria Kasatkina

Als ihre Welt noch in Ordnung war: Ende 2021 gewann Daria Kasatkina mit Russland den Billie Jean King Cup. Wenige Monate später wurde ihr Heimatland wegen des Angriffskrieges auf die Ukraine von allen Teamwettbewerben ausgeschlossen.Bild: Imago/Paul Zimmer

Wenige Tage später war es dann so weit. Beim WTA-Turnier in Charleston trat sie erstmals als Australierin an. „Mit dem neuen Status auf den Platz zu gehen, war ziemlich stressig. Ich hatte da schon ein bisschen Nervenflattern“, sagte sie nach ihrem Auftaktsieg im US-Bundesstaat South Carolina. 

Martina Navratilova lebte fünf Jahre als Staatenlose

Kasatkina ist längst kein Einzelfall auf der Tour. Es gibt zahlreiche Fälle von ­Spielern und Spielerinnen, die im Laufe der Karriere die Nationalität gewechselt haben. Dafür gibt es politische, finanzielle und persönliche Gründe. 

Im Fall von Kasatkina sind die Gründe politisch und persönlich. Es erinnert etwas an Martina Navratilova. Um ihren Traum von der Tenniskarriere zu leben, musste Navratilova, die „Grand Dame“ des Damentennis, ihr damaliges Heimatland, die kommunistische Tschechoslowakei, verlassen. Im Alter von 18 Jahren bat Navratilova um politisches Asyl in den USA.

„Mein Ziel ist es, die Nummer eins der Welt zu werden, und ich bekam nicht die Chance dazu. Ich wollte meine Freiheit“, kommentierte Navratilova damals. Fortan lebte sie fünf Jahre als Staatenlose, spielte aber weiterhin für die Tschechoslowakei, die aber ihre Erfolge und den Namen Navratilova totschwieg. Nach zwei abgelehnten Anträgen erhielt sie am 21. Juli 1981 schließlich die US-amerikanische Staatsbürgerschaft. Seit 2008 ist Navratilova auch wieder tschechische Staatsbürgerin. 

Nationenwechsel: Finanzielle Gründe bei Rybakina und Bublik

Auch Ivan Lendl siedelte früh in seiner Karriere von der Tschechoslowakei in die USA über, dort reifte er zur Nummer eins der Welt. Im Jahr 1986 beantragte er die US-amerikanische Staatsbürgerschaft, die ihm aber erst im Jahr 1992 nach dem Fall des Eisernen Vorhangs gewährt wurde. Inzwischen sind die Einbürgerungsverfahren keine Angelegenheit von Jahren mehr, sondern von wenigen Monaten. Vor allem bei Spitzensportlern sind Turbo-Einbürgerungen üblich, insbesondere wenn es ­finanzielle Gründe für den Wechsel der Nationalität gibt. 

Ein gutes Beispiel hierfür sind die ­russischstämmigen Profis, die seit ­Jahren für Kasachstan spielen, darunter Elena Rybakina, Wimbledonsiegerin von 2022, Yulia Putintseva und Alexander Bublik. „Es war eine rein finanzielle Entscheidung. Aber es ist nicht so gewesen, dass sie mich mit Geld zugeschüttet haben. Ich war noch ein Teenager, als ich wechselte. Sie haben mir ein Angebot unterbreitet und ich habe zugestimmt. Damals hatte ich nicht genügend Geld, um mir das Leben auf der Tour mit mehreren Trainern zu ermöglichen. Der kasachische Verband hat mir ermöglicht, ein guter Spieler zu werden“, sagte Bublik im tennis MAGAZIN-Interview. 

Dustin Brown: Jamaika, Deutschland, Jamaika

Neben den politischen und finanziellen Motiven für einen Wechsel der Nationalität gibt es noch die persönlichen Gründe. Das betrifft Spieler und Spielerinnen, die Wurzeln in mehreren Ländern haben, einen doppelten Pass besitzen und sich in ihrer Karriere zwischen zwei Nationen entscheiden können. So spielte der gebürtige Niedersachse Dustin Brown zu Beginn seiner Profikarriere zunächst für Jamaika, dem Heimatland seines Vaters, auch weil er die nötige Förderung in Deutschland seitens des Verbandes vermisste.

„Ein Gefühl von mir war manchmal: In Deutschland war ich nicht der Deutsche. Und in Jamaika war ich der kleine deutsche Junge. Ich sprach anfangs Englisch mit deutschem Akzent. Ich wollte einmal mit meinem internationalen Ranking an der deutschen Jugendmeisterschaft teilnehmen. Meine Eltern erzählten mir später, das wurde mir verwehrt. Jemand vom DTB habe gemeint, man wolle nicht, dass Dustin die ­deutschen Kinder besiege“, sagt Brown im Interview mit der Süddeutschen Zeitung. 

Ab 2011 repräsentierte Brown dann auf der ATP-Tour die deutschen Farben, erlangte mit seinem Spielstil Kultstatus und durfte sogar für das deutsche Davis Cup- und Olympia-Team spielen. Für die letzten drei Jahre in seiner Karriere wechselte Brown dann erneut die Nationalfarben und erklärt das so:. „Ich wollte meine Tenniskarriere immer unter jamaikanischer Flagge beenden. Nachdem mein Vater starb, war es mir noch wichtiger, daher habe ich 2022 einen Nationenwechsel als Profi beantragt. Leider hat mein Vater das nicht mehr erlebt, es hätte ihn gefreut. Ich liebe beide Länder.“

Dass Kasatkina in ein paar Jahren wieder für Russland aufschlagen wird, scheint derzeit unmöglich. „Bei all dem, was in meinem früheren Land passiert, hatte ich keine große Wahl. Weil ich ich selbst sein will, musste ich diesen Schritt machen.“

Topspieler mit Wechsel der Nationalität

Spieler/inAlte NationNeue Nation
Martina NavratilovaTschechoslowakei (bis 1981)USA
Johan KriekSüdafrika (bis 1982)USA
Kevin CurrenSüdafrika (bis 1984)USA
Hana MandlikovaTschechoslowakei (bis 1987)Australien
Manuela MaleevaBulgarien (bis 1990)Schweiz
Ivan LendlTschechoslowakei (bis 1992)USA
Monica SelesJugoslawien (bis 1994)USA
Greg RusedskiKanada (bis 1995)Großbritannien
Johanna KontaAustralien (bis 2012)Großbritannien
Elena RybakinaRussland (bis 2018)Kasachstan
Daria KasatkinaRussland (bis 2025)Australien