Lleyton Hewitt, Marcos Baghdatis

Lleyton Hewitt of Australia (L) and Marcos Baghdatis of Cyprus embrace following their men's singles third round five-set match at the Australian Open tennis tournament in Melbourne, early 20 January 2008. Hewitt won the epic battle 4-6, 7-5, 7-5, 6-7, 6-3. AFP PHOTO / FINDLAY KEMBER (Photo credit should read FINDLAY KEMBER/AFP/Getty Images)

Australian Open: Hewitt, Baghdatis und das Late-Night-Finish

Lleyton Hewitt und Marcos Baghdatis spielten bei den Australian Open 2008 ein denkwürdiges Rekordmatch. tM-Redakteur Christian Albrecht Barschel mit einem Erlebnisbericht – 10 Jahre danach als Einstimmung auf das Grand Slam-Turnier in Melbourne.

Endlich Australien, endlich ein Besuch bei meinem Lieblingsturnier. Als ich 2008 einige Monate in Sydney verbrachte, ergriff ich die Chance, um zu den Australian Open nach Melbourne zu fliegen. Auf meine ersten Australian Open hatte ich lange hingefiebert. Für das erste Turnierwochenende am Samstag und Sonntag hatte ich mir bereits Karten im Vorfeld gesichert. Mein Trip nach Melbourne sollte äußerst turbulent und anstrengend werden – und im Nachhinein unvergesslich.

Dauerregen verhindert Spielbetrieb

Am 19. Januar 2008 ging es um 4 Uhr morgens nach nur drei Stunden Schlaf (Philipp Kohlschreiber hatte in der Nacht Andy Roddick in einem Fünfsatzkrimi bezwungen) zum Flughafen in Sydney. In Melbourne angekommen, machte ich mit meiner vollen Reisemontur, da ich im Hostel noch nicht einchecken konnte, auf in Richtung Melbourne Park. Nach einem Spaziergang quer über den Federeration Square entlang am Yarra River kam ich schließlich auf der Tennisanlage an. Für den Samstag hatte ich Karten für die Night Session in der Rod Laver Arena sowie einen Groundpass für die Nebenplätze im Gepäck. Das Wetter in Melbourne hatte ich mir aber anders vorgestellt. Anstatt 30 Grad und blauem Himmel erwarteten mich ein mit Regenwolken bedeckter Himmel und eine Temperatur, die an einem milden Herbsttag in Deutschland erreicht wird.

Da die Wolken nichts Gutes verhießen, versuchte ich mein Glück, für meinen Groundpass ein Upgrade für die Day Session in der Rod Laver Arena zu bekommen. Also in die Schlange gestellt und ausgeharrt, bis ich an der Reihe war. Ich hatte mein Glück und bekam nach einer Stunde Wartezeit noch ein Upgrade für mein Tagesticket. Ich hatte den richtigen Riecher. Denn pünktlich zum geplanten Spielbeginn um 11 Uhr fing es an zu regnen. Und es sollte den ganzen Tag und die ganze Nacht durchregnen. Da bist du zum ersten Mal beim sonnigsten Grand Slam-Turnier, und dann regnet es die ganze Zeit. Das Upgrade erwies sich als Glücksgriff, weil ich am Tag sonst keine Spiele hätte sehen können.

Day Session sorgt für Verzögerung

Stolz wie Oskar über den gelungenen Coup ging ich auch gleich in die Rod Laver Arena. Ich hatte das Gefühl, dass ich bereits in der Night Session bin. Das Dach war geschlossen, die Lichter waren an. Die Day Session zog sich länger hin, als erwartet. Im letzten Match spielte Roger Federer gegen Janko Tipsarevic. Federer brauchte fünf Sätze und über vier Stunden, um sich gegen Tipsarevic durchzusetzen. So ein enges Match von Federer in den frühen Runden bei einem Grand Slam, es war die dritte Runde, hatte es schon lange nicht mehr gegeben. Mittlerweile wurde der Spielbetrieb auf den Nebenplätzen aufgrund des Regens abgesagt.

Da die Spiele in der Day Session so lange gedauert hatten, ging die Night Session anstatt wie geplant um 19:30 Uhr Ortszeit erst um 22 Uhr los. Also wieder rein ins Vergnügen, denn meine Karte für die Night Session hatte ich mir ja vorher bereits gesichert. In ersten Match gewann Venus Williams gegen Sania Mirza in zwei Sätzen. Im Anschluss betraten mit Australiens Nationalheld, Lleyton Hewitt, und Marcos Baghdatis aus Zypern zwei ehemalige Melbourne-Finalisten die Rod Laver Arena. Bevor es losging, habe ich mich noch mit einem typischen Sportlermenü versorgt – Fish & Chips und eine Cola. Ich hatte wohl geahnt, dass es noch eine lange Nacht werden sollte.

23:48 Uhr in Melbourne – Start einer epischen Schlacht

Um 23:48 Uhr fiel schließlich der Startschuss für ein packendes und geschichtsträchtiges Drittrundenmatch bei den Australian Open. Das Stadion war trotz der späten Stunde immer noch gut gefüllt. Da mit Hewitt und Baghdatis zwei Publikumslieblinge spielten und es Samstagabend war, konnte man das auch erwarten. Schon zu Beginn sah ich ein gutes Spiel mit vielen hochklassigen Ballwechseln. Hewitt und Baghdatis feierten bereits früh ihre Punktgewinne in ihrer üblichen intensiven Art. Mit einem Doppelfehler gab Hewitt seinen Aufschlag zum 4:5 ab. Baghdatis nahm das Geschenk dankend an und servierte sicher zum Satzgewinn.

Vorhang auf für eines der denkwürdigsten Matches in der Geschichte der Australian Open.

Die Ballwechsel wurden nun länger und intensiver. Auch das Publikum nahm nun so richtig an Fahrt auf. Baghdatis machte im zweiten Satz aus einem 2:5 ein 5:5. Doch Hewitt schnappte sich mit 7:5 den Satzausgleich. Viele Zuschauer verließen danach die Arena, da es schon weit nach Mitternacht war. Trotz Übermüdung kam es für mich aber überhaupt nicht in Frage, ebenfalls zu verschwinden. Ich hatte das Gefühl, dass in dieser Nacht Geschichte geschrieben wird. Stattdessen nutzte ich die Chance, mich einige Reihen weiter vorne zu platzieren, um besseren Kontakt zum Spiel aufzunehmen.

Lleyton Hewitt feiert in seiner unnachahmlichen Weise.

Schrecksekunde für Baghdatis

Der dritte Satz begann mit einer großen Schrecksekunde. Baghdatis hatte sich gleich im ersten Aufschlagspiel von Hewitt mehrere Breakbälle erspielt. Bei einem Breakball knickte der Zyprer mit seinem rechten Fuß um. Baghdatis krümmte sich vor Schmerzen, zog schnell seinen Schuh aus und ging leicht humpelnd zur Bank, um sich behandeln zu lassen. Es roch stark nach einer Aufgabe zu dieser späten Stunde in Melbourne. Die Uhr zeigte mittlerweile 1:37 Uhr an. Ein Raunen ging durch das Publikum, als auf der Videoleinwand die Zeitlupen vom Umknicken von Baghdatis gezeigt wurden. Das wird definitiv nicht mehr lange gehen, wahrscheinlich ist gleich schon Schluss, dachte ich mir, nachdem ich die Bilder des Missgeschickes auf der Leinwand gesehen hatte.

Marcos Baghdatis krümmt sich vor Schmerzen.

Baghdatis ließ sich mittlerweile behandeln und seinen rechten Fuß dick bandagieren. Zu meinem Erstaunen ging das Match nach der Behandlungspause weiter. Der Zyprer schien überhaupt nicht beeinträchtigt zu sein und nahm Hewitt den Aufschlag zur 2:1-Führung ab. Er transportierte das Break bis zum 5:3 und erspielte sich einen Satzball. Aber wie so oft sorgte Stehaufmännchen Hewitt für eine Wende. „Rusty“ wehrte den Satzball ab und gewann vier Spiele in Folge zur 2:1-Satzführung. Die „Fanatics“, der Fanclub von Hewitt, waren aus dem Häuschen, als Hewitt sein typisches lautes „C’mon“ nach dem Satzgewinn folgen ließ.

Es geht in die Verlängerung

Die Gegenwehr von Baghdatis schien damit gebrochen. Hewitt war heiß wie Frittenfett und ließ im vierten Satz die Spielgewinne fünf, sechs und siebe in Serie folgen. Nach dem Break zum 5:1 zeigte die Uhr 3:06 Uhr an, und ich war in Gedanken schon auf dem Weg in mein Hostel. Doch Baghdatis hatte etwas dagegen, dass ich meinen so ersehnten Schlaf finde. Der Zyprer, für sein großes Kämpferherz bekannt, spielte sich wieder heran und wehrte bei 2:5 einen Matchball ab. Baghdatis ließ sich auch nicht von einem Störenfried im Publikum aus der Ruhe bringen, der bei 4:5 zwischen seinen Aufschlägen dazwischenrief und schließlich vom Sicherheitspersonal aus dem Stadion befördert wurde. Baghdatis hatte sichtlich Spaß an seiner Aufholjagd. Immer wieder kopfte er sich nach Punktgewinnen auf seine Brust und lächelte dabei.

Es ging schließlich in den Tiebreak. Und tatsächlich: Baghdatis glich in Sätzen aus und nicht nur ich, sondern auch der Zyprer konnte nicht fassen, dass dieses Match weiterging. Es war mittlerweile 3:45 Uhr in Melbourne und nur die Allerhärtesten harrten in der Rod Laver Arena noch aus. Im Vorjahr hatten Andreas Seppi und Bobby Reynolds bis 3:34 Uhr in Melbourne gespielt. Hewitt und Baghdatis hatten diese Rekordmarke schon längst durchbrochen. Ein Ende schien noch lange nicht in Sicht. Auf den Rängen sangen die „Fanatics“ sowie der Fanclub von Baghdatis um die Wette. Jeder Punkt wurde nun frenetisch gefeiert. Baghdatis hätte Hewitt bei 2:1-Führung mit Breakball im fünften Satz und Breakball den nächsten Tiefschlag verpassen können. Stattdessen schaffte Hewitt in einem 15-minütigen Aufschlagspiel des Zyprers das Break zum 3:2. Bei 5:3 erspielte sich Hewitt den nächsten Matchball – sogar drei am Stück.

4:34 Uhr in Melbourne – Ende einer epischen Schlacht

Baghdatis gab noch mal alles und wehrte auch diese Matchbälle an. Die epische Schlacht schien kein Ende nehmen zu wollen. Sollte Baghdatis ein erneutes Comeback schaffen? Nein, denn mit seinem fünften Matchball beendete Hewitt das Match. Der Australier schlug einen Vorhandreturn unerreichbar für Baghdatis ins Feld und ließ sich anscheinend auf den Boden fallen. Nach 4:45 Stunden Spielzeit hatte Hewitt dieses denkwürdige Match mit 4:6, 7:5, 7:5, 6:7 (4:7), 6:3 gewonnen. Die beiden Matadore hatten noch die Kraft für eine gegenseitige Umarmung. Auf der Stadionuhr konnte ich 4:34 Uhr ablesen. Hewitt und Baghdatis und sorgten damit für das späteste Ende eines Matches in der Tennisgeschichte. Wahnsinn, und ich war live dabei! So etwas erlebt man auch nicht alle Tage. Hewitt erklärte später, dass es mental einer seiner besten Siege gewesen sei.

Lleyton Hewiit fiel nach dem Rekordsieg erschöpft zu Boden.

Ich applaudierte noch den beiden Helden, schnappte mir meinen Rucksack und machte mich auf den Heimweg. Nun sollte es endlich ins Hostel gehen, damit ich wenigstens ein bisschen Schlaf bekomme. Denn um 10 Uhr wollte ich wieder auf der Anlage sein für den nächsten Tag bei den Australian Open. Draußen regnete es immer noch aus Kübeln. So machte ich mich ohne Jacke auf zu einem morgendlichen Lauf durch die Straßen von Melbourne. Nach 20 Minuten kam ich schließlich völlig klitschnass im Hostel an. Mittlerweile erhob sich die Sonne auch wieder so langsam über den Himmel von Melbourne. Im Hostel im 6-Bett-Zimmer sollte ich keine Ruhe finden. Und so ging es nach gefühlten zwei Minuten Schlag Sonntagfrüh wieder in Richtung Melbourne Park.

Extrem spät wurde es Melbourne Park in der Nacht zum 20. Januar 2008.

Schlaflos nach Sydney

Am Sonntag schaute ich mir dann noch weitere Spiele an, unter anderem Sabine Lisicki in ihrem Drittrundenmatch gegen Caroline Wozniacki, das 2008 auf einem Nebenplatz vor nur 20 Zuschauern ausgetragen wurde. Außerdem spielte Philipp Kohlschreiber in seinem Achtelfinale gegen Jarkko Nieminen. Beide Deutschen vergaben aber sicher geglaubte Siege, sodass ich mich später etwas enttäuscht und völlig übermüdet auf den Weg in Richtung Provinzflughafen in einem Vorort von Melbourne machte. Mein Abflug nach Sydney war für 21 Uhr geplant. Doch Pustekuchen! Nach mehrmaligem Vertrösten wurde der Flug wegen widriger Bedingungen schließlich gestrichen. Ich war ziemlich bedient, denn ich musste am nächsten Tag wieder arbeiten.

Die Check-in-Halle in Melbourne wurde zum Schlafraum umfunktioniert.

So musste ich die Nacht auf dem Boden der kleinen Check-in-Halle verbringen und darauf hoffen, dass ich am frühen Morgen nach Sydney fliegen könnte. Trotz knapp 48 Stunden ohne richtigen Schlaf konnte ich jedoch vor Kälte kein Auge zudrücken. Zu allem Überfluss lief nämlich auch noch die Klimaanlage auf Hochtouren. Da ich nur kurze Sachen dabeihatte, fror ich mir in dieser Nacht ziemlich mein Hinterteil ab. Um 5:45 Uhr konnte ich dann endlich nach Sydney fliegen – mit ganz vielen unvergesslichen Erinnerungen im Gepäck und der Gewissheit, es trotz der Strapazen alles noch einmal genauso zu machen. Ach, übrigens: Hewitt musste am Tag meiner Ankunft in Sydney sein Achtelfinale bestreiten. Der Australier hatte nicht mehr viel im Tank übrig und verlor glatt gegen den späteren Turniersieger Novak Djokovic.air jordan 1 low outlet | nike dunk release dates