Day One: The Championships – Wimbledon 2017

Im zweiten Satz gegen Joao Sousa drehte Dustin Brown auf und zog gegen den Portugiesen in die nächste Runde ein. Sein nächster Gegner könnte Andy Murray heißen.

Mail aus Wimbledon: Die große Dustin Brown-Show

tennis MAGAZIN-Chefredakteur Andrej Antic berichtet in seiner Kolumne „Mail aus Wimbledon“ täglich aus London vom All England Lawn Tennis and Croquet Club.

Die Engländer lieben Brown

Popcorn-Match nennt man so etwas im Tour-Slang. Einfach zurücklehnen und genießen. Centre Court, Mittwoch, 5. Juli, Andy Murray gegen Dustin Brown – das 2. Match des Tages auf dem Hauptplatz in Wimbledon. Ganz großes Kino. Es ist schon eindrucksvoll, wie der Deutsch-Jamaikaner in Wimbledon spielt. Alle Jahre wieder. 2013 schlägt er in Runde zwei Lleyton Hewitt, 2015 in der gleichen Runde Rafael Nadal. Auf dem Centre Court – wie jetzt. Die ganz große Show war es. Und halb England war verrückt nach Dustin. Weil er so schön hechtet. Weil die Rasta-Zöpfe fliegen. Weil sie im Vereinigten Königreich ohnehin ein Faible für Underdogs haben. Und weil sie ihn am liebsten einbürgern würden, was über ein paar Ecken sogar funktionieren könnte. Das wollten die Briten damals schon mit Alexander Popp. Die Älteren werden sich erinnern…

Die Spielweise von Dustin Brown steht für Show und die Briten lieben ihn dafür.

Die Spielweise von Dustin Brown steht für Show und die Briten lieben ihn dafür.

Letztes Jahr dann das irre Match gegen Nick Kyrgios, wieder zweite Runde. Winner aus allen Lagen von Brown und dem Aussie, eine perfekte Show, weil beide nicht nur Tennisprofis sind, sondern auch geborene Entertainer. Weil sie nicht fürs Ergebnis spielten, sondern für die Galerie. Vielleicht war dieses Match auf Court zwei das verrückteste Match, das je gespielt wurde.

Brown wird das Match genießen

Und jetzt gegen Murray, den Titelverteidiger, die Nummer eins, auf dem bedeutendsten Tennisplatz der Welt. Wird er nervös sein? Patrice Hopfe glaubt das nicht. Der Dustin Brown-Coach sitzt am Dienstag auf einer Teakholz-Bank im Aorangi Park, dem Trainingsgelände von Wimbledon. Gerade haben die beiden sich noch einmal vorbereitet. Auf den großen Tag. Auf eine mögliche Gala.

„Er wird das genießen“, sagt Hopfe (45). Der Mann aus Kamp Lintfort, der mittlerweile für den Deutschen Meister in der Tennis-Bundesliga, den Gladbacher HTC, zuständig ist, kennt Brown, seitdem dieser 18 ist. Die beiden haben sich bei einem Future-Turnier auf Jamaika kennengelernt. Seitdem ist der Kontakt eng. Hopfe hat Brown zu den Bundesligavereinen nach Dinslaken und Gladbach gelotst, ihn immer wieder auf Turniere begleitet, wenn es seine Zeit erlaubte.

Zufällig sei Hopfe ins Leistungstennis gerutscht. Eigentlich hat er BWL studiert. „Tennistrainer zu sein, war nicht in meiner Planung“, sagt er.

Aber es scheint, als sei die Betreuung von Brown mehr als ein Job, es ist eine Herzensangelegenheit. Das spürt man, wenn man mit Hopfe, dem sympathischen Blondschopf, einem Bär von einem Mann, redet. Wenn er erzählt, wie sie hier in Wimbledon zu dritt in einem kleinen Haus wohnen, nur fünf Minuten von der Anlage entfernt. Sie beziehen das Haus schon seit Jahren. Es ist ihre Wohlfühl-Oase.

tm-Chefredakteur Andrej Antic (re.) unterhielt sich mit Brown-Coach

tm-Chefredakteur Andrej Antic (re.) unterhielt sich mit Brown-Coach Patrice Hopfe.

Druck war vor dem Spiel gegen Sousa vorhanden

Der Dritte im Bunde, im Team Brown, heißt Malte Stropp, Hopfes Co-Trainer in Gladbach, 26 Jahre alt, früher ein erfolgreicher Spieler im US-Collegetennis. Die drei Freunde kochen gemeinsam („Gerne Reis und Hühnchen“) oder gehen zum Dinner um die Ecke zum Thai – Routinen, die so wichtig sind in Wimbledon. Routinen, die alle Großen haben. Gelernte Wege. Nichts dem Zufall überlassen. Längst ist auch Brown, der das Image des launigen Mannes aus der Karibik hat, aber ganz anders tickt, ein Mann, von dem sich viele eine Scheibe in Sachen Profieinstellung abschneiden können.

Den Druck, glaubt Hopfe, hat er gegen Murray nicht. Den Druck hatte er vorher. Im Match in der Runde zuvor gegen den Portugiesen João Sousa. Da habe er sein Resultat aus dem letzten Jahr bestätigen müssen. „In solchen Matches geht es darum, ob er bei den US Open direkt ins Hauptfeld kommt“, sagt Hopfe. Sein Schützling ist die Nummer 97 der Welt. In diesen Sphären geht es – etwas drastisch formuliert – ums nackte Überleben.

Die Pflicht hat Brown geschafft – die Kür folgt gegen Murray. „Der Arm wird gegen ihn locker sein“, glaubt Hopfe. Weil Brown nichts zu verlieren hat. Und wie aufs Stichwort geht der Schotte gerade an der Teakholz-Bank vorbei. Geht unrund. Schon seit Tagen geistert die Geschichte von einer Hüft-Verletzung durch die Presse. Murray kommentiert das nicht. Seine Hüfte ist Staatsgeheimnis.

Brown muss spielen, wie Zverev bei den Australian Open

Für Brown werde, so Hopfe, es darum gehen, Murray aus seiner Komfortzone zu locken, ihm keinen Rhythmus zu geben. Ihn zu verblüffen. Ähnlich zu spielen wie Mischa Zverev (der am Dienstag beim Dreisatz-Sieg gegen Bernard Tomic einen glänzenden Start ins Turnier hatte) gegen Murray in Melbourne. Die Matches sind durchaus vergleichbar: Angreifer gegen einen der besten Returnspieler der Welt. Da passt es ins Bild, dass Brown und der ältere Zverev-Bruder in Wimbledon auch gemeinsam Doppel spielen.

MELBOURNE, AUSTRALIA - JANUARY 24: Mischa Zverev of Germany serves in his quarterfinal match against Roger Federer of Switzerland day nine of the 2017 Australian Open at Melbourne Park on January 24, 2017 in Melbourne, Australia. (Photo by Michael Dodge/Getty Images)

Mischa Zverev gewann bei den Australian Open überraschend gegen Andy Murray. In Wimbledon spielt er Doppel mit Dustin Brown.

Was ist das Besondere mit Brown und Wimbledon? „Der Rasen“, antwortet Hopfe. „Dustin kann viel aggressiver nach vorne gehen als auf anderen Belägen. Die meisten Spieler kennen das nicht mehr.“ Murray könne Brown sehr gefährlich werden. Jeden Spieler könne er schlagen, wenn es gut läuft. Andererseits: Dustin Brown kann auch gegen jeden verlieren.

Keine Zeit für eine Pause – Schmerzmittel mussten Abhilfe schaffen

Und: Er, mittlerweile 32 Jahre alt, ist verletzungsanfällig geworden. Letztes Jahr in Rio bei den Olympischen Spielen zog er sich einen Bänderriss zu, genauso wie ein paar Monate später beim Hallen-Masters in Paris-Bercy. Im Frühjahr in Metz, nach einem tollen Sieg gegen Marin Cilic, hat er einen Bandscheibenvorfall. Bevor das nächste Match startet, will er sich nach einem Ball bücken – Hexenschuss. Viel Zeit zur Pause nimmt er sich nicht, wirft Schmerzmittel ein. Denn klar: Er muss ja Geld verdienen, sein Ranking verteidigen. Auskurieren geht nicht, wie bei so vielen Profis. Aber – das ist in der Planung – möglicherweise werde man künftig mit einem eigenen Physio reisen. Der Körper – Hopfe: „Er ist gesegnet mit ihm“ – ist das Kapital des 1,97-Meter-Athleten.

Jetzt also wieder so eine Sternstunde. Gegen Andy Murray scheint alles möglich, aber auch wenn er verliert: Brown und Wimbledon – das wird immer die große Liebe sein.

Rückblick: Als Dustin Brown Rafael Nadal besiegteCheap air jordan 1 low womens | mens jordans release dates 2023