Alexander Zverev, Carlos Alcaraz

Prognose-Probleme

Matchverläufe richtig vorherzusagen, trauen sich viele ­Fans, ­Ex-Profis und Experten zu, doch häufig genug liegen sie ­komplett daneben – genauso wie die Sandplatzgötter.

Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen. Dieses Bonmot wird von Karl Valentin über Mark Twain bis Winston Churchill so ziemlich jedem der üblichen Verdächtigen zugeschrieben, von denen Stefanos Tsitsipas normalerweise seine Poesiealbum-Tweets klaut. Aber egal welche Person der Zeitgeschichte da nun wirklich einen der wenigen Kalendersprüche, die auch beim zweiten Nachdenken noch Sinn ergeben, für sich beanspruchen kann: Sie hatte einen Erkenntnisstand, den viele, die sich professionell oder – wie die Sandplatzgötter – amateur­haft mit Profitennis beschäftigen, sehr gekonnt wieder und wieder ignorieren.

Die Probleme beim „Expertisieren”

Dabei beweist jede Werbepause bei Tennis-TV-Übertragungen mit aneinandergereihten Spots von Sportwetten-Anbietern eigentlich schlüssig, wie viel Geld gerade aufbauend auf der Tatsache verdient wird, dass sich der Verlauf von Tennispartien und Tenniskarrieren eben nur mehr schlecht als recht vorhersagen lässt. Das sollte einen beim kurz- oder langfristig vorausschauenden „Expertisieren“ doch eher vorsichtig werden lassen, aber das Gegenteil ist der Fall: Sportwetter verbrennen reichlich Kohle; Journalisten, Kommentatoren, vermeintlich kompetente Ex-Profis und durch zahlreiche Leserkommentare längst als nur sehr bedingt sachverständig enttarnte Sandplatzgötter verbrennen sich regelmäßig ­heftigst die Zunge.

Dabei müssten es alle auch aus der eigenen Erfahrung heraus längst besser wissen. Im Kleinen kloppen Profis auch mit Satzführung im Rücken, höchst entschlossener Miene und positiver Körpersprache immer wieder mal gerne die nächsten Vorhände, mit denen sie die Ballwechsel beenden wollen, ohne Zwischenstopp innerhalb der Linien Richtung Zaun und nehmen so null Rücksicht auf das, was Stach und Zverev doch gerade vor wenigen Minuten ausführlich erklärt haben. Im Großen haben selbst die drei GOATs in zuverlässiger Unzuverlässigkeit gerade dann geschwächelt, wenn ihnen nach Erfolgssträhnen von allen Seiten Unschlagbarkeit attestiert wurde. Und genau dann wieder geglänzt und große Pokale geholt, wenn ihre Karrieren „deutlich zu sehen“ auf dem absteigenden Ast waren. Der „unerreichbare“ Jahrhundert-Grand-Slam-Rekord von Pete Sampras wurde schon nach sieben Jahren erst durch Federer eingestellt sowie dann anschließend zügig gleich dreifach durch die „Big Three“ pulverisiert. Und jetzt schickt sich ja der junge Señor Alcaraz an, deren Rekorde anzugreifen. Ganz klar vorhersehbar, denn der ist doch schon mit 19 Jahren praktisch unschlagbar. Also „war“, denn dann hat er in Paris gegen Alex­ander Zverev verloren. Gegen Zverev! Wobei, die Älteren erinnern sich: Den deutschen Spitzenspieler konnte nach seinem zweiten Halbjahr 2021 wirklich ganz sicher nichts bei den Australian Open 2022 stoppen. Also nichts, was nicht Shapovalov heißt.  

Mats Wilander, der Prognose-Weltmeister

Solche Wendungen verlangen dann natürlich ein hohes Maß an Bewertungsflexibilität bei denen, die dafür bezahlt werden, genau das zu erklären, was häufig nicht erklärbar ist. Glücklicherweise erinnert sich gegen Ende eines Matches über drei Gewinnsätze ohnehin kaum noch jemand daran, was da Mitte des ersten Satzes zur Chancenverteilung erzählt wurde – gerade dann, wenn ein gewisser Rafael Nadal seine Aufschlagvorbereitungen mit einbringt. 

Unser Preis fürs Lebenswerk in der Kategorie „Was stört mich mein Geschwätz von gestern“ geht klar an Mats Wilander. Der Schwede schafft es in unnachahmlicher Art und Weise, Spieler von einem Major zum anderen von einem Mitfavoriten auf den Turniersieg zu einem Auslaufmodell zu degradieren, das die Teilnahme eigentlich nicht verdient hat. Stichprobengröße seiner fundierten Analysen dabei: zwei Matches. Mats ist aber entschuldigt: Er hat 1988 drei von vier Grand Slam-Turnieren gewonnen und sich zur Nummer eins gekürt. Und im Jahr darauf achtzehnmal verloren und ­keinen Turniersieg geholt. Vollkommen unerwartet natürlich. cheap air jordan 1 mid | air jordan 1 low outlet