Anett Kontaveit

Estlands Exportschlager: Anett Kontaveit ist die erste Top 10-Spielerin ihres Heimatlandes.

Anett Kontaveit: „Ich fühlte mich nicht wie ich selbst”

Die Estin Anett Kontaveit ist die Nummer zwei der Welt. Doch so richtig kennt man sie nicht. Ein Gespräch über ihren Aufstieg auf der Tour, Auswirkungen von Corona und Geburtstag an Heiligabend. 

Erschienen in der tennis MAGAZIN-Ausgabe 9/2022

Frau Kontaveit, Sie sind derzeit die Nummer zwei der Welt. Sind Sie inzwischen ein großer Star in Estland?
Estland ist ein kleines Land. Die Leute erkennen mich die meiste Zeit, auch durch die Erfolge, die ich zuletzt hatte. Ich kann aber immer noch unbeschwert durch die Straßen laufen. Es spielen mittlerweile immer mehr Leute Tennis in Estland. Die Plätze sind voll. Das ist schön zu sehen. 

Welche Rolle spielte Kaia Kanepi, Estlands erste Topspielerin, in Ihrer Karriere?
Eine große Rolle. Sie hat den Weg geebnet und mir in jungen Jahren gezeigt, dass eine Spielerin aus Estland große Dinge im Tennis erreichen kann, die zunächst unmöglich schienen.  

Anett Kontaveit: „Das Vertrauen in mein Spiel hat sich bestätigt“

Sie haben zwischen im letzten und dieses Jahr 22 Indoor-Matches in Folge gewonnen und sind bis auf Platz zwei im WTA-Ranking geklettert. Wie erklären Sie sich diesen massiven Durchbruch im letzten Jahr? Sie steckten zuvor eine Weile fest zwischen Platz 20 und 30.
Der Ball kam letztes Jahr vor den US Open beim Turnier in Cleveland ins Rollen. Nach vier Jahren habe ich endlich wieder einen WTA-Titel gewonnen. Das war noch ein Freiluftturnier und nicht in der Halle. Das hat das Vertrauen in mein Spiel enorm bestätigt. Ich spielte plötzlich viel aggressiver, deutlich unbeschwerter. Mich hat mental nichts mehr blockiert. Ich habe es richtig genossen, auf dem Platz zu stehen. Das war der große Unterschied. 

Nach fünf Turniersiegen und sieben Finals zwischen August 2021 und Februar 2022 haben Sie sich im April mit Corona infiziert. Welche Auswirkungen haben Sie gespürt?
Ich war mehr als zwei Monate ständig müde. Ich konnte im Training und bei den Matches nicht richtig atmen. Das war fürchterlich. Nach dem Aufstehen war ich bereits müde, obwohl ich elf Stunden geschlafen habe. Normalerweise bin ich ein Morgenmensch, der nach acht Stunden Schlaf voller Energie ist und zu sich sagt: Los, lass uns in den Tag stürzen. Ich fühlte mich in diesen zwei Monaten nicht wie ich selbst. Dementsprechend fielen dann auch die Resultate bei den French Open und in Wimbledon aus. 

Anett Kontaveit: „Hätte nicht geglaubt, in die Top 100 zu kommen“

Auf der WTA-Tour gibt es wenige Seriensiegerinnen mit Ausnahme von Iga Swiatek. Wie sehen Sie die Entwicklung?
Aus Marketingsicht ist es sicherlich schwierig, dass es immer neue Siegerinnen gibt. Andererseits macht es genau das interessant, dass jede gegen jede gewinnen kann und man nicht genau weiß, wer es sein wird. Das Level im Damentennis ist dermaßen hoch, dass man in jedem Match hundertprozentig fit und fokussiert sein muss. Es wird dir nichts geschenkt. Für mich ist es auch eine neue Situation, seitdem ich in den Top 10 stehe und es bis auf Platz zwei geschafft habe. Daran musste ich mich erst mal gewöhnen. Was Iga Swiatek in den letzten Monaten geleistet hat, ist daher ziemlich herausragend. Als ich erstmals die Nummer zwei der Welt war, hatte Iga fast doppelt so viele Punkte wie ich.

Stand es für Sie immer fest, dass Sie Tennisprofi werden möchten?
Nicht wirklich. Meine Mutter ist Tennistrainerin. Ich habe lange Zeit nur zum Spaß gespielt. Selbst bei den Juniorinnen habe ich noch nicht daran geglaubt, dass es möglich für mich ist, irgendwann mal in die Top 100 zu kommen. Ich habe damals nur den Moment genossen. Ich mochte es, mich mit anderen zu messen. 

Anett Kontaveit

Fühlt sich auf jedem Belag wohl: Im Juni 2022 kletterte Kontaveit auf Platz zwei im WTA-Ranking.

Ihre Mutter spielte dann eine tragende Rolle auf dem Weg zum Profi?
Richtig. Sie hat mich bis zum zwölften Lebensjahr trainiert. Je älter ich wurde, desto schwieriger wurde es, weil es die Mutter-Tochter-Beziehung etwas gestört hat. Sie hat dann die gute Entscheidung getroffen, für mich einen Trainer zu finden, der mich in meiner Entwicklung voranbringt. Natürlich ist meine Mutter noch immer ein guter Ratgeber für mich, sie mischt sich aber nicht in meine Karriere ein. Sie ist ein wesentlicher Grund, warum ich es im Tennis so weit geschafft habe. Es ist schön, jemanden in der Familie zu haben, der sich mit Tennis so gut auskennt. 

Hätten Sie je gedacht, dass Sie mal die Nummer zwei der Welt sein würden?
Ich habe nie gedacht, dass dies möglich ist (lacht). Das fühlt sich immer noch ziemlich surreal an. 

Anett Kontaveit: „Torben Beltz lässt mich schwer schuften“

Ihr neuer Trainer ist Torben Beltz, der jahrelang Angelique Kerber betreut hat. Was erwarten Sie von der Zusammenarbeit mit ihm?
Wir arbeiten noch nicht lange zusammen. Wimbledon war unser erstes Turnier. Er hat eine gute Vision für mein Spiel. Er ist zwar sehr freundlich, aber er lässt mich schwer schuften auf dem Platz. Dann verschwindet die Freundlichkeit etwas. Ich finde, er bringt die richtige Balance mit.  

Wie würden Sie Ihre Persönlichkeit beschreiben?
Ich bin wetteifernd, etwas stur und kann manchmal etwas egoistisch sein. Mein Spielstil passt zu meiner Persönlichkeit. Ich spiele aggressiv und mag es, die Führung zu übernehmen.  

Hatten Sie ein Idol, als Sie jung waren?
Es gab nie eine Spielerin, bei der ich mir gewünscht habe, wie sie zu sein. Ich habe viele Matches von Maria Sharapova und Victoria Azarenka im Fernsehen geschaut, aber ich war kein Fan von ihnen. 

Sie haben an Heiligabend Geburtstag. Mögen Sie das?
Ich habe keine andere Wahl (lacht). Das war schon schwierig, als ich jünger war, weil meine Freunde immer bei deren Familien waren und nicht mit mir Geburtstag feiern konnten. Ich habe gelernt, es zu mögen und das Beste daraus zu machen. Mittlerweile mache ich immer einen Weihnachtsbrunch, ehe alle zu ihren Familien fahren.

Anett Kontaveit

Talk: tM-Redakteur Christian Albrecht Barschel sprach mit Kontaveit in Hamburg.

Vita Anett Kontaveit

Die Estin, 26, legte seit August 2021 einen rasanten Aufstieg im WTA-Ranking hin – von Platz 30 bis auf 2. Sie gewann in dieser Zeit fünf ihrer sechs WTA-Titel und qualifizierte sich für die WTA Finals, wo sie im Endspiel unterlag. Bei den Grand Slam-Turnieren kam sie bislang nicht über das Viertelfinale hinaus. In ihrer Freizeit geht sie gerne shoppen und ins Kino. Kontaveit ist ein großer Fan der Serie Game of Thrones. men’s jordan release dates | Cheap Air Jordans 1 low For Sale