Daniil Medvedev

Der heilige Daniil

Kein Profi eignet sich so gut als Vorbild für den normalen ­Clubspieler wie Daniil Medvedev, finden die Sandplatzgötter. Weil der Russe so unorthodox agiert.

Wer schon einmal versucht hat, ein Punktspiel auf Bezirksebene sportfotografisch festzuhalten, wird feststellen: Die Ausbeute an Action-Fotos, auf denen es optisch komplett gefällig und geschmeidig zugeht, ist trotz fleißiger Betätigung des Auslösers über zwei Einzel- und eine Doppelrunde hinweg erstaunlich gering. Es gibt auch Spieltage und mannschaftliche Konstellationen, bei denen man sich – wenn man rein ästhetische Maßstäbe ansetzt – eher auf Motive aus den Spiel­pausen beschränken sollte. 

Die Zeit, die viele Hobbyspieler jeden Alters auf YouTube verbringen, um intensiv Super-Slowmotion-Videos höchst stylisher Profi-Grundschläge zu konsumieren, scheint in den allermeisten Fällen eine vergebliche Investition zu sein. Nach Roger Federer, Stefanos Tsitsipas oder Stan Wawrinka sieht die einhändige Durchschnitts-Rückhand des Durchschnitts-Spielers auf Platz drei eines Durchschnitts-Tennisclubs trotz aller Kopier- und Emulationsversuche nie aus. Die euphemistische Vorstellung vom eigenen Schlagrepertoire bekommt tiefe Kratzer wie ein nach einem leichten Fehler weggeworfener Schläger, wenn man mit der im Foto oder gar Video festgehaltenen Wirklichkeit konfrontiert wird. Von einer Veröffentlichung in sozialen Medien nimmt man dann auch lieber Abstand, denn dort wird natürlich alles, was nicht nach Weltrang­listenpotenzial aussieht, in Grund und Boden kommentiert. Von Leuten, die grundsätzlich leider gerade kein Bild­material von sich selbst zur Hand haben.

Medvedevs Spielart hat einen echten Identifikationsfaktor

Seit einiger Zeit haben aber all diejenigen von uns, denen längst klar geworden ist, dass ihre hässlichen-Entlein-Schwünge sich auch im Altersklassenbereich nicht mehr in Bewegungen von schwanenhafter ­Eleganz verwandeln werden, einen seit den US Open Grand Slam-Titel-­dekorierten Schutzpatron: Es ist der heilige Daniil.

Medvedev ist die personifizierte Google-Bildersuche mit den Schlagwörtern ­„Tennisspieler“ und „unorthodox“. Egal, ob er seine 1,98 Meter in der Schlagvorbereitung gegen die Lehren jeder Rückenschule Richtung Ball krümmt, sich der Schläger im finalen Ausschwung seiner Vorhandbewegung praktisch um seinen Hals wickelt oder sich seine Extremitäten beim Versuch eines Winners in alle Himmelsrichtungen abwinkeln – nach dem, was uns der Rest der Profi-Tenniswelt vorbildhaft und optisch ansprechend präsentiert, sieht das oft eher nicht aus. Sondern endlich mal mehr als nur ein wenig so verquer wie auf Fotos von uns im Punktspiel-Stress. Das hat einen echten Identifikationsfaktor. Und auch die Tat­sache, dass selbst diverse hochkarätige Trainer dem damals noch nicht so erfolgsverwöhnten Russen abgesprochen haben, dass es mit seiner technischen Herangehensweise mal für die absolute Spitze reichen würde, lässt uns doch direkt mit sehr viel breiterer Brust in die fällige Diskussion mit unserem Coach gehen, wenn dieser wenigstens etwas mehr Disziplin und Feinschliff in der Bewegung von uns einfordert: Red du mal, der Daniil macht das auch auf die krumme Tour.

Medvedev überrascht von sich selbst

Einen kleinen, aber feinen Unterschied zwischen dem US Open-Champion und dem gemeinen Sandplatzgott hat der Coach dann als Argument jedoch auf seiner Seite: das Endergebnis. Medvedev, der offen zugibt, bei der Betrachtung eigener Tennis-­Aufnahmen selbst überrascht darüber zu sein, was er da so bewegungstechnisch fabriziert, hat seine Kritiker Lügen gestraft: Weil er seinen Schläger – allen Verrenkungen vorher und nachher zum Trotz – im einzigen wirklich relevanten Moment des Kontakts mit der Filzkugel ganz offensichtlich so oft wie nur wenige andere Menschen auf der Welt und vollkommen anders als wir die absolut richtigen Dinge tun lässt. Was sich dann regelmäßig im beeindruckenden Resultat der Bemühungen auf der anderen Seite des Netzes niederschlägt, denn dort schlägt die Filzkugel dann häufig wie gewollt ein. Bei uns dagegen bucht sie mit ähnlicher Regelmäßigkeit einen Direktflug in Dinge, die das Tennis-Regelwerk verklausuliert unter „ständige Einrichtungen“ verbucht, landläufig aber als Zaun oder Plane bezeichnet werden. Solange das so bleibt, sollten wir vielleicht dem Trainer weiter zuhören.cheap air jordan 1 low | Buy Nike KD IV 4 , Home – Wakeortho Shop