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VOLL IM FOKUS: Alexander Zverev bei seinem Sieg gegen Daniil Medvedev in Cincinnati (Foto: Olli Hardt).

Zverev in Cincinnati: Die Richtung stimmt

Alexander Zverev bestätigt beim Masters in Cincinnati seine ansteigende Form. Sein Sieg im Achtelfinale gegen Daniil Medvedev könnte der Dosenöffner für ein starkes Saison-Finish gewesen sein.

Wer ermessen will, wie gut ihm das alles getan hat, musste nur in sein Gesicht schauen. Ein Grinsen so breit wie der Ohio River, der rund 25 Meilen südlich vom Lindner Family Tennis Center liegt. Genau genommen wird das dritte US-Masters (nach Indian Wells und Miami) gar nicht in Cincinnati, sondern in Mason, Ohio, gespielt. Aber geographische Details dürften Alexander Zverev an diesem Donnerstag nicht interessiert haben. Nach 2:32 Stunden hatte der 26-jährige Deutsche Daniil Medvedev, die Nummer drei der Weltrangliste, mit 6:4, 5:7, 6:4 besiegt.

Zverev von den Fans umringt

Das Desaster von der Woche zuvor in Toronto jedenfalls – als er Alejandro Davidovich Fokina mit 1:6, 2:6 in Runde zwei unterlag –, war vergessen. Ein paar Minuten nach dem Match stand Zverev am Grandstand in einer Traube von Menschen, gab Autogramme, wurde fotografiert. Immer wieder gab es „Sascha“-Rufe. Dann setzte sich ein Tross aus Sicherheitsleuten und ATP-Offiziellen in Bewegung, um den Star zu eskortieren. Die Fans folgten in Scharen. Nächste Station: das von Zuschauern belagerte Tennis Channel-Studio zwischen Imbissbuden und Mini-Tenniscourts mitten auf der Anlage – großes Theater.

Eine anschließende Pressekonferenz blieb aus. Zverev gab nur ein paar Statements in der Mixed Zone im Schatten des Center Courts, sagte, wie gut es ihm getan habe, endlich einmal wieder ein knappes Match gewonnen zu haben. Ein paar Stunden später musste er mit Kumpel Marcelo Melo noch sein Doppel spielen.

Unabhängig vom Ausgang des Turniers: Das Match gegen Medvedev könnte für Zverev so etwas wie ein Dosenöffner für ein starkes Saisonfinish gewesen sein. Auch wenn es kein Centre Court-Match war – dort spielten zeitgleich Stefanos Tsitsipas und Hubert Hurkacz: Der Grand Stand war ein exzellenter Rahmen für das Duell zwischen dem Deutschen und dem Russen.

Schon beim Einschlagen war der Court, der 5.000 Zuschauer fasst, proppenvoll. Einzig die seitliche untere Tribüne war etwas leerer. Das lag aber nicht daran, dass nicht genug Fans das Match sehen wollen, sondern, dass niemand auf die reservierten Sponsoren-Sitze durfte. Die Zuschauer, die drauf durften, saßen zur Mittagszeit noch in ihren klimatisierten Suiten und konnten das Geschehen von oben verfolgen. Klein wie Mickey-Mäuse sehen die Spieler von dort aus.

Weiter unten war es bei Sonnenschein und angenehmen 25 Grad phasenweise elektrisierend. Und wenn man mal einen „Great Shot“, wie immer wieder an den Banden aufflammte, verpasste, liefen die Ballwechsel auf zwei riesigen Screens in der Wiederholung. Theoretisch hätte man das ganze Match trotz Sitz im Stadion auch auf einem der XXL-Bildschirme verfolgen können. „Great Fan-Experience“, sagen die Macher der Western & Southern Open dazu.

Vielleicht war es das beste Match, das Alexander Zverev in dieser Saison gespielt hat. Während Medvedev die Returns fast an der Bande erwartete, positionierte sich Zverev beim gegnerischen Aufschlag nur einige Schritte von der Grundlinie entfernt. War der Ball im Spiel, stand der Deutsche nah an der Linie. Und: Er spielte variabel, mixte Schüsse mit geduldigen Topspin-Schlägen.

Zverev mit erstem Top 10-Sieg 2023

Am Ende wurde er für seinen Mut bezahlt. Alles gelang nicht – ärgerlich verschlagene Volleys waren dabei, unnötige Grundschläge landeten ohne Not im Netz – , aber in den entscheidenden Momenten war er hellwach. Sechs von acht Breakpunkten gegen den eigenen Aufschlag wehrte Zverev ab. Drei von acht Breakpunkten beim Aufschlag Medvedevs nutzte er (der Russe nur zwei von acht).

Medvedevs Taktik, die Bälle in den letzten Spielen eher zurückzuschaufeln und auf Chancen zu warten, ging nicht auf. Wie knapp das Match war, zeigte auch die Statistik. Jeder gewann 99 der 198 gespielten Punkte.

Zverevs Sieg war auch deshalb herausragend, weil er 2023 bereits dreimal dem ein Jahr jüngeren Russen unterlegen war – bei den Masters von Indian Wells, Monte Carlo und Rom, auf den großen Bühnen also. In der Gesamtabrechnung führt Medvedev zwar 9:7, aber ein Knoten schien geplatzt. Die Tuchfühlung zur Weltelite ist wieder da. Im Live-ATP-Ranking steht Zverev in den Top Ten. Spielt er weiter so, ist eine Teilnahme bei den ATP-Finals der besten acht Profis in Turin drin.

Es war zudem Zverevs erster Sieg gegen einen Top 10-Spieler seit seinem Comeback nach der Knöchelverletzung zu Beginn des Jahres. Von den acht Duellen gegen die absoluten Topspieler der Tour hatte er im Laufe der Saison alle verloren – darunter die schon drei erwähnten Partien gegen Medvedev. Hinzukamen Pleiten gegen Fritz, Rublev (zweimal), Alcaraz und Ruud. Auch in der Hinsicht dürfte der Erfolg gegen Medvedev in Cincinnati einer Befreiung gleichkommen.

Die letzte Chance, in diesem Jahr ein Grand Slam-Turnier zu gewinnen, gibt es Ende August in New York. In der Form vom Medvedev-Match ist das, was zuletzt wenig realistisch schien, durchaus möglich: der Titel bei den US Open.