Boris Becker (Deutschland) verliert die ersten beiden Sätze des Wimbledon Finale 1991 mit 4:6 und 6:7

Ratlos: Boris Becker hatte im Wimbledon-Finale von 1991 gegen Michael Stich keine Chance und verlor in drei Sätzen. Bild: IMAGO / Kosecki

Boris Becker: „Hätte ich 1991 das Wimbledon-Finale gewonnen, wäre Schluss gewesen“

Boris Becker spricht im STERN-Interview viel über die Schattenseiten seines frühen Ruhms. Eine rein sportliche Einschätzung von ihm verblüfft.

40 Jahre ist es nun her, der wundersame Wimbledon-Run des damals 17-jährigen Boris Beckers. In einem seiner unzähligen Interviews seit jenem 7. Juli 1985, als der Blondschopf den goldenen Pokal in den britischen blauen Himmel stemmte, sagte er einmal: „Das war meine ganz persönliche Mondlandung.“ Mit all seinen schönen, vor allem aber mit all seinen weniger schönen Folgeerscheinungen.

Vor ein paar Wochen gab Becker bereits der Sports Illustrated ein langes Interview anlässlich des 40. Jubiläums seines ersten Wimbledon-Titels. Dort gestand Becker: „Für meine Gesundheit, für mein Leben wäre es besser gewesen, hätte ich Wimbledon erst später gewonnen, mit 21 oder 22 und nicht schon mit 17 und 18. Weil ich dann nicht mehr das Wunderkind gewesen wäre, als das mich die Leute noch immer sehen. Ob im Beruflichen oder privat, ich werde für viele mein Leben lang immer nur der 17-jährigste Leimener sein. Und das werde ich wohl nicht mehr ändern können.“

Auch in seinem jüngsten Interview, das am Donnerstag inklusive aufwendiger Foto-Produktion im STERN erschien, ging es natürlich um Wimbledon 1985 und die Folgen für Beckers weiteres Leben. Er spricht viel über die Schattenseiten als junger Sportstar, der zum Helden einer ganzen Nation wurde („Ich bin auf Claqueure und Parasiten reingefallen“), gibt eine Liebeserklärung an seine Ehefrau Lilian De Carvalho Monteiro ab („Solch eine Frau hatte ich zuvor niemals getroffen“) und blickt auf seine Zeit in Haft in England zurück („Du kannst mich ins Gefängnis stecken – und ich finde einen Weg, wie ich überlebe“).

Es geht aber auch um eher sportliche Aspekte seiner schillernden Karriere. An einer Stelle in dem Interview wird das Thema „Belastungen als Tennisprofi“ angesprochen und der STERN fragt, warum Becker erst mit 31 Jahren zurückgetreten sei ­– und nicht schon früher. Aus heutiger Sicht mutet diese Frage seltsam an, denn inzwischen hat sich das Durchschnittsalter der Tennisprofis deutlich erhöht als noch zu Beckers Zeiten. Profis, die mit 30 Jahren und mehr auf Top-Niveau spielen, sind inzwischen normal.

Boris Becker: „Ich war fertig mit Tennis. Es ödete mich an.“

Beckers Antwort auf diese Frage jedenfalls ist verblüffend: „Ich hatte mir vor dem Wimbledon-Finale 1991 gegen Michael Stich selbst ein Versprechen gegeben, da war ich 24 Jahre alt und die Nummer eins der Welt: Wenn ich das Turnier zum vierten Mal gewinne, ist Schluss. Ich war fertig mit dem Tennis. Ich hatte jedes Grand Slam-Turnier gewonnen bis auf Paris. Was sollte da noch kommen? Ich war leer, ich hatte keine Ziele mehr. Alles war nur noch eine Wiederholung. Es ödete mich an.“

Wow, von dieser Sichtweise Beckers auf das deutsche Wimbledon-Finale von 1991 hatte man zuvor noch nie gehört. Und es fällt einem schwer das wirklich zu glauben. Wäre er nach seinem vierten Wimbledon-Triumph tatsächlich zurückgetreten? Kaum vorstellbar. Letztlich kam es aber bekanntlich nicht zu diesem Szenario, weil es jemanden gab, der Beckers angeblich geplanten Rücktritt auf sportliche Weise verhinderte: Michael Stich. Er schlug den Favoriten damals sensationell mit 6:4, 7:6, 6:4.

Boris Becker

Prost: Nach dem Sieg von Michael Stich im Wimbledon-Finale von 1991 stieß er mit Gegner Becker am Abend an.

„Das war das Problem“, bekennt Becker nun im STERN. „Ich war zu einhundert Prozent bereit, Schluss zu machen, doch dann kam diese Niederlage.“ Warum er nicht trotzdem seinen Schläger aus der Hand legte, begründet er so: „Der Bauch sagte: Hör auf! Der Kopf sagte: Bist du wahnsinnig? Du bist noch nicht fertig mit Tennis, du bist gesund, du hast super Verträge, mach weiter. Ich war innerlich zerrissen.“

Boris Becker: Zweifel am möglichen Rücktritt 1991 bleiben

Becker spielte also weiter – zum Glück, kann man in der Retrospektive sicherlich festhalten. 1992 gewann er mit Stich Olympisches Gold im Doppel und das ATP-Masters vor heimischer Kulisse in Frankfurt. 1995 folgte sein dritter Masters-Titel, 1996 der zweite Australian Open-Triumph und am Ende der Saison eines seiner besten Matches überhaupt: Die legendäre Fünf-Satz-Niederlage im Masters-Endspiel von Hannover gegen Pete Sampras war „Tennis von einem anderen Stern“, befand die deutsche Presse damals.

Unvergessen, wie Becker nach der irren Partie scherzte: „Haben wir eigentlich schon Tag oder ist noch Nacht? Ich habe völlig die Orientierung verloren.“ Dann fügte er hinzu: „Jetzt mal im Ernst. Das war mein bestes Tennismatch, was ich in meinem Leben gespielt habe. Ich bin sehr stolz darauf.“

So gesehen, dürfen die deutschen Tennisfans froh sein, dass Becker 1991 nicht in Wimbledon gewonnen hat. Sie hätten einige geschichtsträchtige „Boris-Momente“ nicht erlebt. Andererseits: So vehement er seine Rücktrittsgedanken von 1991 im STERN-Interview zum Ausdruck bringt, so groß sind auch die Zweifel, ob er nach einem Finalsieg wirklich zurückgetreten wäre.