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Dietloff von Arnim: „Wir sind als Verband noch zu vorsichtig“

DTB-Präsident Dietloff von Arnim (63) sitzt im Interviewraum 3 bei den Australian Open in Melbourne. Soeben hat er noch vor einer internationalen Zuhörerschar darüber gesprochen, warum er für die Präsidentschaft beim Tennis-Weltverband ITF kandidiert (tennis MAGAZIN-Leser konnten Derlei schon in Ausgabe 1-2/23 nachlesen). Er hat ans Auditorium reichlich Visitenkarten verteilt, komplett mit Mobilfunk-Nummer und E-Mail-Adresse.

Aber nun – im Gespräch mit tennis MAGAZIN – geht es um die ganz schlechte sportliche Visitenkarte, die das deutsche Profitennis beim ersten Grand Slam-Turnier des Jahres abgegeben hat. In den Einzelwettbewerben war für alle DTB-Profis spätestens in der 3. Runde Endstation.

„Es kann als DTB nicht unser Anspruch sein, dass wir keinen einzigen Spieler und keine einzige Spielerin bei einem Grand Slam in der zweiten Turnierwoche haben. Das ist ernüchternd.“ So ernüchternd, dass von Arnim das Ganze nicht als Momentaufnahme abtun möchte. Er verlangt Verbesserung durch Veränderung!

„Wir leben beim DTB von einem Förderkonzept von vor zehn Jahren. Und dass ein Alexander Zverev auf die Überholspur Richtung Weltklasse ausgeschert ist, das hat nichts mit diesem Förderkonzept zu tun. Ich sage immer ‚ist ein Pferd tot, dann steige ab.‘ Wir sind da als Verband noch zu vorsichtig. Wir müssen uns in der Ausbildung der Spieler und Spielerinnen viel mehr hinterfragen.“

Von Arnim: „Wie kommen wir aus dem Desaster wieder heraus?“

Dabei nimmt von Arnim auch explizit Bundestrainer Michael Kohlmann und Bundestrainerin Barbara Rittner in die Pflicht und appelliert an die sportliche Spitze: „Fragt bitte nach. Braucht ihr mehr Geld? Braucht ihr mehr ausländischen Input? Wie kommen wir aus dem Desaster heraus?“

Unter der klugen Führung von Barbara Rittner hatte sich eine „goldene Generation“ gebildet – angeführt von Angelique Kerber, mit ihr Turniersiegerinnen wie Andrea Petkovic, Sabine Lisicki und Julia Görges. Aktuell gibt es keine Gruppe, die diesen Spielerinnen nachrückt. Nur Jule Niemeier wird zugetraut, sich mittelfristig eventuell an die Top 20 heranzuspielen.

Bei den Männern fällt von Arnim auf, dass „unsere Spieler im Davis Cup seit Jahren weit über ihre Verhältnisse spielen. Das machen sie hervorragend, weil sie als Mannschaft so überragend funktionieren. Aber vom Ranking sind die Leistungen halt weit über den Verhältnissen. Dabei müsste es unser Anspruch sein, bei den Männern im Davis Cup und bei den Frauen im Billie-Jean-King-Cup immer in der Weltgruppe zu sein. Aber das wird oft knapp genug.“

Von Arnim: „Ist es wirklich richtig, jeden Jahrgang zu fördern?“

Der DTB-Präsident nimmt daher das deutsche Australian Open-Desaster zum Anlass, das Fördersystem konkret in Frage zu stellen: „Ist es wirklich richtig, jeden Jahrgang zu fördern?“ Er wünscht zielgerichtetere Unterstützung, die Abkehr vom Gieskannen-Prinzip: „Wir als DTB haben nicht den Einfluss, Grand Slam-Sieger zu produzieren. Aber es muss unser Anspruch sein, ständig Spieler und Spielerinnen für die Top 100 zu produzieren.“

Doch dann muss irgendwann auch die Verantwortung der Spieler selbst einsetzen. „Wir achten darauf, ob die Vorhand gut ist. Aber wir müssen auch auf die Attitüde achten, wenn wir über Förderung entscheiden.“

In diesem Zusammenhang erinnert von Arnim daran, wie einst der schwedische Superstar Björn Borg entdeckt wurde. In einer Turnhalle in Schweden sollten junge Tennistalente von der Hallenmitte eine an der Wand angebrachte Kletterstange treffen. Einige Spieler trafen mehrfach in wenigen Minuten. Von Arnim verrät: „Aber Björn Borgs Schläge trafen nicht, stundenlang. Aber er machte immer weiter. Das zeigte die Einstellung, dieses positiv Verrückte, das man haben muss, wenn man es nach oben schaffen will.“

Härte gegen sich selbst also. Wie sie Angelique Kerber und auch ein Rainer Schüttler immer hatten, ihr nicht überragendes Talent durch Hingabe mehr als ausgleichen konnten. Auch die ganz Großen zeigen diese Härte gegen sich selbst. Das findet von Arnim genau richtig. „Warum nicht mal den Rat eines Ivan Ljubicic anhören? Der hat eine Schärfe, dagegen ist ein Rasiermesser ein Duschschwamm. Aber Roger Federer hat auch mit ihm gearbeitet.“

Aber da käme der DTB wohl zu spät. Ljubicic ist seit Dezember des vergangenen Jahres Leiter der „Mission Ambition“ des französischen Tennisverbandes. Seine Aufgabe: Leistungsoptimierung mit Blick auf die in Paris stattfindenden Olympischen Sommerspiele 2024. Das Olympische Motto lautet „Dabeisein ist alles“. Aktuell ist offener denn je, wann deutsche Tennis-Profis mal wieder dabei sind, wenn es um Turniersiege geht.

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