Rolex Paris Masters

Bester Spieler ohne Grand Slam-Titel? Alexander Zverev beim Masters-1000er-Hallenturnier von Paris. Bild: Corinne Dubreuil / IMAGO

Neuer Rekord für Alexander Zverev – aber freut er sich darüber?

Eine frische Top Ten-Bestmarke von Alexander Zverev lässt eine alte Diskussion neu aufflammen: Ist er der beste Spieler ohne Grand Slam-Titel?

Es ist ein Rekord, auf den Alexander Zverev durchaus stolz sein kann: Er ist seit diesem Montag der Spieler, der die meisten Wochen in den Top 10 steht, ohne dabei ein Grand Slam-Turnier gewonnen zu haben. Natürlich legt dieser Rekord aber auch die große Lücke in der Tennis-Vita des Deutschen offen: der fehlende Grand Slam-Titel. Insofern kann man zumindest die Frage stellen, ob er sich über diese Bestmarke wirklich freut. Natürlich würde er lieber längst einen Major-Titel in der Tasche haben, als nun diese Bestmarke abzufeiern.

Fakt aber ist: Zverev steht nun ohne Grand Slam-Triumph 370 Wochen in den Top 10 – so lange wie kein anderer Spieler, der in seiner Karriere nie in Melbourne, Roland Garros, Wimbledon oder New York gewann. Zverev überholte Tomas Berdych, der auf 369 Wochen in den Top Ten kam. Auf den weiteren Plätzen folgen David Ferrer (358 Wochen), Nikolay Davydenko (268 Wochen) und Jo-Wilfried Tsonga (260). Der französische Tennisstatistik-Account „Jeu, Set et Maths“ postete diese illustre Liste auf der Plattform „X“ zuerst.

Zverev gehört übrigens einem weiteren recht elitären Zirkel an: Er ist einer von sechs Spielern, der es ohne Grand Slam-Titel bis auf Platz zwei in der ATP-Weltrangliste geschafft hat. Die anderen fünf Profis sind: Tommy Haas, Alex Corretja, Magnus Norman, Casper Ruud und Marcelo Rios. Insbesondere mit dem Chilenen Rios wird Zverev stets verglichen, wenn es um die Frage geht, wer denn nun der beste Spieler der Historie war, der keinen Grand Slam-Titel gewann.

Zuletzt haben sich in dieser Diskussion zwei Ex-Profis zu Wort gemeldet, die sich klar für Rios ausgesprochen haben. Auf „X“ polterte Yewgeny Kafelnikov am 9. Oktober: „Es gibt keinen besseren Spieler im ganzen Universum als Marcelo Rios ohne Grand-Slam-Titel!! Aus!! Ende der Diskussion!!“ Eine Begründung für seinen Standpunkt lieferte der Russe dabei nicht.

„Rios besser als Zverev? Oh ja, keine Frage“

Ausführlicher äußerte sich Greg Rusedski im Interview mit dem südamerikanischen Tennis-Portal CLAY zu dem Thema. „Rios ist der beste Spieler in der Geschichte des Sports, der nie einen Slam gewann. Er war der Nummer eins der Welt“, erklärt Rusedski. Tatsächlich ist Rios der einzige Spieler, der an der Spitze der Weltrangliste stand und keine einzige Grand Slam-Trophäe in seiner Karriere einsammelte. „Ob Rios besser als Zverev war? Oh ja, keine Frage. Leider hatte Marcelo keine ausreichend lange Karriere, um sein Ziel, einen Grand-Slam-Titel zu gewinnen, zu erreichen. Das ist das Einzige, was gegen seine Bilanz spricht“, führt Rusedski weiter aus.

Rusedski, der es selbst bis auf Rang vier im ATP-Ranking schaffte und 1997 bei den US Open sein einziges Grand Slam-Finale erreichte (Niederlage gegen Pat Rafter), war ein Wegbegleiter von Rios und traf 1998 im Finale von Indian Wells auf den Chilenen. Damals gewann Rios in vier Sätzen. „Ich habe eines der besten Matches meines Lebens gespielt und trotzdem verloren“, erinnert sich der Brite, der inzwischen vor allem als TV-Experte tätig ist. „Das Talent von Marcelo war außergewöhnlich. Einfach unglaublich. Es gibt keinen Spieler mit seinen Händen, und er hatte alles, was man im Spiel braucht. Was für ein großartiger Champion er war“, schwärmt Rusedski in dem CLAY-Interview.

Worauf man sich einigen kann: Rios war der talentiertere Spieler als Zverev, aber nicht unbedingt der bessere. In Sachen Konstanz ist Zverev um Längen besser als Rios, was nicht zuletzt durch den neuen Top Ten-Rekord offensichtlich wird. Ein tieferer Blick in die Statistik zeigt zudem, dass Zverev mehr Titel (24 zu 18) und mehr Grand Slam-Endspiele (3 zu 1) als Rios vorweisen kann.

Zverev vs. Rios: Konstanz schlägt Peak

Auch die Bilanzen gegen Gegner aus den Top 10 sprechen für sich: Zverev kommt auf eine Siegquote von 42 Prozent (57:78 Siege), Rios auf 36 Prozent (22:39). Der Chilene spielte in seiner gesamten Karriere nur einmal gegen eine amtierende Nummer eins, nämlich 1994 gegen Pete Sampras bei den French Open. Sampras gewann glatt in drei Sätzen. Zverev hatte in seiner bisherigen Karriere schon 14 Duelle mit der amtierenden Nummer eins, vier davon konnte er für sich entscheiden (zuletzt 2021 bei den ATP-Finals gegen Novak Djokovic).

Am Ende läuft es darauf hinaus, dass Rios auf dem absoluten Höhepunkt seiner Schaffenskraft vielleicht wirklich besser als Zverev war; der Deutsche aber überflügelt den Chilenen auf der Karriere-Langstrecke locker. Insgesamt schlägt Zverevs durchgängige Konstanz das einmalige Peak-Level von Rios.

Und außerdem: Noch hat Zverev die Chance, seinen ersehnten Grand Slam-Titel zu holen. Dann sind diese ganzen „Ohne-Grand-Slam-Titel-Statistiken“ eh nur Makulatur.