Eva Lys

Eva Lys hat in Wimbledon erstmals die zweite Runde erreicht.Bild: Imago/Jürgen Hasenkopf

Wimbledon: Fast perfekte deutsche Party auf Court 8

Am ersten Tag in Wimbledon spielte sich aus deutscher Sicht fast alles auf einem bestimmten Court ab – mit Siegen für Eva Lys, Laura Siegemund und Jan-Lennard Struff.

Man kann es leider nicht schönreden. Es ist ernüchternd, wenn man auf die beiden Einzelfelder in Wimbledon aus deutscher Sicht blickt. Nur sieben Deutsche stehen im Hauptfeld – vier Damen und drei Herren. Es ist die geringste deutsche Teilnehmerzahl in Wimbledon seit 1982. Zum Vergleich: Vor 30 Jahren standen 28(!) Deutsche im Hauptfeld, also viermal so viel.

Damals triumphierte Steffi Graf, Boris Becker erreichte sein siebtes und letztes Wimbledonfinale. Als „Turnier der Deutschen“ hat sich Wimbledon in den letzten Jahrzehnten etabliert mit vielen märchenhaften Geschichten wie die sensationelle Halbfinalteilnahme von Tatjana Maria im Jahr 2022. Ob Alexander Raducanu, Alexander Popp, Jule Niemeier oder Florian Mayer: Viele Deutsche spielten sich in Wimbledon erstmals ins Rampenlicht.

Zverev: „Keine Sorge, ich werde Wimbledon schon gewinnen”

Gibt es in diesem Jahr eine ähnliche Heldengeschichte? Klar, mit Alexander Zverev muss man bei einem Grand-Slam-Turnier immer rechnen. Auf ihn werden aus deutscher Sicht wieder alle Augen gerichtet sein. Als Zverev vor drei Wochen das Finale in Stuttgart verlor, sagte er bei der Siegerehrung, dass er nicht wüsste, ob er nächstes Jahr wieder in Stuttgart spielen werde, weil er hoffe, kurz davor im Finale der French Open zu stehen.

Als ein Fan dann lautstark „Sascha, Wimbledon“ rief, entgegnete der Deutsche in seiner gewohnt trockenen Art: „Keine Sorge, ich werde Wimbledon schon gewinnen.“ Zverev hat den Glauben, Wimbledon zu gewinnen. Die Fakten sprechen allerdings klar gegen ihn: bislang noch kein Titel auf Rasen, in Wimbledon nie über das Achtelfinale hinausgekommen und damit noch kein Mitglied im legendären Last-8-Club in Wimbledon, in den man mit dem Einzug ins Viertelfinale aufgenommen wird.

Dass Zverev ausgerechnet in Wimbledon seinen ersten Grand-Slam-Titel gewinnen wird, scheint momentan mehr Wunschdenken zu sein. Doch im Tennis kann sich viel in kurzer Zeit drehen. Zverev kommt zugute, dass er in Wimbledon wegen seiner Ergebnisse auf Rasen der letzten Jahre nicht zum großen Favoritenkreis zählt. Vielleicht hilft genau das, um unter dem Radar frei aufzuspielen.

Zverev-Match bei Satzgleichstand abgebrochen

Doch in seinem Auftaktmatch war davon bislang wenig zu sehen. Gegen den Franzosen Arthur Rinderknech spielte Zverev gehemmt und muss nun nachsitzen. Der Grund: Seine Erstrundenpartie auf dem Centre Court wurde beim Stand von 6:7, 7:6 um 22:55 Uhr Ortszeit abgebrochen. Der Grund: Um 23 Uhr ist Spielschluss in Wimbledon wegen der Anwohner. Zverev wehrte im zweiten Satz drei Satzbälle ab und rettete sich zum Satzausgleich – lauter Jubelschrei inklusive.

Ein weiterer Deutscher oder Deutsche in der zweiten Woche in Wimbledon neben Zverev wäre allerdings eine große Überraschung. Immerhin, der Auftakttag lief gut. Neben Zverev gab es drei weitere deutsche Siege. Der Court 8 wurde zur deutschen Party. Eva Lys, Laura Siegemund, Jan-Lennard Struff und Daniel Altmaier mussten bei Temperaturen weit über 30 Grad allesamt auf einem dieser kleinen Nebenplätze ran, wo die Zuschauer ganz dicht dran am Spielgeschehen sind.

Persönlicher Grand Slam für Eva Lys

Den Anfang auf Court 8 machte Lys, die mit ihrem hart erarbeiteten Sieg gegen die Chinesin Yue Yuan (6:4, 5:7, 6:2) ihren nächsten persönlichen Grand Slam schaffte. Die 23-jährige Hamburgerin hat, nachdem sie sich bereits bei jedem Grand-Slam-Turnier über die Qualifikation ins Hauptfeld vorgespielt hatte, nun bei jedem der vier Major-Turniere die zweite Runde erreicht. „Es war eines der besten Rasenplatzmatches, das ich bislang gespielt habe – mit Höhen und Tiefen“, sagte Lys.

Beim Stand von 5:4 im zweiten Satz hatte die deutsche Nummer zwei bereits zwei Matchbälle und verlor dann für einige Minuten völlig den Faden. Die Folge: Satzausgleich. „Es ist eine taffe Situation gewesen, nachdem ich bei den Matchbällen leichte Fehler gemacht habe. Ich habe vor ein paar Tagen mit ein paar Spielerinnen darüber geredet, weil die auch ein paar Matches mit Matchbällen verloren haben. Ich habe denen gesagt ‚get over It‘, also ‚vergiss es und mach einfach weiter‘. Das habe ich mir dann auch in der Satzpause ständig gesagt, dass ich es einfach vergessen soll und den dritten Satz so spielen soll, als wäre nichts passiert. Ich bin sehr glücklich, dass ich das so umsetzen konnte“, sagte Lys. Nächste Gegnerin: Linda Noskova (Tschechien).

Laura Siegemund spielt gerne in der Hitze

Deutlich souveräner siegte auf Court 8 im Anschluss Siegemund – 6:4, 6:2 gegen Peyton Stearns (USA). Dennoch war es Schwerstarbeit für die 37-Jährige, die 2:01 Stunden für ihren auf dem Papier deutlichen Sieg brauchte. „Es war brutal heiß. Ich bin jemand, der gerne in der Hitze spielt, aber es hat das Spiel schon beeinflusst. Es hat ein paar Körner mehr gekostet, als sonst solch ein Ergebnis kostet“, sagte Siegemund. Nächste Gegnerin: Leylah Fernandez (Kanada).

Erfolgserlebnis für Jan-Lennard Struff

Auch Struff, der inzwischen aus den Top 100 gefallen ist, überzeugte auf dem deutschen Court 8 und feierte seinen ersten Grand-Slam-Sieg seit Wimbledon im Vorjahr. Beim 6:2, 5:7, 6:3, 6:3 gegen den österreichischen Qualifikanten Filip Misolic ließ sich nicht von einer Konzentrationsschwäche zum Ende des zweiten Satzes nicht aus der Ruhe bringen.

„Es braucht Siege, Woche für Woche. Das ist das einzige Rezept. Es ist eine schwierige Saison für mich. Trotzdem kann ich noch eine Menge positive Dinge erreichen. Da geht mein Fokus hin“, sagte Struff über seinen Negativlauf der letzten Monate. Nächster Gegner: Felix Auger-Aliassime (Kanada).

Daniel Altmaier verpasste es, die deutsche Party auf Court 8 zu einer perfekten Party zu machen – klare 1:6, 2:6, 4:6-Niederlage gegen Gabriel Diallo (Kanada). „Es war schön heute mit dem deutschen Court. Ich glaube, dass das deutsche Fernsehen da ein bisschen gepusht hat“, sagte Struff über den Court 8 in Wimbledon, der heute in deutscher Hand war. Vielleicht gibt es am Mittwoch in der zweiten Runde eine Fortsetzung.