Holger Rune

Lausbuben-Lächeln: Holger Rune hat mit seiner unbekümmerten Art die Szene aufgemischt. Er begann das letzte Jahr auf Platz 103 und beendete es auf Position 11.

Holger Rune: „Der perfekte Schlag gibt mir einen Kick”

Holger Rune hat die ATP-Tour 2022 im Sturm ­erobert. Der Einzug in die Top 10 soll nur ein ­Zwischenziel sein für den ehrgeizigen Dänen. Im Interview mit tennis MAGAZIN spricht er über seinen rasanten Aufstieg, seine Mentalität und seine Familienliebe.

Erschienen in der tennis MAGAZIN-Ausgabe 4/2023

Herr Rune, 2022 war ein gigantisches Jahr für Sie: erster ATP-Titel in München während Ihres Geburtstages, Viertelfinale bei den French Open, erster ATP-Masters-1000-Titel in Paris-Bercy mit fünf Siegen gegen Top-10-Spieler in Folge. Dazu das Debüt in den Top 10 und die Auszeichnung zum ATP Newcomer des Jahres. Was war bislang der wichtigste Schritt oder das wichtigste Match für Sie? 

Das kann ich so gar nicht sagen. Ich setze mir jedes Jahr Ziele und arbeite das gesamte Jahr hart daran, diese zu erreichen. In der Regel erreiche ich meine Ziele, auch wenn es keine einfachen Hürden sind, die ich mir setze. Das bedeutet auch, dass es Dinge gibt, bei denen ich nicht gut genug bin und wo ich mich verbessern muss, damit ich vorankomme. Ich lerne durch Erfahrung. Kein Mensch ist gleich. Wenn ich genau das gleiche machen würde, was ein anderer erfolgreicher Spieler tut, funktioniert das meistens für mich nicht. Daher ist es immer eine Herausforderung, die Methoden zu finden, die beim Erreichen meiner Zielsetzung funktionieren. Jeder Schritt ist wichtig. Es ist nicht ein Schritt oder ein Match oder ein Turnier, was den Unterschied ausmacht. 

In München bekamen Sie einem BMW für Ihren Turniersieg. Danach verrieten Sie, dass Sie noch gar keinen Führerschein besitzen. Haben Sie den Führerschein inzwischen gemacht?

Noch nicht, aber ich komme ihm näher. 

Dieses Jahr kommen Sie zurück nach München zur Titelverteidigung. Sie müssen sehr dankbar sein, dass Sie letztes Jahr eine Wildcard für München bekommen haben, weil Ihre erfolgreiche Reise in München begann? 

Ich habe die Wochen zuvor beim Masters-Turnier in Monaco und beim Challenger in San Remo gut gespielt. Ich war sehr glücklich, dass das Turnier Vertrauen in mich gesetzt und mir eine Wildcard gegeben hat, sodass ich mein gutes Gefühl in die Matches transportieren konnte. München ist ein tolles Turnier. Nicht viele Turniere werden in einem richtigen Tennisclub veranstaltet. Oft wird extra eine Anlage für ein Turnier gebaut. Daher ist die Atmosphäre in München besonders – sehr gemütlich! Die Menschen sind sehr herzlich. Dazu ist München eine wunderschöne Stadt. 

Was mögen Sie am Tennis? Was fasziniert Sie? 

Ich mag es, dass es ein Einzelsport ist. Ich mag es, dass ich die Kontrolle habe. Das ist einerseits schwer, aber andererseits ein richtig gutes Gefühl, wenn man seine Sache gut macht. Jeder, der Tennis spielt, wird mir wohl zustimmen, wenn ich sage, dass es kein besseres Gefühl gibt, wenn man den Ball perfekt trifft. Dieser Klang und dann zu sehen, wie der Ball deinen Schläger verlässt. Das ist das Beste! Der perfekte Schlag gibt mir einen Kick. 

Holger Rune

Hat viel Vor: Holger Rune formuliert seine Karriereziele forsch. Nach dem erstmaligen Einzug in die Top 10 soll es nicht mehr allzu lange dauern, bis er die Nummer eins der Welt wird.

Hatten Sie jemals ein anderes Ziel, als Tennisprofi zu werden?

Nicht, dass ich mich erinnere. Im Kindergarten wollte ich wie James Bond oder Indiana Jones sein. Aber später waren es ­Federer und Nadal statt Bond und Indy.

Holger Rune: „Wenn ich sauer bin, werde ich schnell wieder glücklich”

Sie sind ein sehr emotionaler Spieler mit viel Leidenschaft auf dem Platz. Spiegelt ihr Spielstil auch Ihren Charakter wider?

Ich bin immer fröhlich. Ich liebe es, zu trainieren und Matches zu spielen. Gleichzeitig will ich gewinnen und bin ein Perfektionist. Wenn ich sauer bin, werde ich schnell wieder glücklich. Ich bin gut darin, einen Weg aus dem Zorn zu finden und suche das Positive auf dem Platz und im Leben. Ich finde, dass ich mit meiner Spielweise auf dem Platz deutlich aggressiver bin als abseits des Platzes. Außerhalb des Platzes kann ich faul sein. Auf dem Platz hingegen bin ich nie faul. Ich liebe das Gefühl nach dem Training, wenn ich 150 Prozent Intensität gegeben habe. Und dann gibt es nichts Besseres, als sich zu entspannen. Wenn ich nicht hart arbeite, ist es nicht so spaßig zu relaxen. Es ist nicht wie Tag und Nacht, aber ich bin definitiv entspannter abseits des Platzes. Wenn ich aber Schach spiele oder mich bei anderen Spielen mit jemandem messe, will ich immer gewinnen. 

Es scheint, dass Ihr Spiel ein neues Level seit Beginn der Zusammenarbeit mit Ihrem Trainer Patrick Mouratoglou erreicht hat. Was hat sich in Ihrem Stil und Ihrer Mentalität mit Mouratoglou als Trainer verändert? 

Patrick ist eine fantastische Person und verdammt gut in seinem Job. Ich bin sehr glücklich, dass er mir neben meinem bestehenden Team helfen kann. Er macht einen Unterschied, aber es ist wichtig, das gesamte Bild zu sehen. Es ist nicht so, dass man einen neuen Trainer hat und dann anfängt zu gewinnen. Oder man stellt seine Ernährungsweise um und gewinnt dann. Oder dass sich mit einem Physio oder einem Mentaltrainer plötzlich alles verändert. Es sind die kleinen Dinge, die du jeden Tag verbesserst, die den Unterschied ausmachen. Ich habe mir mein solides Fundament, was Körper und Tennis betrifft, mit meinem Trainer Lars Christensen aufgebaut, mit dem ich seit meinem sechsten Lebensjahr zusammenarbeite. Dazu habe ich meinen Fitnesstrainer Lapo Becherini von der Mouratoglou-Akademie. Außerdem arbeite ich seit 2022 mit dem Mentaltrainer Bjarne Slot Christiansen zusammen. Sie alle leisten unglaubliche Arbeit und gehören zu den Besten der Welt in ihrem Aufgabengebiet. Es liegt an mir, offen zu sein und Ratschläge anzunehmen. Patrick kenne ich seit meinem 13. Lebensjahr. Es ist cool, mit ihm zu reisen. Die Mouratoglou-Akademie ist für mich meine französische Familie. Wir haben eine tolle Chemie. Es ist wichtig, seinem Team hundertprozentig zu vertrauen. Das tue ich. 

Ihre Mutter Aneke sagt, dass Sie sich damals wie ein Freak gefühlt haben, weil in Dänemark nicht viele Spieler von einer Profikarriere träumen. Wie war es für Sie, in Dänemark aufzuwachsen, das nicht als Tennisnation bekannt ist, mit diesem großem Traum, Tennisprofi zu werden? 

Es war eine weise Entscheidung, zur Mouratoglou-Akademie in Nizza zu gehen, als ich 13 Jahre alt war. Dann hatte ich einen Mix aus normaler Schule in Dänemark sowie der Akademie mit starken Profispielern. So konnte ich bei anderen Jugendlichen sein mit ebenfalls großen Ambitionen und Träumen. Das war kein Problem in der Schule in Dänemark. Meine Mitschüler waren cool und haben mich immer nett empfangen, als ich zurückgekehrt bin. Ganz nah mit den Besten der Welt zusammenzuarbeiten, wenn man 13 Jahre alt ist, ist eine Inspiration und ein wichtiger Spiegel, den man vorgehalten bekommt. 

Welche Rolle spielte Caroline Wozniacki in Ihrer Karriere? War Wozniacki eine Art Türöffner? 

Aus einem Land wie Dänemark mit keiner Tennistradition in vielen Jahren hat Caroline gezeigt, dass alles möglich ist. Im Sport ist es extrem wichtig, dass man Vorbilder hat. Sie ist eine sehr gute Botschafterin. Sie arbeitet hart, ist bescheiden und hat es geschafft, die Beste der Welt im Tennis zu sein für eine lange Zeit. Ganz klar, sie hat den Weg gezeigt. 

Sie sind mit 19 Jahren bereits der bestplatzierte Däne im Herrentennis der Geschichte. Wie fühlt sich das an? 

Ich bin nicht hier, um dänische Rekorde zu brechen, sondern internationale. In gewisser Hinsicht ist dies nur ein Schritt auf dem Weg. Eine Folge meines größeren Ziels. 

Holger Rune

Zum Abheben bereit: Die Vorhand gehört neben der Beinarbeit zu den ­großen Stärken des Dänen.

Haben Sie Charakterzüge, die typisch Dänisch sind?

Ja, die habe ich. In Dänemark haben wir das Wort „Hygge“, das bedeutet, dass man seine Umgebung gemütlich gestaltet. Ich mag „Hygge“. Gute Atmosphäre, gute Freunde, mit denen man eine entspannte Zeit hat. 

Es scheint so, dass die Spielweise der jungen Generation mit Carlos Alcaraz, Felix Auger-Aliassime, Jannik Sinner und Ihnen eine aggressivere Spielweise ist: mehr Geschwindigkeit, mehr Netzangriffe, mehr Emotionen. Stimmen Sie zu? 

Ja, ich hoffe doch. Die Dinge haben sich verändert. Wir sind andere Charaktere als Rafa, Novak und Roger. Sie zu kopieren, würde nur zu Enttäuschungen führen, weil es keinen neuen Roger, Rafa oder Novak geben wird. Stattdessen versuchen wir, die beste Version unserer Selbst zu werden. Hoffentlich können wir die jüngere Generation inspirieren. Ich wünsche mir, dass mehr junge Leute Tennis schauen. Dazu brauchen wir junge Spieler auf den größten Bühnen im Tennis. Glücklicherweise sind wir nun da und immer weiter auf dem Weg nach oben. 

Alcaraz ist nur eine Woche jünger als Sie. Er ist der jüngste Nummer-eins-Spieler der Geschichte. Wie ist Ihre Beziehung zu Alcaraz? 

Wir kennen uns aus der Juniorenzeit. Wir haben häufig gegeneinander gespielt und hatten tolle Matches. Er ist ein toller Typ. Ich mag Carlos. Er kommt aus dem Süden Europas, ich aus dem Norden. Wir sind zwar verschieden, aber wir wollen das gleiche. Jeder will der Beste sein, so war es schon immer. Wir werden viele tolle Matches in der Zukunft gegeneinander spielen, da bin ich mir sicher. 

Holger Rune: „Es ist Hygge”

Ihre Mutter spielte eine wichtige Rolle in Ihrer Entwicklung und ist stets dabei. 

Ja, das stimmt. Ich habe im Alter von elf Jahren mit dem Reisen begonnen. Ich mag es, wenn meine Mutter bei mir ist. An einem Punkt haben wir beide gedacht, dass ich nur mit meinen Trainern reisen werde, aber ich mag es, dass sie immer dabei ist. Sie ist die bestorganisierte Person, die es gibt und die liebevollste Person, die man um sich haben kann. Es ist „Hygge“. 

Was war der beste Rat, den Sie von Ihrer Mutter bekommen haben? 

Dass alles möglich ist. Wenn du wirklich etwas willst und hart arbeitest, dann wirst du Erfolg haben mit all dem, was du möchtest. Außerdem, dass man immer sein Bestes geben muss. 

Sie haben auch eine enge Verbindung zu Ihrer Schwester Alma. Welche Rolle spielt sie? 

Sie begleitet mich auf den meisten Turnieren. Familie ist wichtig für mich – meine Mutter, mein Vater, meine Schwester. Sie unterstützen mich immens. Ohne sie wäre ich jetzt nicht dort, wo ich bin. Alma hat selbst Tennis gespielt. Mit ihr kann man auch gut reden, wenn ich ein technisches Problem habe oder alles andere, was mich bewegt. Wir haben eine Menge Spaß zusammen. 

Welche Schlagzeile würden Sie gerne am Ende des Jahres 2023 über sich selbst lesen? 

Holger Rune entfernt eine Nummer aus seiner Jahresendplatzierung aus dem Vorjahr. (Anm. d. Red.: Rune meint damit, dass er die Nummer eins der Welt ist, da er das Jahr 2022 auf Platz elf abgeschlossen hat).

Vita Holger Rune

Der Däne spielt seit seinem sechsten Lebensjahr Tennis und war bereits mit 15 Jahren dänischer Meister. Sein voller Name ist Holger Vitus Nodskov Rune. Bei den Junioren erreichte er Platz eins in der Weltrangliste. Nach seinem starken Jahr 2022 mit drei ATP-Titeln, darunter beim Masters-1000-Turnier in Paris-Bercy, sowie dem Viertelfinale bei den French Open wurde er als Newcomer des Jahres ausgezeichnet.air jordan 1 low outlet | air jordan 1 mid unc cheap