Tennis-Bundesliga – Grün-Weiß Mannheim

Tennis-Bundesliga: Eine große Familie

Die Tennis-Bundesliga ist speziell. Selten kommen Fans den Profis so nah. Was steckt hinter dem Teamevent? tennis MAGAZIN hat einen Blick hinter die Kulissen bei Grün-Weiß Mannheim geworfen.

Ein lautes „Hallooo“ fliegt über die Anlage. Dann ein Schrei „aaaah“. Robin Haase läuft auf Tobias Kamke zu, breitet die Arme aus und drückt ihn an sich. Es folgt eine lange Umarmung gepaart mit ausgelassenem Lachen. Was daran ungewöhnlich ist? Nur einen Tag später treffen die Bundesliga-Mannschaften der beiden Spieler aufeinander. Es ist das Spitzenspiel der Saison. Denn der Gladbacher HTC führt die Tabelle an, gefolgt von TK Grün-Weiß Mannheim, der mit einem Sieg die Spitze übernehmen würde.

Familiäres Verhältnis in der Tennis-Bundesliga

Obwohl das entscheidende Match bevorsteht, ist die Stimmung auf der Anlage in Mannheim herzlich und die Freude über das Wiedersehen ehrlich. Die Begrüßung der beiden Profis steht für das, was die Bundesliga ausmacht: ein familiäres Verhältnis – sowohl innerhalb der Teams als auch unter den Gegnern und bei den jeweiligen Fans. 

Robin Haase, Tobias Kamke

Keine konkurrenz: Robin Haase (li.) vom Gladbacher HTC und Tobias Kamke von Grün-Weiß Mannheim begrüßen sich mit einer Umarmung einen Tag vor der Partie um die Spitzenposition.

Aber von vorne: Samstag morgen, 11 Uhr. Es ist ein Tag vor dem sechsten Bundesliga-Spieltag in Mannheim. Während einige Helfer die Stände auf der großen Wiese inmitten der Tennisanlage am Neckarplatt vorbereiten, trainieren die Spieler der Mannheimer Mannschaft auf den Plätzen. Radu Albot und Gerald Melzer schlagen auf dem Centre Court lockere Bälle in der Morgensonne. Nach angestrengtem Training sieht das nicht aus. Immer wieder streut einer der beiden einen Mondball ein, dann versuchen sie einen Trickshot. 

Nachdem die erste Trainingseinheit beendet ist, kommen alle bisher Angereisten auf der Terrasse des Clubheims zusammen, um gemeinsam Mittag zu essen. Während sie auf ihre Bestellungen warten, führen sie Gespräche über andere Vereine, Spieler, die aufstrebenden Junioren, Erlebnisse bei ihren letzten Turnierreisen, die Familie und Freizeitbeschäftigungen wie Golf oder Gaming.

Lange Anreise

Immer wieder springt Teamchef Gerald Marzenell vom Tisch auf, um zu telefonieren. Nebenher organisiert der 57-Jährige nämlich die Anreise der verbleibenden Spieler. Tobias Kamke kam aus Hamburg und musste am Mannheimer Bahnhof eingesammelt werden, Kevin Krawietz reiste gleich aus Tokio an und Pedro Martinez bestritt am Samstag das Finale von Kitzbühel. Auch wenn es zeitlich knapp werden würde, bestand der Spanier darauf, am nächsten Tag für den Grün-Weiß auf dem Platz zu stehen. Also kümmerte sich der Teamchef um einen Fahrer, der Martinez am Abend in München abholen sollte. 

Als ein Teil der Mannschaft nach dem gemeinsamen Essen zum Golfen nach St. Leon-Rot aufbricht, wirft Marzenell in die Runde: „Macht euch bis heute Abend Gedanken über die Aufstellung.“ Für den Spieltag am Sonntag spricht der Teamchef diesmal von einem „Luxusproblem“. Denn bisher besteht sein Kader aus neun Spielern. „Das wird die Qual der Wahl“, gesteht er.  

Tobias Kamke – Grün-Weiß Mannheim

Nervennahrung: Tobias Kamke freut sich auf einen Schokokuss nach der ­Trainingseinheit.

Während der eine Teil der Mannschaft sich also beim Golfen entspannt, geht es für Maximilian Marterer und Kamke auf den Trainingsplatz. Marzenell begleitet sie. Als ein Teammitglied mit einer Packung Schoko-Küsse in Richtung Trainingsplatz marschiert, sind sie begeistert. Genau die Nervennahrung, die man vor einem Spieltag braucht. Kamke und Marzenell schlagen schmunzelnd zu, Marterer lehnt dankend ab. 

Tagespreise in Mannheim

Nach der kurzen Unterbrechung bewegt sich Kamke zurück zur Grundlinie, setzt zum Schlag an, wird aber von einem lauten Schrei unterbrochen. Das gegnerische Team, der Gladbacher HTC, ist auf der Anlage am Neckarplatt eingetroffen. Freudestrahlend begrüßt der Gladbacher Spieler Robin Haase seinen Tourkollegen mit einer Umarmung – von Konkurrenzdenken keine Spur. Der nächste Tag. Bereits um 8 Uhr morgens geht es los. Während die ehrenamtlichen Helfer die Tageskasse aufbauen, den Grill anheizen und die selbstgebackenen Kuchen zur Theke bringen, müssen die Spieler zum Corona-Test. Danach kurz Kaffee auf der Terrasse und lockeres Bälleschlagen. „Die sind total entspannt“, stellt Marzenell fest. 

Grün-Weiß Mannheim

Vorbereitung: 20 Minuten bevor es auf den Platz geht, stellt sich das Mannheimer Team in der Kabine auf die Partie ein.

In der Umkleidekabine beginnt die heiße Phase der Vorbereitung. Zwischen Schlägertaschen, Massage-Bänken, einem Hometrainer, einem Tisch mit Kuchen und vielen Spielerfotos füllt ein riesiges Grün-Weiß Mannheim-Logo im Graffiti-Style den Raum. Einige Spieler unterhalten sich leise, andere sitzen am Handy, Marterer bemalt seine Schlägerbespannung neu und wieder andere blicken in Richtung des kleinen Fernsehers, auf dem das Olympia-Finale zwischen Alexander Zverev und Karen Khachanov gezeigt wird. Pedro Martinez, der nach seiner Finalteilnahme in Kitzbühel erst morgens um 6:30 Uhr in Mannheim eintraf, lässt sich von Physiotherapeutin Nicole Arnold durchkneten. 

Dann geht es los: Die Mannheimer haben bestimmte Rituale bei jedem Spieltag. Angefangen mit einer humorvollen Rede vom ehemaligen Bundesliga-Spieler und Coach Daniel Steinbrenner. Um noch ein bisschen Extra-Motivation aus den Profis herauszukitzeln, vergibt Steinbrenner an jedem Wochenende „Tagespreise“. „Je nach Leistung, Einsatz und Teamgeist übergeben wir die am Ende an die Spieler“, sagt der 41-Jährige. „Denn wir sind hier wie eine große Familie, in der man nicht nur für sich selbst spielt. Jeder kämpft für jeden. Jeder trägt eine Verantwortung für die Mannschaft.“ Als Steinbrenner die Preise – eine kleine Flasche Wodka, ein Smartphone und ein kleines Smart-TV – präsentiert, ist Kamke fassungslos. „Gerald, dann stellst du mich nicht auf?! Muss ich jetzt ein Feuer legen oder was?“, ruft er lachend in den Raum. Klar, er hätte auch gerne um die Preise gespielt, wird aber nicht eingesetzt. 

„Heute rennen wir zu jedem Ball”

Anschließend versammelt sich die Mannschaft vor dem Logo. Alle legen ihre Hände auf die Zeichnung. „Männer, ich habe eine Frage“, ruft Steinbrenner. „Können wir Gladbach heute schlagen? Ich habe zwei Antworten für euch. Die erste: Wir sind junge Kerle, die verdammt wild darauf sind, gleich da raus zu gehen und denen in den Hintern zu treten. Ihr habt eure Qualität schon so oft auf und neben dem Platz gezeigt. Wir sind stark. Die zweite Antwort: Wir sind das bessere Team, weil wir zusammenhalten. Heute rennen wir zu jedem Ball, zu jedem Stopp. Wir kämpfen wie Tiere.“ Schließlich ruft die ganze Mannschaft „GRÜN-WEISS MANNHEIM!!!“. 

Einlauf auf den Centre Court. Unter dem Applaus von knapp 1.500 Zuschauern werden beide Mannschaften vorgestellt. Die Atmosphäre ist intensiv. Auch in den Matches. Was eine Bundesliga-Partie von der ATP-Tour unterscheidet? Coaching ist erlaubt. Jeder Spieler nimmt seinen eigenen Coach oder einen Teamkameraden mit auf den Platz. Dazu unterstützt die Mannschaft. Klatscht, feuert an und gibt Tipps während der Seitenwechsel. 

Kevin Krawietz – Grün-Weiß Mannheim

Interview mal anders: Kevin Krawietz stellt sich den Fragen der Kids, die versuchen, Autogramme zu ergattern.

Im letzten Einzel zwischen Gerald Melzer und Mario Vilella Martinez beginnt es zu regnen. Pause. Während die Platzwarte sich bemühen, die Plätze so schnell wie möglich wieder in Ordnung zu bringen, gucken ein paar Spieler auf Tennis Channel in der Kabine die anderen Bundesliga-Matches. Andere mischen sich unter die wartenden Zuschauer. Albot spielt mit seiner Tochter Adeline und seinem Vater auf einer Wiese Ball, Krawietz stellt sich erst den Fragen einiger regionaler Medien und schließlich denen der Kinder, die vor dem Treppenaufgang der Mannheimer Kabine lauern, um ein paar Autogramme zu ergattern. „Wer ist dein Lieblingsspieler?“, fragen sie ihn. Er entgegnet: „Erzählt mir lieber, wer eure Lieblingsspieler sind.“ – „Zverev im Einzel, du im Doppel!“, rufen sie euphorisch. 

Tennis Bundesliga: Stars zum Anfassen

Melzer hat sein Einzel nach der Regenpause gewonnen. Wieder Besprechung in der Kabine für die Doppel-Aufstellung. Mannheim führt 3:1, ein Punkt fehlt noch. Teamchef Marzenell schlägt vor: „Albot und Martinez im ersten Doppel, Lenz und Krawietz im zweiten.“ „Was ist mit Marterer? Er und Kevin haben gut zusammen gespielt“, wirft jemand ein. Dann wird jeder im Team befragt. „Eine Kombination aus Links- und Rechtshänder immer gut“, sagt Doppelexperte Krawietz. „Kevin soll entscheiden, mit wem er spielt“, meint Albot. Nach knapp zehn Minuten stehen die Doppel: Albot und Martinez spielen auf dem Centre Court, Krawietz und Marterer auf dem Nebenplatz. 

Daniel Altmaier

Den Fans ganz nah: Der Gladbacher Daniel Altmaier macht Selfies nach seinem Sieg im Einzel, dem einzigen für sein Team.

Knapp zwei Stunden später ist klar: Der Plan ist aufgegangen. Krawietz und Marterer verlieren zwar im Match-Tiebreak, dafür siegen Albot und Martinez – Tabellenführung für Mannheim. Marzenell schwärmt von Teamspirit, Energieleistungen teilweise ohne Schlaf, ohne Vorbereitung. Und für die Reporterin bleibt die Erkenntnis: Die Bundesliga ist nicht nur spannend und hochattraktiv. Es gibt auch Stars zum Anfassen.

Im Gespräch: tM-Redakteurin Franziska Brülls mit dem Teamchef vom TK Grün-Weiß Mannheim, Gerald Marzenell.

 

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