Daniel Altmaier in Paris: der kluge Kaputtmacher
Daniel Altmaier schlägt in Roland Garros Taylor Fritz dank seiner schlauen Matchführung. Nun formuliert der 26-Jährige hohe Ansprüche an sich selbst.
Den Court Simonne-Mathieu, eingebettet im botanischen Garten Jardin des serres d’Auteuil, erreicht man über fast schon verwunschene Wege und er ist so etwas wie das Schmuckkästchen im Stade Roland Garros von Paris. Gewächshäuser umrahmen diesen herrlichen Tennisplatz, auf dessen Tribünen 5.000 Fans passen. Daniel Altmaier lieferte in diesem zauberhaften Ambiente eine Glanzleistung ab und schlug mit dem Weltranglisten-Vierten Taylor Fritz ein echtes Schwergewicht auf der Tour.
Beeindruckend war vor allem die Art und Weise, wie die deutsche Nummer zwei den US-Amerikaner kaum zur Entfaltung kommen ließ. Sicher, Sand gehört nicht zu den bevorzugten Belägen von Fritz. Altmaier dagegen liebt das intensive Spiel auf Ziegelmehl und bezeichnet die French Open als sein Lieblingsturnier. 2020 spielte er sich durch die Qualifikation, schlug unter anderem Matteo Berrettini und kam ins Achtelfinale. 2023 besiegte er in Paris Jannik Sinner nach einem fast fünfeinhalbstündigen Drama. Nun Fritz. Drei seiner insgesamt fünf Siege gegen Top 10-Spieler verbuchte er im Stade Roland Garros. Keine Frage, auf Sand kann Altmaier am ehesten sein volles Potenzial ausschöpfen. Auch wenn er 2025 noch nicht so richtig in Tritt gekommen war. Zuletzt verlor er glatt am Hamburger Rothenbaum gegen Felix Auger-Aliasimme.
Daniel Altmaier: Unterwegs mit der Ü70-Reisegruppe
Gegen Fritz, den er mit 7:5, 3:6, 6:3, 6:1 schlug, spielte der 26-Jährige streckenweise aber wie entfesselt auf – insbesondere in den letzten beiden Durchgängen. Zum Niederknien: Seine einhändige Rückhand, die er ein ums andere Mal mit Wumms die Linie zum direkten Winner runterschickte. Die Fans im Court Simonne Mathieu quittierten diese Genuss-Schläge mit lauten „Ahs“ und „Ohs“. „Wunderbar Daniel“, jubelten einige Zuschauer, die eine deutsche Flagge schwenkten.
Tolles Tennis von Daniel Altmaier! Er haut bei seinem Lieblingsturnier 46 Winner raus und schlägt die Nummer 4 der Welt, Taylor Fritz, mit 7:5, 3:6, 6:3, 6:1. Vor 2 Jahren schlug Altmaier in Paris schon Jannik Sinner. #RG2025 pic.twitter.com/m3ndSxPpqc
— tennis MAGAZIN (@tennismagazin) May 26, 2025
In der Pressekonferenz analysierte die aktuelle Nummer 66 der Herren-Weltrangliste seinen Sieg wesentlich nüchterner. Von Euphorie keine Spur. Die kam nur kurz auf, als er unmittelbar nach dem Match auf die Familie seiner mexikanischen Verlobten Paulina Nieto traf. Er herzte die Eltern und Großeltern seiner Partnerin im Botanischen Garten. Auf Spanisch beglückwünschten sie ihn, setzen ihm Küsse auf die Wangen. Altmaier: „Die wollten das alles einmal erleben. Wenn man so will, bin ich mit einer Ü70-Reisegruppe unterwegs.“
Sein plötzlicher Leistungsanstieg, so erklärte er es, sei am Ende das Ergebnis von „harter Arbeit“ und „einem strukturierteren Trainingsaufbau“. Worum er sich redlich bemühte: Den Sieg gegen Fritz nicht als Zufallsprodukt anzusehen. Sondern als Konsequenz seiner Disziplin und seines Ehrgeizes: „Auf dem Trainingsplatz habe ich mir das Selbstvertrauen erarbeitet, um daran zu glauben, Spieler wie Taylor Fritz zu schlagen. Wenn man von 365 Tagen im Jahr an 310 Tagen gut trainiert, dann ist es eine Frage der Zeit, bis man den nächsten Schritt macht. Ich habe dadurch eine gewisse Ruhe in mir, auch wenn ich mal ein Match verliere.“
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Daniel Altmaier: „Paris ist ein besonderer Ort für mich“
In Paris käme es nun hinzu, dass „der Ort etwas Besonderes für mich ist“. Der Grund: „Weil ich weiß, dass ich hier schon öfter gut gespielt habe, gehe ich mit einem positiven Gefühl ins Turnier.“ Tennisspieler sind bekanntermaßen Gefühlsmenschen. Und wenn die Grundstimmung passt, funktioniert nicht selten das eigene Spiel. Daniel Altmaier war dafür das beste Beispiel. 46 Winner gelangen ihm gegen den US-Powerhitter, dessen Vorhand zwar gefürchtet ist, von Altmaier aber geschickt aus dem Spiel genommen wurde. „Ich gehe geduldiger in die Punkte und weiß nun besser, wann ich auf den Winner gehen soll. Selbst wenn man mich mal passiv spielen sieht, dann ist das eine taktische Maßnahme von mir“, verriet Altmaier.
Alexander Zverev hatte es nach seinem Sieg gegen Altmaier in München vor ein paar Wochen so formuliert: „Daniel hat das Spiel, gute Gegner schlecht aussehen zu lassen.“ Das war als Kompliment gemeint. Altmaier bestätigte das auf seine Art: „Ich weiß schnell, was jemand nicht mag auf dem Platz und kann meine Taktik entsprechend anpassen. Dadurch kann ich das Spiel der Topleute schon kaputtmachen.“
Was ihm dabei zusätzlich hilft: Sein Team wertet in der Matchvorbereitung viele Daten aus, um Altmaier bestens vorbereitet in eine Begegnung zu schicken: „Es geht dabei darum, wie ich den Gegnern wirklich weh tun kann. Viele Topspieler beharren auf ihrem Spiel. Wenn ich nun weiß, wohin er zu 80 Prozent bei Breakball gegen sich serviert, dann hilft mir das.“ Altmaier als kluger Kaputtmacher.
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Daniel Altmaier: Sein Team soll wachsen
In der Rolle will er künftig richtig angreifen. Bald wird er ein großes Team um sich scharen, das ihm noch mehr Unterstützung bieten soll. Ein Physio wird ab dem Rasenturnier in Halle fest zu Entourage gehören. Dazu kommen ein Athletiktrainer, die zwei Coaches Alberto Mancini und Martin Cuevas sowie eine Art Team-Manager, der die ganze Truppe koordiniert. Schon 2018 hatte Altmaier seine Trainingsbase nach Argentinien verlegt, wo er seitdem regelmäßig die Saisonvorbereitung während der Winterpause absolviert. Wenn es das finanzielle Budget zulässt, soll sein Team ihn in Zukunft ständig begleiten.
Bei dem Aufwand steigt natürlich der eigene Anspruch. Altmaier formuliert ihn so: „Wenn ich in dem Rhythmus bleibe, dann werde ich mich in den Top 50 etablieren, aber mein Ziel ist es, 2026 bei den Australian Open gesetzt zu werden. Und dafür muss ich in die Top 32 bis zum Jahresende kommen.“ Zunächst aber trifft er in der zweiten Runde von Paris auf Vit Kopriva. „Ein unangenehmer Gegner“, weiß Altmaier. Aber im Idealfall wird er auch Koprivas Spiel kaputtmachen können.